Kaffeesatz

PHD-Dichter-Kaffee

Kaffee verbindet. Kaffee trinken kann die Grundlage und Gelegenheit für so vieles sein. Man trifft sich zum Kaffee trinken mit (noch) fernen Bekannten, mit den engsten Freund:innen, zum ersten Date oder um sich zu trennen. Man kommt ins Gespräch miteinander, lacht, weint, philosophiert und teilt Persönliches. Diese Kolumne will einige der Geschichten, die beim Kaffee erzählt werden, teilen und damit das Gefühl des „Kaffeetrinkens“ einfangen.

P.S.: Tee darf auch getrunken werden.

Von Christopher Bertusch

Wir verabreden uns auf einen Kaffee, dabei trinke ich eigentlich keinen. Du auch nicht, also treffen wir uns nur in einem Café und trinken ‚kalt‘. Spezi muss es sein, für mich. Du trinkst irgendetwas anderes, die Erinnerung versagt mir.

Wir kennen uns beide seit 5 Jahren, seitdem ich angefangen habe zu studieren. Heute bist du einer von zwei Kommilitonen, mit denen ich noch Kontakt halte. Der Rest ist meist leise, selten laut, verschwunden. Vereinzelte Nachrichten in Gruppen mit 50 Personen erinnern noch an frühere Zeiten. „Ich habe zwei Karten für die Oper morgen. Jemand Lust mitzukommen?“ 29 lesen es. Keine Antwort.

Über den Rand unserer Gläser hinweg, teilen wir Vergangenheit und Gegenwart. Die meisten meiner Erzählungen beginnen mit dem Studium. Im Master bin ich mittlerweile, nur noch ein Semester und dann … Dein Weg ist schon weiter, zwei Master hast du in der Hand, die Doktorarbeit wartet. Du hast einen Betreuer in Wien gefunden, hinzuziehen ist nur bedingt eine Option. Mit dir kann ich meine Träume verhandeln: Ein Doktor wäre ja was Schönes, aber welches Thema, welcher Betreuer, wo und wie? Unsere unterschiedlichen Forschungsgebiete verhindern den 1:1 Tipp-Austausch, aber du gibst mir Mut. Noch jemand, der Ambitionen verfolgt in einem Fach, über das andere nur sagen: Darin kann man einen Doktor machen? Warum?

Du liest mir selbstgeschriebene Gedichte vor und in mir macht sich dieser kleine Klumpen Neid breit. Es ist nicht Goethe, aber eine Freiheit liegt in deinen Texten, dass mir fast schwindelig wird. Verspielt und verzückt, deprimiert und nostalgisch, offen und ehrlich. Immer wieder dumme Flachwitze dazwischen. Ich lache über mindestens 60% von ihnen. Darauf folgt eine Liste an Titeln für potenzielle Texte, die noch nicht oder nie geschrieben wurden. Während du sie runterratterst, versehe ich sie mit Nummern von eins bis zehn. Nach jeder Nummer, die aus meinem Mund schnellt, zweifle ich an meinen Kritikfähigkeiten. Wie soll man aber auch Titel ohne Texte, einen Einstieg ohne Nachfolge bewerten? Deine Sätze fallen mit der Tür mitten in mein Gedankenhaus, lassen keine Verschnaufpause. Ein bisschen wie du also.

Ich schäme mich, nicht nur für den Klumpen in meiner Magengrube. Auch dafür, dass wir uns so lange nicht mehr gesehen haben. Freundschaften muss man pflegen, heißt es immer. Das weiß auch ich, aber trotzdem versagt oft meine Kompetenz. Ein Streitthema zwischen uns beiden. Du meldest dich gerne, ich mich selten. Verschiebe das Texten auf Morgen, den Anruf auf Übermorgen. Ich sage, es liegt nicht an dir, ich vergesse nur zu antworten. 30 offene Chats blinken permanent in der App. Kann man das wirklich glauben?

Aus dem Café heraus, treten wir in minus acht Grad in der Münchner Innenstadt. Wir gehen noch ein paar Minuten zusammen. Reden über frühere Semester und Kurse. Planen das nächste Treffen. Dann ist es so weit: Ich umarme dich, wir verabschieden uns und ich verspreche, mich bald zu melden. Bestimmt.

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