Unileben

Warum das Leben in der Stadt besser ist

Ruhe und Natur, das sucht man in der Großstadt oft vergeblich. Trotzdem hat das Leben in den Metropolen Vorzüge, die nicht von der Hand zu weisen sind, auch während der Pandemie.

Nicht jede Stadt muss so bunt, grell und laut wie Tokio sein. Dass es selbst in Städten wie München wilder zugeht als auf dem Land, ist aber sicher. Foto: © Nicolas Friese

Von Max Fluder

Die besten Witze haben immer ein Fünkchen Wahrheit in sich – und sie piksen in Wunden. Vermutlich war mir auch deshalb nicht nach Lachen zumute, als mir zwei meiner Kolleginnen von einer jungen Frau auf TikTok erzählten, die mit ihren Videos einen ganz bestimmten Humor bedient. Ihre Witze drehen sich um einen Bus, der nur dreimal am Tag fährt, um starke soziale Kontrolle, die einen einschränkt, und um die Langeweile auf dem Land.

„Dorfhumor“, so nannten es meine Kolleginnen. Nun ist es natürlich toll, wenn man darüber lachen kann. Das tun viele von uns eh zu selten. An einer Tatsache ändert das aber nichts: Die Infrastruktur auf dem Land ist in der Bundesrepublik einfach unzureichend – und darunter leidet auch immer die Lebensqualität in den entsprechenden Gebieten.

Langweilig. Anstrengend. Die Begriffe sind austauschbar.

Ich habe bisher nur in Millionenstädten gelebt. Deswegen habe ich keine eigenen Erfahrungen, wie es ist, auf dem Land zu leben. Was ich hingegen kenne: die Klagen meiner Freund*innen über das Leben fernab der Städte. Es sei langweilig. Anstrengend. Nervig. Alles in allem engstirnig und kleingeistig. Die Begriffe sind nahezu austauschbar.

Die Städte hingegen, die seien groß, offen, divers und vor allem voller Möglichkeiten. So ganz stimmt das natürlich nicht. Auch Großstädte haben dörfliche Ecken. Und manchmal deren Bewohner*innen auch dörfliche Denkweisen. Schon gar nicht sind Großstädte voller Möglichkeiten für jede*n – erst recht nicht, wenn einem das nötige Kapital fehlt.  

Trotzdem liegen in ihnen die wichtigsten Knotenpunkte: Unis, Unternehmen, Stadien, Kulturstätten. Sie sind laut, voll und oft auch unorganisiert. Manche nennen es chaotisch. Das muss man nicht mögen, sollte man aber. Zumindest als Großstädter*in. Denn auskommen muss man damit ja eh. 

Städte können Orte der Freiheit sein.

Was Metropolen ausmacht, soll natürlich nicht unerwähnt bleiben: die Fülle an Menschen. Mit ihr kommt das Angebot an Gastronomie, Museen, Clubs und all dem Anderen, das man unter dem Label „urban“ verortet.

Der Soziologe Georg Simmel beschäftigte sich vor gut einem Jahrhundert bereits mit dem Urbanen. Großstadt, das heiße auch immer Anregung von außen. Simmel attestiert den Großstädter*innen, einer „Steigerung von Nervenlebens“ ausgesetzt zu sein. Das ist nichts Schlechtes. Eher noch trage es im Zusammenspiel mit mehr Freiheiten dazu bei, die eigene Persönlichkeit zu entfalten. Sich zu wandeln und zu bewegen, psychisch und physisch, das ist auch genuin urban.

Nun ist in Zeiten der Pandemie die Mobilität eh eingeschränkt, aber in der Regel ist selbst das Internet in den Städten besser. Niemand kann mir erklären, dass eine Zoom-Konferenz voller Ruckler Spaß macht.

Chefs großer Immobilienkonzerne lassen sich damit zitieren, dass die Gleichheit der Lebensqualität zwischen Stadt und Land nicht gehalten werden kann. In Städten lebt es sich nach dieser Denkweise einfach besser. Das klingt toll für Städter*innen, führt aber zu einem Problem: Denn genauso entsteht auch die Grundlage für hohe Mieten. 

Dass Städte ihre Vorzüge haben, wird niemand bestreiten.

Städte – München ist da schon seit Jahrzehnten einsame Spitze – sind teuer, ergo nicht für jede*n bezahlbar. Allerdings sollte man die Lebenserhaltungskosten nicht mit der Güte gleichsetzen. Letztendlich kommt es darauf an, wo es einem zusagt. Manchmal will man auch einfach nur seine Ruhe (in Städten eher schwierig) oder es liegt einem an den familiären Banden, die für Zuzügler ja meist auf dem Land liegen. 

Auch Vorlieben wie Naturverbundenheit oder – ganz klassisch – die Berufswahl schränken die Wohnortwahl ein. Dass Städte aber ihre Vorzüge haben, das wird niemand bestreiten. Auf Großstadtwitze warte ich aber immer noch.

 

Die alte Frage „Stadt oder Land?“ bekommt während der Pandemie eine neue Wendung. Die einen schätzen die Ruhe des Landes, andere zieht es in die Städte. Hier geht’s zu dem anderen Teil unserer Pro-Contra Debatte.

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