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Absurd, verbittert, entliebt: Kein würdevolles Ende

Zurzeit zeigt das Metropoltheater München ‚Ende einer Liebe‘ von Pascal Rambert. Ein minimalistisches Stück, das durch schauspielerische Höchstleistung sowie einem brillanten Drehbuch glänzt.

Mara Widmann und Matthias Grundig überzeugen mit ihrer mitreißenden Darstellung einer endenden Liebe. Foto: Jean-Marc Turmes

Von Jasmin Shokoui

„Es wird kein leichter Abend“, warnt die Pressereferentin, als sie die Karten für die Inszenierung ‚Ende einer Liebe‘ im Münchner Metropoltheater übergibt. Dafür verspricht Sie eine herausragende schauspielerische Leistung.

Eine Liebe geht also zuende, aber wo fängt man an? Am besten auf der Terrasse. Dort wird bei den letzten Sonnenstrahlen des Spätsommers über den Autor des Stücks gesprochen. Pascal Rambert ist 1962 in Nizza geboren. Er wirkt als Autor, Choreograph, Film-, Opern- und Theaterregisseur. Von 2007 bis 2017 war er Leiter des Théâtre de Gennevilliers, einem Zentrum für zeitgenössische französische Dramatik. Seine Theaterstücke werden weltweit aufgeführt und wurden bislang in mehr als 17 Sprachen übersetzt. Auch, dass er Träger zahlreicher Auszeichnungen und Preise wie des ‚Grand prix de littérature dramatique (2012)‘ ist, stimmt erwartungsvoll auf die Aufführung. Für ‚Ende einer Liebe‘ hat der französische Kunstschaffende den ‚Prix de l’auteur au Palmarès du théâtre (2013)‘ erhalten. Uraufgeführt wurde das Stück 2011 beim Festival von Avignon in seiner eigenen Inszenierung. Den heutigen Abend haben Jochen Schölch, Domagoj Maslov, Cornelia Petz und Hans-Peter Boden gestaltet. Bei Sonnenuntergang wird um kurz vor halb Sieben der Weg in den Theatersaal angetreten. In der Mitte befindet sich ein erleuchteter Steg, die Bühne. Links und rechts davon stehen Stühle in Zweier- und Dreier-Paaren, immer in ausreichendem Abstand zu den umgebenden Plätzen. Bis es nach einigen Minuten schließlich dunkel wird, behält das Publikum den Mund- und Nasenschutz auf.

Klare Worte

„Ich bin gekommen, um dir mitzuteilen, dass es aus ist.“ Der Saal ist dunkel, das Publikum mausestill. Auf der langen, hell erleuchteten Bühne stehen sich zwei Personen mittleren Alters, Stan und Audrey, an beiden Enden gegenüber. Sie sind ganz in Schwarz gekleidet – fast wie bei einer Beerdigung. Beerdigt werden an diesem Abend die gesittete Sprache und die Beziehung der beiden. Die Ehe, die sich doch gerade durch die gemeinsame Sprache auszeichnete. Stan ergreift das Wort. Es folgt ein dreiviertelstündiger Monolog. Anschuldigungen fliegen durch den Raum, entwürdigende Worte fallen. Dass das Gesagte nicht wieder zurückgenommen werden kann, scheint den beiden bewusst zu sein. Stan verwendet eine verschwurbelte, akademisierte Sprache. Die Art der Sprache, die Audrey immer an ihm kritisiert hat. Überhaupt, dass sie nie Probleme sieht und in einer gekünstelt heilen Welt lebt, das stört ihn. Er liebt sie nicht mehr. Sie muss nicht antworten, denn bei der leisesten Regung in Mimik oder Gestik legt er ihr in den Mund, was sie darauf erwidern würde, was sie an ihm kritisieren würde, käme sie zu Wort. Die Sprache wird immer gröber. Er spricht davon, dass ihr Körper eine leere Hülle sei, aus der Blut herauslaufen würde. Als Stan behauptet, dass die Zuschauer seine Worte bezeugen können, wird die vierte Wand durchbrochen. Wenig später wird sie mit der Aussage „wären wir jetzt im Theater“ wieder errichtet. Gegen Ende des Monologs: Ein Auflachen des Publikums. Stans Wahrnehmung seiner Frau und seiner Ehe ist so absurd, dass dem Publikum nichts bleibt, als ein bitteres, ironisches Lachen. Und Audrey schweigt. Sie hört zu, die Tränen kommen ihr aber nicht. Auch das stört ihn. Aber eigentlich kommt es ihm nur darauf an, den Sessel mit den rosa Stickereien zu behalten.

Nach der nervenzerreißenden Hasstirade Stans kommt Audrey endlich zu Wort. Sie hat geduldig zugehört und erinnert sich penibel an jedes ausgesprochene Wort, jede Metapher, jede Erniedrigung. Ihre Sprache ist ordinärer als seine Wortwahl – vielleicht eine Art der absurden gedanklichen Parallelwelt Stans zu begegnen. Ihre Antwort lässt sich durch absolute Fassungslosigkeit mit einer Prise Frustration zusammenfassen. Er kann den rosa Sessel gerne behalten, sie behält die Erinnerungen. Zum Beispiel den Transport des Sessels auf dem Flug Florenz-Paris möchte sie nicht vergessen. Und sie behält die Kinder. Ihr ist bewusst, dass das Gesagte nie wieder zurückgenommen werden kann. Womit sie es verdient hat, solche Worte entgegengeschmettert zu bekommen, fragt sie sich. Sie nimmt auf jedes Wort Bezug und hebt die Lächerlichkeit sowie die Erbärmlichkeit der Vorwürfe hervor. Während Audrey am Ende seines Monologes in der Lage war, auf alles Gesagte einzugehen, wirkt er nach ihrer Antwort gebrochen und leer. Das, was jetzt kommen wird, wird die Hölle, stellt sie fest. „Ich hoffe du hast ein Innenleben“, wünscht sie ihm am Ende.

Ein schauspielerisches Festspiel

Das Logo des Theaterstücks © Foto: Metropoltheater

Die Lichter gehen an. Die Türen werden geöffnet. Tobender Applaus erfüllt den Raum und bringt das Publikum aus der dunklen, emotionalen Welt der gescheiterten Liebe zurück in die Realität. Mara Widmann und Matthias Grundig haben eine einzigartige Performance geliefert. ‚Ende einer Liebe‘ steht und fällt mit der schauspielerischen Leistung. Das Stück kommt ohne ein Bühnenbild aus. Dennoch haben die Mimik, die Gestik und der gesprochene Text in die Welt einer verlorenen Liebe transportiert. Es wurde nicht zu viel versprochen.

Für ‚Ende einer Liebe‘ gilt das solidarische Motto „Zahl doch was du willst!“. Tickets gibt es unter: https://www.metropoltheater.com/kartenverkauf.html

Weitere Informationen zum Stück findet Ihr hier: https://www.metropoltheater.com/stueckdetails/ende-einer-liebe/123.html

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