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IN:BETWEEN: Wenn der Flughafen zur Barriere wird

Das Theaterkollektiv IN:BETWEEN nimmt sich in seiner gleichnamigen Gründungsinszenierung rassistisch motivierter Sicherheitskontrollen an Flughäfen an. Das Stück basiert auf eigenen Erfahrungen und stellt kritische Fragen wie: Ist es genug, kein Rassist zu sein?

Azeret Koua (v.) und Marion Weber © Sophia Carrara

Von Samuel Kopp

Für ein Theaterstück, das sich dem Kampf gegen den Rassismus verschrieben hat, ist das Pepper-Theater am Neuperlacher Einkaufszentrum nicht der schlechteste Ort: Der kritische Linksintellektuelle trifft, nachdem er endlich zwischen McDonald’s und Starbucks die Kellertreppe zum Theater gefunden hat, mit einer gewissen Verzweiflung ein und ist für jede Kultur dankbar.

Glücklicherweise wird die Illusion noch vor dem Betreten des Bühnenraums hergestellt. Die Eintrittskarte ist ein Boarding Pass und so warten die Zuschauer*innen in einem Vorraum auf die selbstverständlich zweisprachige Aufforderung, sich zum Gate zu begeben. Manch einer hat sich offensichtlich auf einen Langstreckenflug eingestellt und ist in Jogginghose erschienen.

Die Handlung von IN:BETWEEN basiert auf einer wahren Geschichte, die der Schauspielerin Azeret Koua selbst widerfahren ist (daher behalten auch alle Akteure im Stück ihre wahre Identität). Als sie im Sommer 2018 von München nach Detroit fliegen will, um ihre Familie zu besuchen, gerät das heute fast schon alltägliche Fliegen für sie zum Albtraum. Beim Umsteigen in Amsterdam wird sie von den amerikanischen Behörden als Sicherheitsrisiko ausgemacht, verhört und schikaniert. Ihr dunkler Hautton hat sie verdächtig gemacht.

V.l.n.r.: Marion Weber, Julia Schleier und Danijel Szeredy © Sophia Carrara

Das neugegründete Kollektiv, das diesen Vorfall nun auf die Bühne gebracht hat, besteht neben Azeret Koua aus Julia Schleier, Marion Weber und Danijel Szeredy, die beiden erstgenannten studieren derzeit Theaterwissenschaft an der LMU. Bei der Premiere spielen alle vier hochkonzentriert, jede Tonlage und jede Geste, die Aalglätte des Sicherheitspersonals und die Ohnmacht der zu Unrecht Verdächtigten wirken authentisch

Diese Rollenverteilung bewirkt eine moralische Klarheit, die dem Thema angemessen ist. Auf der einen Seite Respekt, Rassismus auf der anderen. Da gibt es keine Grauzonen, weil es da keine Grauzonen geben darf. Und doch muss, auch wer kein Rassist ist, zugeben, dass die jahrelange Debatte über Terrorismus und Sicherheit Spuren hinterlassen hat. Als Azeret im Verhör den 11. September als Tag ihres geplanten Rückflugs angibt, versteht im Publikum jeder die Anspielung sofort oder, aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, jeder versteht es sofort als Anspielung. Dass im ersten Moment wohl niemand an einen Zufall glaubt, kann der Fokussierung auf die Thematik der Aufführung geschuldet sein, wahrscheinlich ist es aber ein kleiner Teil eines großen gesellschaftlichen Problems.

Fragen in der Nacht

Im Wesentlichen aber dürfte die Geschichte, die erzählt wird, niemanden schockieren, dafür hat man von derartigen Skandale schon zu oft in den Nachrichten gehört: das von Trump verhängte Einreiseverbot für Menschen aus muslimisch geprägten Ländern, die Willkür der Grenzbeamten, ein Kind, das stundenlang am Flughafen festgehalten wurde. Das hat man gehört, war entsetzt, empört und hat es schließlich im Wissen nichts ausrichten zu können, dabei belassen.

Damit es sich niemand so einfach machen kann, geht von Zeit zu Zeit das Licht aus. Es folgen Reflexionen, darüber, was der Einzelne zu tun vermag. Sie sind so gut geschrieben, dass man sich das Theaterkollektiv wohl auch als eine Art literarisches Quartett vorstellen muss. Und im Dunkeln werfen sie Fragen auf: Ist es genug, kein Rassist zu sein? Was, wenn plötzlich nicht mehr irgendwelche Menschen in den Nachrichten, sondern die beste Freundin oder man selbst betroffen ist? Was, wenn die Vorfälle an irgendwelchen internationalen Flughäfen nur ein Symptom dessen sind, was längst in der eigenen Stadt, auf der Straße angekommen ist? Denn, das wird gegen Ende sehr deutlich, der Flughafen ist überall.

Und damit hat das Stück schon seine Berechtigung. Manchmal braucht es nur vier talentierte Schauspieler, die auf der Bühne die Realität darstellen, um aufzuzeigen, wo den Menschen die Menschlichkeit abhanden kommt. Denn das ist die Aufgabe des Theaters.

Weitere Informationen zum Kollektiv gibt es auf der Website.

Das Kollektiv IN:BETWEEN (v.l.n.r.): Julia Schleier, Azeret Koua, Marion Weber und Danijel Szeredy © Sophia Carrara

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