Interview Unileben

Wie viel Politik passt in einen Hörsaal?

Ein Gespräch mit Professor Hubert Detmer über intransparente Strukturen an der Universität und die Frage, welche Äußerungen zu weit gehen.

Von Alina Cohn und Pauline May

Unser Gesprächspartner Professor Hubert Detmer ist Zweiter Geschäftsführer des Deutschen Hochschulverbandes und Leiter der Abteilung ‚Recht und Beratung‘. Zudem lehrt er an der Universität zu Köln. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich Hochschulrecht.

Man merkt, dass er beim Sprechen denkt. Nachdem er einen Gedanken ausgeführt hat, folgt oft eine kurze Pause. Vielleicht lässt er das Gesagte Revue passieren.

Philtrat: Wie weit kann das eigene politische Denken einer Professor*in an der Universität stattfinden?

Detmer: Schwierig. Gefährlich wird es, wenn es nicht mehr die Meinungsäußerung Einzelner ist, sondern die politische Infiltration, was natürlich bei Schülern – gerade auch bei Jüngeren – eine ganz andere Frage ist als bei Studierenden. Sich jeder politischen Meinungsäußerung zu enthalten, soweit gehe ich nicht, da muss man ganz genau sehen: Was ist der Kontext? Wie wird das Ganze als persönliche Meinung gekennzeichnet? Aber es gibt da kein einfaches Urteil.

Verfassungswidrigkeit als solche ist zu ahnden, das gilt auch für den Hochschullehrer/die Hochschullehrerin. Gegebenenfalls kann es sich bei solchen Äußerungen ja auch um strafrechtlich relevante Äußerungen handeln. Wenn das dann auch noch im Dienst geschieht, ja, dann gibt es definitiv auch disziplinarrechtliche Folgen.

Philtrat: Also eine verfassungsfeindliche Äußerung kann Rechtsgrundlage für eine Entlassung sein?

Detmer: Es kommt auf die Schwere, die Einsichtsfähigkeit, auf die tätige Reue an. Aber ja, verfassungsrechtlich nicht hinnehmbare Äußerungen können auch zur Entlassung aus dem Dienst führen.

Philtrat: Viele Hochschullehrer*innen berichten ja derzeit, dass sie Angst hätten, bestimmte Dinge zu sagen und gecancellt zu werden. Als wie berechtigt nehmen Sie diese Angst wahr? Wie viel muss vorgefallen sein, um wirklich eine Entlassung als Resultat fürchten zu müssen?

Detmer: Auf der einen Seite, das darf man nicht ignorieren, gibt es natürlich auch Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen, die Angst haben, auch vor Anschuldigungen. Was immer gilt, ist die Unschuldsvermutung. Und es kann natürlich auch immer Anschuldigungen geben, die die rechtlich relevante Grenze nicht überschreiten oder wo nichts dran ist. Das gibt es ja in einem großen sozialen Gefüge. An einer Universität kommen sehr viele Interessenlagen zusammen, viele davon auch höchstpersönlich motiviert. Deswegen gibt es tatsächlich bei manchen Hochschullehrern und Hochschullehrerinnen auch die begründete Angst, jetzt Opfer eines wie auch immer gearteten Medienhypes zu werden. Aber ich sehe natürlich auch die Fälle, die durchaus berechtigt sind, die man aufklären muss. Dazu gibt es ja ganz viele Möglichkeiten. Wir kennen beide Seiten,

Philtrat: Was kann ich als Studentin tun, wenn ich mitbekomme, dass ein*e Professor*in von mir in seiner Vorlesung verfassungsfeindliche Dinge äußert?

Detmer: Sie können sich an Ihre Gremien und Organe wenden! Und dann wird eben ermittelt und geprüft. Bei dem Ermittlungsverfahren durch die entsprechenden Gremien gilt dann freilich die Unschuldsvermutung. Das ist sehr wichtig, denn wir leben eben in einem Rechtsstaat und wollen auch alle die Grundsätze dieses Rechtsstaates für uns in Anspruch nehmen.

Philtrat: Welche Gremien und Organe wären das denn konkret? Oder ist das an den jeweiligen Universitäten individuell unterschiedlich?

Detmer: Das ist meines Erachtens ein bisschen zu individuell organisiert. Es gibt so viele Anlaufstellen: die Frauenbeauftragten, Stellen zur Aufklärung möglichen wissenschaftlichen Fehlverhaltens, Konfliktberater, psychosoziale Beratungsstellen…da ist wahnsinnig viel. Ich finde es auch gut, dass man versucht, Anlaufstellen innerhalb einer Hochschule zu schaffen, aber vielleicht wäre es besser das zentraler zu machen, auf ein, zwei Gremien zu beschränken, damit da nicht so ein Nebeneinander entsteht. Wenn ich mich da auch an meine Studierendenzeit erinnere, da war ja auch total unklar, wer ist eigentlich für was zuständig. Das Ganze sollte transparenter werden!

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