Anfang 2017 eröffnete der Apollon Tempel Verlag in München seine Pforten. Mit der Gründung des Eigenverlags bewies Karin Biela, die Apollonin, wahren Mut. Mut zum Neuanfang, zum Aufbruch, zum Umbruch. Die Gründung ist eine Bejahung der Lyrik, der Verlag ein Tempel moderner Literaturarchitektur.
Von Lisa Chi
Das Rad der Routine dreht sich. Gestern. Heute. Morgen. Übermorgen. Das Rad der Routine dreht sich. Aber Karin Biela dreht sich nicht mehr mit. Das Rad der Routine dreht sich. Und Karin Biela spult zurück. In die Vergangenheit. In eine Zeit, in der es noch Raum für Verse gab. In eine Zeit, in der das Leben verdichtet war. Mit Buchstaben, Wörtern, Sätzen, Zeilen. Zwei Jahrzehnte lang hat Biela in einem Konzern gearbeitet. Dann steigt sie aus.
Sie entscheidet sich gegen einen immerzu offensichtlichen Tretmühlenalltag, in dem sich keine Ruhe und auch keine Inspiration für die Poesie findet. Apollon Tempel entstand also aus einem dringenden Bedürfnis heraus, die eigene dichterische Stimme wiederzufinden. Diese Stimme sinnvoll einzusetzen, sie mit der Welt zu teilen, sie wiederum von der Welt prägen zu lassen.
Hintergründe
Bielas Verlag reflektiert in vielerlei Hinsicht ihre eigene Lebenserfahrung. Er bündelt sie und verschmilzt sie zu einem großen Projekt. Auch zu einer großen Projektion – eine einladende Projektion für die Außenwelt. Die Worte „Nähe“ und „Begleitung“ sind wichtige Inspirationsquellen für Apollon Tempel. Biela ist in der Senioren- und Demenzbetreuung tätig. So findet man in ihrem Verlag auch Lesebücher für Senior*innen, wie beispielsweise das Buch „Essen ist fertig“, eine Sammlung von 50 kurzen Geschichten, die zum Plaudern und Nachdenken anregen sollen.
Die Verlegerin bezeichnet sich selbst als Romantikerin. Sie möchte das Schöne festhalten, zeigen, teilen. Ihr fotografisches Auge gilt vor allem der Natur, gilt Pflanzen, Tieren und Landschaften. „Ich bin ein absoluter Island-Fan“, erzählt die helle Stimme am anderen Ende des Telefons. Ein Island-Fotoband des Hauses Apollon Tempel wäre durchaus ein verlockendes Vorhaben für die Zukunft. Ideen gebe es zudem für eine Postkarten-Serie mit eigenen Fotografien – „schöne Karten. So zum Aufklappen“.
Zwischenfrage: Griechische Verlagswurzeln?
Wie kommt es, dass Apollon Tempel gerade mit diesem Gründungsnamen bedacht wurde? Immerhin zirkulieren die Verlagsthemen nicht um Heldensagen und Göttermythen der griechischen Antike. Biela spricht an dieser Stelle von einer Affinität zu Griechenland. Eine Affinität, die nicht zuletzt aus ihrer Kuriosität für die Sprache der Sterne erwachsen sei. Man denke hier an die hellenische Astronomie, an jene berühmten Persönlichkeiten der griechischen Naturphilosophie, allen voran Thales von Milet. „Astrologische Berechnungen sind interessant, ich schaue auch mal in die Tarot-Karte. Spiritualität begleitet mein Leben, sie ist eine Kraftquelle. Gerade in der Demenzbetreuung.“
Wenn auch der Tempel Verlag sich keinen Enzyklopädien zum Stichwort „Griechenland“ verschrieben hat, finden Leserinnen und Leser dennoch Spuren der Halbinsel in Bielas Büchersammlung. Das jüngste Werk mit griechischer Prägung ist das sogenannte „Athener Kaleidoskop“, ein bilingualer Lyrikband mit begleitenden Fotografien und Illustrationen. Er ist in Zusammenarbeit mit einer Lehrerin an der deutschen Schule in Athen entstanden. Auf das Cover ist Biela besonders stolz. Es stammt von einem griechischen Graffiti-Künstler. Das „Athener Kaleidoskop“ ist ein Zeugnis wahren Engagements und vertrauender Entschlossenheit. Mit viel Geduld und Leidenschaft hat Biela zwei Künstler*innen durch ihren Verlag in Wort und Bild zueinander geführt.
Letzte Worte: Zukunftsgeflüster
„Immer wichtig bleibt mir das Thema ‚Demenz‘. Da sehe ich mich auch als Sprachrohr. Ich möchte als Verlegerin aktiv bleiben, vor allem in der Seniorenliteratur. Das wird im Herzen und im Kopf bleiben, das werde ich fördern.“ Der Lyrik wird Biela ebenfalls treu bleiben. Darüber hinaus gebe es keine konkrete Richtung, in die sich der Verlag entwickeln soll. Bei vielen Entscheidungen spiele Intuition eine große Rolle. Die Kunst liege darin, eine gesunde Balance zu finden: offen bleiben, sich inspirieren lassen, aber auch lernen, Nein zu sagen.
Sicher ist, dass die Apollonin stets ihren Impulsen nachforschen wird. Das ist ihre Philosophie des Verlegens. Ihre Philosophie der Bildung. Ihre Philosophie des Lebens. „Wenn ich Impulse aufnehme, dann schaue ich auch mal genauer, dann verändere ich vielleicht etwas. Natürlich kann ich die Welt nicht retten, aber ich kann im Kleinen anfangen. Ich bin Bestandteil der Welt. Man kann so viel im Kleinen bewirken.“