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„Print muss sterben, damit etwas neues entstehen kann“

Die beiden Nachwuchsjournalisten Tobias Hausdorf und Niklas Münch stecken hinter dem Podcast “Hinter den Zeilen”. Im Interview erklären sie, wie sie beim Aufnehmen vorgehen, warum sie glauben, dass Tageszeitungen ein Auslaufmodell sind, und was sie am Podcasten schätzen.

Niklas Münch und Tobias Hausdorf © Joris Felix

Text & Interview von Helena Borst

In ihrem Podcast ‚Hinter den Zeilen’ setzen sich Tobias Hausdorf und Niklas Münch kritisch mit dem Journalismus auseinander. Sie erzählen sehr offen, wie sie selbst zum Schreiben gekommen sind und wollen Berufsanfänger*innen ermutigen – insbesondere diejenigen, die wie sie aus Arbeiterfamilien stammen. Jetzt stehen beide kurz davor, die Evangelische Journalistenschule (EJS) abzuschließen: ein guter Zeitpunkt, um über die eigenen Anfänge, verschiedene Wege in die Branche oder auch schwierige Interviewsituationen zu berichten. In der kommenden Folge wird es um das Podcasten gehen, worüber wir auch bei unserem Treffen gesprochen haben.

In der letzten Folge erklärt ihr, wie ihr euch auf Interviews vorbereitet. Wie sieht das beim Podcast aus?

Tobias: Wir sind bei den ersten beiden Folgen unterschiedlich vorgegangen und sind noch am Experimentieren. Vor der ersten Folge haben wir uns abgesprochen und eine grobe Struktur festgelegt. Dann haben wir einfach drauflos erzählt und mussten anschließend kürzen. 

Niklas: Bei der zweiten Folge habe ich vorgeschlagen, den Text ziemlich durchzuskripten, wie man das auch beim Radio macht. Das ist natürlich deutlich mehr Arbeit und klingt auch weniger spontan. Jetzt in der Dritten wollen wir etwas dazwischen finden. Mir ist es wichtig, dass es nicht zu lang wird.

Gibt es schon ein Thema für die nächste Folge?

Niklas: Wir wollten darüber sprechen, wie man einen Podcast startet. Mir hat eine Freundin erzählt, dass sie ‚Hinter den Zeilen’ gehört hat und selbst auch einen Podcast starten möchte. Ich habe dann gleich nachgefragt, wie sie ihn veröffentlichen will und mit welchem Dienstleister.

Sind das nicht Detailfragen?

Niklas: Weil es mich interessiert hat, bin ich gleich sehr spezifisch geworden und habe festgestellt, dass sie sich mit diesen technischen Fragen noch nicht beschäftigt hatte. Ich habe dann an Tobias und mich gedacht: Erst nachdem wir ein Thema gefunden und sogar schon die erste Aufnahme gemacht hatten, haben wir uns über die Veröffentlichung Gedanken gemacht. 

Niklas Münch und Tobias Hausdorf © Joris Felix

Wenn da doch so viel Arbeit dahintersteckt, war der Podcast also kein spontaner Corona-Einfall?

Tobias: Der Ausnahmezustand hat den Prozess vielleicht begünstigt, aber die Idee hatten wir eigentlich schon länger. Weil uns Radio echt gut gefallen hat, stand die Idee erst mal so diffus im Raum, wurde allmählich konkreter und als Corona kam, haben wir dann schließlich angefangen.

Stand von Beginn an fest, dass ihr euch kritisch mit der Journalismus-Branche auseinandersetzen wollt oder habt ihr noch andere Formate in der Schublade?

Niklas: Der Mimikry-Podcast war noch eine Überlegung – das war eigentlich echt eine lustige Idee – und so ein bisschen machen wir das jetzt auch.

Um was sollte es da gehen? 

Tobias: Das Konzept wäre, dass jede Folge in dem Format eines anderen Podcast aufgezogen wird. Es gibt so viele Ansätze einen Podcast zu füllen, die wir dann „kopiert“ hätten. Ich fand das eigentlich eine mega Idee, allerdings sehr aufwändig und ein bisschen zu ambitioniert für den Beginn.

Niklas: Wobei auch in dem jetzigen Format nicht jede Folge gleich ist. Wir wollen uns Gäste reinholen – vielleicht jemanden, der schon in der Medienbranche angekommen ist. True Crime werden wir jetzt zwar nicht hinbekommen, aber wie eine Recherche abläuft, haben wir ja auch zu erzählen.

