Nur Mut!

Während meines Studiums war ich genau einmal mutig. Sagte zumindest der Dozent. Um mir eine Seminararbeit zurückzugeben, samt Note, hatte er mich eigens in sein Büro zitiert. Draußen war Winter, drinnen roch es nach Heizung. Zuvor kam das übliche Dozenten-Bingo: “Natürlich haben Sie die Sekundärliteratur der letzten 25 Jahre nicht drin”, sagte der Mann. “Da …

Mit Wasser kochen

Jeder hat diese Bekannten, die als Fünfjährige schon in Thomas-Bernhard-Gesamtausgaben geblättert haben. (Bitte Mama, nur noch fünf Minuten vor dem Einschlafen!) Hatte man in seinem Leben dazu nicht die Zeit (oder sehr strenge Eltern), bleibt einem nur ein Ausweg. Und natürlich besteht der nicht darin, diese Versäumnisse jetzt einzugestehen und sich die Gesamtausgaben nachträglich reinzuknechten, sondern kreativ zu werden.

Die Schläfer

Die ersten Wochen Ersti-Dasein und schon ist die Uni mein zweites zu Hause. Ich habe mich noch kein einziges Mal verlaufen, weiß genau, wo ich was finde, habe mein erstes Referat ausgearbeitet und verzweifle sogar nur ein ganz klein wenig, beim Gedanken an die Hausarbeit. Ich bin natürlich hochmotiviert, empört, wenn einer zum Seminar zu spät kommt und schreibe eifrig und per Hand jedes Wort des Dozenten mit. Mein Studium ist der Hammer – das Fach unglaublich spannend, die Fragen, was ich damit überhaupt später machen will, sind jetzt schon Routine und werden weggegrinst, ebenso wie lauter andere kleinere Hürden.

Verlorene Liebesmüh‘

Es hätte alles so schön werden können. Bequeme Sessel, zahllose Buchrücken in den Regalen, ein warmer Kaffee oder Tee zur Lektüre, ein gemütlich prasselndes Feuer im Kamin, gedämpfte Unterhaltungen im Hintergrund. So in etwa hätte man sich die neue Buchhandlung in der Schellingstraße 3 vorstellen können, Nachfolger der bewährten Buchhandlung Frank, die zum Bedauern vieler …

Weihrauch, Gold und Dingens

Endlich einmal Weihnachten allein feiern. Einmal an Weihnachten allein sein, dem Stress entkommen. Es ist ja immer eine komplizierte Geschichte: die Pflichten, die Zwänge, überhaupt das „weil ja Weihnachten ist“. Einmal bin ich dem entkommen und habe erlebt, was das eigentlich bedeutet an diesem Familientag allein zu sein. 2010 war das, in Stockholm.

Drück auf Pause

Das schöne Studentenleben, heißt es immer, das waren noch Zeiten. Die Floskel wird meist nostalgisch-ironisch von älteren Familienmitgliedern gebraucht, die schon lange in der „Evil Corporate World“ gefangen sind, und sich an der Ort der Sinnsuche, der Sinnfindung, des Lernens und Lehrens in einem Anflug von Melancholie zurückerinnern und dann eventuell noch à-la gebrochenes Handgelenk winkend sagen – hach, wie gut habt ihr es Kinder, genießt die Zeit. Allen Absolventen, die so verklärt in ihre Vergangenheit blicken, sei an dieser Stelle gesagt: Da blendet ihr aber ganz schön viel aus.

Verhofftes Wiedersehen

Teil I Schneemänner, Zimt, eingefrorene Nasen, die Kieselsteine treibt es wieder auf die Straßen, nachdem sie so lange in ihren Kieselkisten liegen mussten, Manche rufen ihre Liebsten an und heften sich mit den Glühweintassen wie Leuchtketten aneinander, ja ganz warm wird das Herz bei den vielen seligen Gedanken, die einem da kommen, wenn es wieder …

Um ein Haar

Nach vier Jahren Studium im Schneckentempo, von denen ich allerdings eins in England geschneckt habe, ist es auch bei mir endlich so weit: Ich habe zehn Wochen Zeit, meine Bachelor-Arbeit zu schreiben. Doomsday und Anmeldung: Ein Montag Ende März. Ein Paar Tage davor sitze ich mit meiner Mitbewohnerin auf unserem Balkon, im Radio tönen ADHS-Klänge …

Unter Zucker

Ein grauer, nass-kalter Novembertag in der Bibliothek für Germanistik und Komparatistik in der Schellingstraße 3, 18:30 Uhr, draußen ist es bereits dunkel. Seit der Mittagspause sind schon wieder über vier Stunden vergangen, in denen man mit der zu schreibenden Arbeit – gefühlt – kein Stück weitergekommen ist. Nach Hause kann man nicht, weil man sich da nur aufs Sofa lümmeln würde, statt weiter fleißig zu sein – und dann kann man wieder vor lauter schlechtem Gewissen die ganze Nacht nicht schlafen. Am nächsten Tag ist man umso müder und gestresster, schafft noch weniger und will noch früher heim. Ein Teufelskreis.

Piep, piep, piep…

…laut und schrill zieht es durch den Raum, die Anwesenden tauschen irritierte Blicke aus, die Bibliotheksaufsicht schimpft, „Wie können die denn so blöd sein! Jeden Tag, das gibt’s ja wohl nicht!“. Piep, piep, piep. Ich muss schmunzeln. Die Quelle des Geräuschs: ein Kopiergerät. Aber gehen wir zum Anfang der Geschichte.

Von Tippfehlern und Kabelkünstlern

Eine Freundin meinte, ich solle doch mit zu einer lyrischen Lesung unseres Instituts gehen. Es war 2010, wir waren beide Erstis, ich war naiv und sagte: „Okay“. Dabei interessiere ich mich nicht im Mindesten für Lyrik. Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass es einer Sprachgottlästerlichen Tatsache gleichkommt, dass ich als Literaturwissenschaftlerin das von mir …