Unileben

Vom Hörsaal vor die Webcam

Mein Vergleich von Präsenz- und Onlineuniversität: Ein ehrlicher Erfahrungsbericht. Warum ich meinen Lebensweg änderte und jetzt plötzlich neben Marketing auch IT, BWL und Psychologie studiere.

Von Leonie Stoll

Willst du studieren, eine Ausbildung machen, oder beides in einem dualen Studium kombinieren? Und willst du davor eine Auszeit als Au-Pair oder FSJler oder nicht machen – wenn ja,  dann natürlich exakt für ein Jahr? Diese Möglichkeiten wurden mir während meiner letzten beiden Schuljahre als Perspektiven nach dem Abitur aufgezeigt – nicht mehr und nicht weniger; traurig, aber wahr.

Tja, gewählt habe ich schlussendlich einen ganz anderen Weg. Nach einem Semester als ,,klassische“ Studentin im Präsenzmodus wechselte ich Uni, Studiengang und Studienform – und begann Vollzeit in unterschiedlichen Anstellungen in der Tourismusbranche zu arbeiten, während ich Teilzeit online an einer Privatuniversität studierte. In den letzten drei Jahren habe ich von fünf Orten auf drei Kontinenten aus gelernt, Seminararbeiten geschrieben sowie Klausuren absolviert – und nebenher einen beachtlichen Haufen an Berufserfahrungen gesammelt. Dieser Lebensweg war sicher manchmal unbequem und nein, Freizeit stand selten an der Tagesordnung. Deshalb werde ich hier sicher auch nicht probieren, jemanden davon zu überzeugen, meine Entscheidungen zu imitieren – aber einen Einblick in meine Form des Studierens möchte ich doch geben, genau weil sie eben nicht allen jungen Erwachsenen als realistische Perspektive vorgestellt wird.

Die Sache mit der Technik

Inzwischen ist  wohl  so ziemlich jeder mit Laptop, Tablet oder Ähnlichem ausgestattet und  muss sich zu Beginn des Studiums mit dem Online-Campus, Uni-Mailaccount und Microsoft-Teams vertraut machen. Aber dann zu verstehen, wie man jegliche Prüfungen und Projekte online einreichen kann, ist bezüglich des Zeit- und Energieaufwands nochmal eine andere Hausnummer, doch einmal verstanden zum Glück auch kein Hexenwerk mehr. Nicht zu beschönigen ist jedoch die Tatsache, dass ich wirklich abhängig von guter WLAN-Verbindung bin – ein Leben an einem Ort mit schwankendem oder schlechtem Netz kommt für mich nicht in Frage. Und zwar nicht, weil ich privat Tik-Tok süchtig wäre, sondern eben, weil ich sonst nicht mit meinem Studium vorankomme.

Immer und überall oder eher selten: Ich und das Zeitmanagement

Abgabefristen? Nicht existent. Klausurtermine? Dann, wann ich will – zwei Tage vorher buchbar. Professor*innen und Tutorien? Jederzeit auf Abruf. Und ich kann mir komplett aussuchen, wann ich welches Modul belege. Klingt super, oder? Ist es auch und ermöglicht die Koexistenz von Uni und einer 50-Stunden-Arbeitswoche. Andererseits schafft das Online-Studium keine Struktur im Alltag in Form von festen Vorlesungszeiten oder klaren Semesterferien. Heißt, ich könnte jederzeit mal für einen gewissen Zeitraum auch gar nichts für die Uni tun. Bei mir kam das bisher noch nicht vor, denn ich bin ein Sturkopf, der täglich den gleichen, von mir selbst festgelegten Zeitaufwand in die Uni investiert – komme was wolle. Doch Person X, die eher zu einer Laissez-Faire-Mentalität tendiert, könnte durch die gegebene Flexibilität wohl unterm Strich das ein oder andere Extra-Semester länger studieren.

It`s all about the money?

Abschließend komme ich wohl nicht darum herum zu erwähnen, dass ich monatlich dafür zahle, meine Uni überall hin mitnehmen zu können. Natürlich steigt da der Druck,  in der Regelstudienzeit einen Abschluss zu erlangen und schwarz auf weiß resultiert daraus die Notwendigkeit zu arbeiten. Aber ganz ehrlich: Ich habe diese Situation nie negativ bewertet, sondern bin durch diese Verantwortung erwachsen geworden. Hierzu kann ich wieder sagen: Kann man wollen, muss man aber nicht.

Ich denke, ganz allgemein gesprochen ist doch der springende Punkt: Es gibt zahlreiche Möglichkeiten!  Und indem wir uns ausprobieren, lernen wir uns selbst besser kennen. Wir sammeln Erfahrungen, die uns weiterbringen und es macht Spaß, diese zu teilen. Deswegen möchte ich mit diesem zugegeben etwas hochgestochenem Appell enden: Traut euch an Veränderungen – egal ob die Uni betreffend oder in anderen Lebensbereichen.

 

PS: Wer sich gefragt hat, ob das Studieren online manchmal einsam ist – eins kann ich euch verraten: Schon allein einige sehr unterhaltsame Microsoft-Teams-Gruppen und regelmäßiger, liebevoller Kontakt mit der Studienverwaltung bieten ein tolles Netzwerk. Und ganz ehrlich: Neben dem Arbeiten und die Welt erkunden, freue ich mich auch meistens auf die ruhigen Uni-Stunden vor meinem I-Pad, in welchen ich höchstens die Stimme von Siri höre.

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