Von Anton Böhm
6:00 morgens. Aufstehen. Nein ich bin kein Bäcker. Ich bin wirklich Student und ich kann mir diese Zeit nicht aussuchen, denn ich wohne am…ja der Welt, ihr wisst schon.
Wer außerhalb Münchens wohnt, kennt das. Man freut sich jeden Morgen nicht nur auf das „Aus dem Bett gerissen werden“. Einen Pendler erwartet ein erlebnisreicher Tag mit Bus und Bahn.
An diesem Montag stehe ich um 7:15 am Bahngleis und warte auf meinen Zug. Der sollte eigentlich schon um 7 Uhr abgefahren sein, aber daran hat man sich gewöhnt. Das ist die Bahn’sche Viertelstunde.
Als er dann mit lautem Dieselmotor um die Kurve kommt platzieren sich die Fahrgäste schon dort, wo gleich die Türen aufgehen. Das Einsteigen macht Laune. Die Menschen drücken sich durch die Türe, die Plätze im Zuginneren sind rar. Ich habe heute leider kein Glück und nehme auf dem harten, grau-blau-melierten Kunststoffboden Platz. Meine Füße kann ich so zumindest ausstrecken. Was will man mehr?
Auf mich wartet eine Stunde Fahrt mit der Bayerischen Oberlandbahn. Das hält man stehend nicht aus. Nicht an einem Montag morgen.
An dem jetzt auch die Müdigkeit einsetzt. „The XX“ spielt über meine In-Ear Kopfhörer und ich kann mich ein wenig entspannen. (Bis die Musik plötzlich stoppt. Mein Spotify-Probemonat ist ausgelaufen. Dann halt ohne weiter. Es ist um die Uhrzeit zumindest ruhig im Wagon.)
Solange bis die gut gelaunte Schaffnerin ihre Runde dreht. Der geht es scheinbar prächtig. Was für eine Freude das doch ist, wenn man gerade einnickt und man von einer markdurchdringenden Stimme geweckt wird. „GUTEN MORGEN! Die Fahrkarten bitte!“ Danke, dass Sie so laut sprechen, ich hätte ja sonst weitergeschlafen.
Am Harras steige ich in die U6 um. Ich treffe dort immer auf eine große Gruppe Zeugen Jehovas, denen ich möglichst aus dem Weg gehe. Die sind mir auch zu fröhlich für diese Uhrzeit.
An der Universität angekommen, hetze ich in den Vorlesungssaal. Pünktlich kommen wäre ein Wunder. Aber daran glaube ich nicht mehr.
Jetzt fühlt man sich schon besser, alle anderen sehen mindestens genauso müde aus. Nur bin ich insgeheim noch ein bisschen mehr Stolz auf mich, dass ich es hier her geschafft habe. Das ist wie in ein Auswärtsspiel vom Lieblingsclub zu fahren. Nur, dass es hier statt Fußball, trockene Theorie gibt.
Nach einigen Stunden kommt man in den Uni Alltagstrott. Der sollte jedoch nicht lange anhalten.
Um vier Uhr geht’s wieder nach Hause. Und es beginnt die nächste Abenteuerfahrt bei der Deutschen Bahn.
Das Seminar muss ich schon früher verlassen. Immer ein unangenehmer Moment wenn ich um viertel vor meine Sachen zusammenpacke.
Jetzt zählt jede Minute. In der U6 beginnt das Bangen. Odeonsplatz, Marienplatz, Sendlinger Tor. Mit jeder Station wird die Verspätung größer und die Zeit damit knapper. Dieses flaue Gefühl macht sich im Magen breit. „Fahr schneller“, möchte ich beten. „Mach doch die Türen zu“, denke ich mir. Aber Manni, der U-Bahnfahrer lässt sich eben Zeit.
Meinen Zug am Harras verpassen, heißt für mich eine Stunde warten. Und glaubt mir, der Harras wird ganz schnell, ganz schön langweilig.
Abfahrt 16:11. Die U-Bahn fährt im Untergeschoss ein. Es ist 16:12. Türen aufreißen, lossprinten. Meine Leichtathleten-Lungen laufen auf Hochtouren. Ich stolper die Rolltreppe rauf. Noch mal ein Blick auf den Monitor. Der Zug steht schon da.
Ich habs geschafft. Verschwitzt, laut atmend und hustend gehe ich durch die Gänge. Zum Glück ist da noch ein Platz frei. Heimfahren. Endlich.
Und dann beginnt der schöne Teil des Pendelns. Drinnen ist es angenehm warm, draußen schneit es leicht. Ich fahre dem Sonnenuntergang entgegen, in Richtung Berge.
Ein wohliges Gefühl, die Großstadt hinter sich zu lassen, mit all dem Lärm und Gedränge.
Und irgendwie genieße ich diese Stunde Nichts-Tun jedes Mal aufs Neue. Die Schaffnerin ist diesmal von einem sympathischen Schlag. Ich lege meine Fahrkarte nur auf meinen Schoß und sie lässt mich weiter dösen. Als ich doch kurz aufschaue, flüstert sie: „Habs schon gesehen, wollte dich nicht wecken.“ Das lässt mich schmunzeln.
Das Pendeln ist manchmal doch gar nicht so schlecht. Da lasse ich mich auch auf Abenteuerfahrten gerne ein.