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Wie Europa Schule macht

Erasmus-Studenten und Schüler präsentierten am Freitag ihre gemeinsamen Projekte

Krise, Zerfall, Reglementierungen: Das Stichwort „Europa“ steht allzu oft negativ in den Schlagzeilen. Dabei verbindet sich der europäische Gedanke eigentlich mit Frieden, Einheit und Austausch. Ein ehrenamtliches Projekt bringt Erasmus-Studenten mit unterschiedlichsten Schulklassen in Berührung und beweist, wie Europa auf kleinster Ebene weiter zusammenwachsen kann.

Kinderstimmen dringen durch das Hauptgebäude der LMU; Hüte, ein Prinzessinnenkleid und ein Ritterschwert sind zu sehen. Die Viertklässler der Grundschule an der Knappertbuschstraße rutschen aufgeregt plappernd auf ihren Plätzen im Hörsaal M114 herum. Sie scheinen sich verirrt zu haben, sind aber doch genau richtig. Nicht um eine Vorlesung zu hören, sondern um ein Projekt vorzustellen: Ihr eigenes Projekt zum Thema Europa. Bei der Abschlussveranstaltung von Europa macht Schule an diesem Freitagvormittag führen sie vor, was sie gemeinsam mit Antonia erarbeitet haben, „ihrer“ Erasmus-Studentin aus Großbritannien.

Europa macht Schule – Foto: Maria Gracia Centeno.

Seit 2006 besteht das Programm Europa macht Schule. Es hat es sich zum Ziel gemacht, Europa hautnah erlebbar zu machen, jenseits von Nachrichtenberichten oder Urlaubsreisen. Als „Botschafter“ bringen Erasmus-Studenten den Schülern im Rahmen von kreativen Projekten ihre Heimatländer näher. Die Schüler der Klasse 4a jedenfalls sind begeistert: „Das war eine super Erfahrung!“

Mit der Engländerin Antonia haben sie sich mit der Legende von St. George auseinandergesetzt, dem Nationalheiligen Englands. Passend zu der Geschichte vom Drachentöter zeigen sie stolz ihre selbstgebastelten Papierdrachen. Dann kommen die Requisiten zum Einsatz: Die Viertklässler führen ein kleines Theaterstück vor, in dem sie die Geschichte samt Ritter, Pferd, Drachen und Prinzessin nachspielen – selbstverständlich halb auf Deutsch, halb auf Englisch. „Ich war sehr beeindruckt, dass die Kinder im zweiten Jahr Englisch schon so viel können“, sagt Antonia. Die Studentin war für zwei Tage in der Grundschulklasse zu Besuch und kommt zu dem Schluss: „Meine Klasse war einfach awesome.“

Bei der Abschlussveranstaltung zeigt sich die Vielfalt von Europa macht Schule. Alle Schultypen können mitmachen. Neben den Grundschülern präsentieren am Freitag auch Schüler der Q11 des Michaeli-Gymnasiums ihre Ergebnisse. Mit „ihrer“ Gaststudentin Alice, ebenfalls Engländerin, haben sie sich im Geschichtsunterricht mit dem Rechtspopulisten Oswald Mosley befasst. Der Gründer der British Union of Fascists war selbst ihrer Lehrerin zuvor noch nicht bekannt.

Vom Heiligen George zum britischen Faschisten Oswald Mosley

Die Erasmus-Studenten schlagen bei Europa macht Schule eigene Themen vor, gemeinsam mit den Schülern und den Lehrern werden sie dann besprochen und durchgeführt. In der Unterrichtsstunde zu Oswald Mosley übernahmen einzelne Schüler gemeinsam mit Alice den zweisprachigen Unterricht für den Rest der Klasse. „Das war schon cool, einmal Lehrerin zu spielen“, sagt Merve. Es sei spannend, sich hautnah mit einem Thema zu befassen, das sonst eher weniger behandelt wird, findet die Schülerin. Bei der Vorführung vor den Grundschülern nun versuchen die Elftklässler, anschaulich zu zeigen, was an den britischen Faschisten auffällig ist. Dazu analysieren sie Parallelen zum Nationalsozialismus in Kleidung, Auftreten und Symbolik. „Wisst ihr denn, was der Hitlergruß ist?“

Die gute Laune trübt sich jedoch auch trotz der schwierigen Thematik nicht. Schade sei es nur, dass Antonia wieder zurück nach England geht, finden die Grundschüler. Und als sie am Ende Kuchen und Butterbrezen im Hörsaal essen, sind sie beeindruckt von ihrem ersten Schnuppertag an der Uni: „Das ist alles so viel größer als bei uns in der Schule!“. Viele von ihnen wollen später auch studieren. Am liebsten in England.

 

Europa macht Schule steht unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Joachim Gauck und wird an 36 Standorten in Deutschland von Studenten ehrenamtlich organisiert. Am seit 2009 aktiven Standort München hat Eva Finkenzeller im Jahr 2012/2013 die Leitung übernommen. Finanziert wird Europa macht Schule vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). Mehr unter www.europamachtschule.de, mitmachen unter muenchen@europamachtschule.de.

 

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