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Verhofftes Wiedersehen

Teil I

Schneemänner, Zimt, eingefrorene Nasen, die Kieselsteine treibt es wieder auf die Straßen, nachdem sie so lange in ihren Kieselkisten liegen mussten, Manche rufen ihre Liebsten an und heften sich mit den Glühweintassen wie Leuchtketten aneinander, ja ganz warm wird das Herz bei den vielen seligen Gedanken, die einem da kommen, wenn es wieder nach Orangen und Rostbratwürsten riecht, die Kinderaugen werden glasig vor Glück, weil es so besinnlich ist zu dieser Zeit, sogar Rechts vor Links gilt wieder in den vielen, verwinkelten Nebenstraßen, die sich so weit über das Land verzweigen, dass wir sie hier gar nicht alle aufzählen können, wie oft fließt böses Blut durch die Gassen, unter’m Jahr, wenn einer ‘nen falschen Gesichtszug hat, das ist jetzt alles anders, ein Hauch von Frieden liegt über der Stadt, die Kriminalstatistiken gehen signifikant nach unten und die Krankenstationen bekommen nichts mehr zu tun, weil das Hormonklima so gut ist, niemand muss um sein Leben oder seine Menschenwürde fürchten, niemand sich eines Furunkels oder einer großen Zehe schämen, die ja, unter’m Jahr, wirklich zum Davonlaufen und nicht gut anzusehen sind; Mandeln gibt es, Mandarinen, Erdnüsse werden in ganzen Säcken während der Seminare gegessen, das ist eine Zeit der heimlichen Wunscherfüllung, Mandarinenschalen senken sich auf die Erde und umhüllen sie mit ihrem schadstofffreien Mandarinen-Duft – aber nicht um Weihnachten ist es uns hier zu tun: die Knödelmütze ist wieder da!

Denn sie ist es eigentlich, die uns in der Zeit vom 1. Advent bis zu Heiligabend so erfreut, sie ist es, die unsere Seele bis obenhin mit Knödeln anfüllt, dass gar kein Platz mehr für böse Gesinnungen ist. Es gibt sie in Blau, in Grün, in Braun, in Grau und ist auch in vielen weiteren Farben und Variationen, gestreift, gesträuselt oder aufgeflauscht, immer wieder gern gesehen. Mal wird sie lässig getragen, mal streng dem Kopf aufgepfropft; ihre Vielseitigkeit und Individualität macht sie praktisch für jede Natur zum passenden Ausdrucksmittel, jeder kann sich hier – sei es in dem schüchtern aufliegenden Schafsknödel oder dem extrovertiert ausknödelnden Ziegen-Knödel – verwirklicht sehen; aufgrund ihres rundknödligen Designs ist sie vor allem bei jungen Studentinnen sehr beliebt.

Die qualitativ hochwertige Wolle zu ihrer Herstellung wird von holländischen Knödelschafen gewonnen, vor Ort zunächst gewaschen, gekämmt und kardiert und mittels eines speziellen Verfahrens in Kaninchen-, Ziegen-, Kamel- oder gewöhnliche Schafswolle umgeknödelt (denn sie ist in nahezu alle Faserarten konvertierbar), damit sie im nächsten Schritt hart, weich, samtig, rau oder gusseisern (dies leistet besonders die Wolle nach Art russischer Woll-Nashörner, die auch das Material für die Stahlwolle in der Küche liefern) oder auch katzenflauschig weiterversponnen werden können; diese Produktionsweise ist rein ökologisch und knödeltierfreundlich, konventionelle Wolllieferanten wie australische Merinoschafe oder Angorakaninchen werden hierfür nicht benötigt, sind auch angesichts der hohen Anforderungen, insbesondere des sehr schwierig herzustellenden Knödels, eigentlich kaum geeignet; nur das Knödelschaf kann eine so hochwertige und massenhafte Produktion von Knödelmützen gewährleisten; ihre besondere Leistungs- und Strapazierfähigkeit (hierdurch können Pestizide und tierethische Überlegungen eingespart werden) macht sie einzigartig in der Welt und ihre Wolle ist durch keine andere natürliche Wolle oder Kunstfaser zu ersetzen.

Selbst Winterstiefel, die bekanntlich aus Lämmern geschnitzt werden, können inzwischen dank Knödelschafwolle schonend produziert werden. – Von Holland gelangt die gewaschene, gekämmte, kardierte und umgeknödelte Wolle schließlich nach Deutschland in heimische Produktionsstätten, wo sie in den ersten Produktionsgang gegeben wird, in manchen Fällen, made in Germany, wird sie auch vorgeknödelt aus Nachbarländern wie Indien angeliefert – die fingerfertigen Hände indischer Kinder haben gegenüber industriellen Knödelmaschinen einen nicht unerheblichen kulturellen Vorsprung –, mit deutschem Know-How zusammengeknödelt und erst zum Färben und Nachknödeln nach Indien zurückgesandt. In einem letzten Schritt, der wirklich einzigartig ist in der Textilindustrie und auf eine lange deutsche Tradition zurückgeht, wird sie mittels eines geheimen Verfahrens noch einmal kräftig durchgewalkt und durchgeknödelt. Hierdurch bekommt die Knödelmütze ihre unnachahmliche Form und knödelelastischen Trageigenschaften. Auch Goldfäden, wenn es etwas ganz Besonderes sein soll, werden gelegentlich hierin eingearbeitet.

Wenn schließlich alles gutgegangen ist, können die brühwarmen Knödelmützen in die vielen kleinen, familienbetriebenen Modegeschäfte ausgeliefert und zu Advent frisch serviert werden.

Was aber ihr unvergleichliches Geheimnis ausmacht, ja warum ihr ein Platz vor allen anderen Textilien auf der Welt gebührt, das wollen wir nächste Woche erfahren.

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