Wie ihr erzählt, haben euch eure Familien am Anfang der Journalistenschule vor den aussichtslosen Jobaussichten gewarnt.  Werden die Printmedien vom Podcast abgelöst? 

Tobias: Ich glaube, es ist schon noch immer eine Nische. Man hat zwar gerade das Gefühl, dass jeder Verlag einen Podcast startet, aber wenn man sich Statistiken dazu anschaut, sieht man, dass über Audio nur ein paar Prozent der Bevölkerung erreicht werden. 

Niklas: Ich hab letztens eine Folge feed dive  von Podigee gehört – das ist ein Dienstleister rund ums Podcasting – die haben berichtet, dass die Anzahl der Veröffentlichungen seit Corona weltweit angestiegen ist. In Deutschland hat das Format besonders durch den Drosten-Podcast an Popularität gewonnen. 

Und was hört ihr selbst gerne für Podcasts?

Tobias: Was ich richtig gerne höre sind ausführlichere Geschichten. Zum Beispiel wenn eine Recherche beschrieben wird und du dann über ein paar Folgen hinweg eintauchen kannst. Das Beste in dem Bereich kommt bisher aus den USA.

Hast du ein Beispiel? 

Tobias: Das kann ich gar nicht sagen. Niklas, du empfiehlst mir da immer was.

Niklas: Ja, ich bin auch Fan von den Storytelling-Podcasts und Audio-Dokumentationen. Das ist witzig, weil wir beide von diesen ‚Laber-Podcasts’, wie wir jetzt selbst einen machen, gar nicht so viel halten. 

Moment mal. Ihr seid bisher gar nicht so überzeugt?

Tobias: Es kommt ja noch mehr: zum Beispiel Recherchen, die es in sich haben. Ein Podcast, den ich empfehlen kann ist ‚Caliphate von der New York Times über den IS.

Niklas: Oder ‚Serial’ – das ist so der Klassiker. In der ersten Staffel bekommt die Reporterin von einem alten Mordfall mit und versucht, diesen Fall neu aufzurollen.

Tobias:The Wind of change fande ich auch schön. Das ist sehr absurd, aber gleichzeitig richtig unterhaltsam. Es geht um die Frage, ob die CIA den Song „Wind of Change“ von den Scorpions geschrieben haben könnte, um die Sowjetunion zum Fall zu bringen. Das mag weit hergeholt klingen, aber irgendwann hält man das fast schon für plausibel. Und da denkt man sich nur: „So eine Reportage möchte ich am liebsten selbst machen“. Würde man so ein Projekt jetzt für die Printmedien schreiben, dann wäre das nur ein kurzer Text und man müsste ganz viel rauslassen. Im Podcast kann man die Geschichte dagegen richtig entfalten.

Ihr findet die Entwicklung weg von den Printmedien also überhaupt nicht schade?

Niklas: Doch schon. Früher war ich noch nostalgischer und fand es geil, jeden Morgen im Wohnheim die Zeitung zu lesen. Aber jetzt bin ich eher der Meinung, Print muss sterben, damit etwas neues entstehen kann.  

Also bist du nicht wehmütig?

Niklas: Nein. Ich habe das vollständig abgestreift und will die Printmedien lieber komplett gegen die Wand fahren lassen.

Tobias: Das machen sie doch ganz von selbst.

Niklas: Ja, das stimmt. Die Printmedien sind da einfach nicht so hinterher. Das klingt jetzt sehr hart, aber da wurde viel verschlafen.

Tobias: Der ehemalige Erfolg der Zeitungen hat die Innovation auf jeden Fall gebremst. Ich glaube, dass die Zeit der Tageszeitungen vorbei ist. Auf dem Handy liest man die neusten Nachrichten schneller und sind wir mal ehrlich: Wer hat eigentlich Zeit, die umfangreichen Tageszeitungen ganz zu lesen? Ich habe gehört, die Branche ist umkämpft – und ja, sie ist es.

Niklas: Ich finde es aber gleichzeitig spannend, Teil dieser Zeiten zu sein, in denen sich so viel verändert. 

Tobias: Ich merke selbst, wie mir diese Vielfalt gefällt. Es gibt so viele Erzählformen. 


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