Kulturphilter

Turtle – Mehr als nur ein Magazin

Hinter dem einzigartigen Konzept des Künstler*innenkollektivs, das von Studierenden an der LMU ins Leben gerufen wurde. Im interdisziplinären Austausch entsteht eine Vielfalt an Werken und Formaten: von Texten, über Collagen bis hin zu Podiumsdiskussionen.

©Lilly Gladenbeck

Von Emilia Hoth

Eine Schildkröte mit einem Buch auf dem Rücken als Panzer ziert die Website und die Printausgabe des Turtle Magazins. Doch entgegen aller Erwartungen rührt der Name des Magazins nicht von dem Reptil. Denn der Name ist eine Anspielung an die berühmten Existentialisten wie de Beauvoir und Sartre, die sich zum Austausch in Cafés trafen und ein Faible für Rollkragenpullover (engl. turtlenecks) hatten. Auch bei Turtle steht der interdisziplinäre Dialog im Vordergrund – hier zwischen Kunst und Literatur im Rahmen eines Kollektivs. Dabei nimmt der Austausch von Online, Print bis hin zu Veranstaltungen verschiedene Formen an.

Von der LMU zur Monacensia 

Turtle setzt sich aus einem Künstler*innenkollektiv und einem Organisationsteam zusammen, das sich um die Plattform kümmert und selbst auch als Künstler*innen aktiv ist. Den Impuls zur Gründung des Kollektivs und Aufbau einer Onlineplattform gab ein Uniprojekt. Gemeinsam mit anderen interviewte Gründungsmitglied und Philosophiestudentin Lara Wüster damals Autor*innen und produzierte Texte. Die Idee kam auf, diese im Rahmen eines Magazins auch online zu veröffentlichen. So entstand die erste digitale Ausgabe des Turtle Magazins.

Anfangs bestand das Kollektiv neben Lara noch aus drei weiteren Gründungsmitgliedern. Doch mit der Zeit wurde das Team größer. Heute zählen neben festen Mitgliedern auch externe Helfer, Freelancer und Gastautor*innen dazu. Während der Pandemie lernte Lara über den „Kreativ Schreiben!“-Workshop der LMU die Literaturstudentin Leonie in einem Zoom-Breakout-Room kennen. Mit Leonie kam der Anstoß, das Magazin auch im Print zu veröffentlichen. Um die Printausgabe anzukündigen, entstand wiederum die Idee, Events zu veranstalten. Das erste Release-Event fand im Pixel statt. Es bot für die beteiligten Künstler*innen die Möglichkeit, einander und die Leserschaft persönlich kennenzulernen sowie Kunstwerke vor Ort zu präsentieren. Seitdem hat Turtle noch viele andere Events und Workshops veranstaltet, darunter einen Collagen Workshop und eine Podiumsdiskussion mit Künstler*innen wie man seinen Lebensunterhalt als solche bestreitet. Im Gegensatz zum digitalen Raum ist dieses Live-Format laut Leonie eine „andere Möglichkeit, Kunst erfahrbar zu machen“.

©Lilly Gladenbeck

Daher könnte es auch kaum einen treffenderen Austragungsort für derartige Veranstaltungen geben wie die Monacensia im Hildebrandhaus. Hier hat Turtle derzeit eine Schreibresidenz bis Ende Juni inne. Im dort gelegenen Salon Hildebrand entwickelt Turtle gerade seine neueste Ausgabe, die im Juli erscheinen soll, und bietet mindestens einmal im Monat Veranstaltungen zu Literatur und Kunst an. Diese zählen auch zu Leonie und Laras persönlichen Highlights. Leonie inspiriere der persönliche Austausch vor Ort und sie merke besonders da, wieso man das alles mache. Auch Lara, die als Moderatorin oder Workshop-Leiterin aktiv ist, sieht gerne, wie Leute durch die Events dazu inspiriert würden, Dinge selbst zu machen und über Dinge nachzudenken. Schließlich sei es das Ziel, Kunst und Literatur zum Mitmachen zu schaffen.

Wer selbst ein Teil von Turtle werden möchte, kann sich immer donnerstags zum Team von Turtle für eine Co-Working Session dazugesellen, um „hinter den Print zu gucken“. Man kann hier persönlich erfahren, wie man dem Kollektiv beitreten oder als Gastautor*in mitwirken kann.

Mitmachen ausdrücklich erwünscht

Eine Onlineplattform zu betreiben, ein Magazin herauszubringen und Veranstaltungen zu organisieren ist mehr Arbeit als man denkt. Junge Künstler*innen taten sich zu Turtle zusammen, um nicht alleine der Mammutaufgabe gegenüberzustehen, eine Plattform für die eigene Kunst aufzubauen. Stattdessen unterstützt man sich gemeinsam dabei, solche Projekte in Angriff zu nehmen. Hier findet sich laut Leonie eine Gruppe an „verwandten Seelen“. Man kann seine eigene Sache machen, steht aber nicht alleine da.

Während Leonie gerne Prosa und Lyrik sowie neuerdings Buchrezensionen verfasst, schreibt Lara Kurzgeschichten. Zudem befassen sich beide auch gerne mit dem Medium „Bild“ Im Rahmen von Turtle können sie sich ausprobieren, so experimentiert Leonie zum Beispiel mit neuen Textformen. Laut Lara sei Turtle „eine Spielwiese“, wo man Verschiedenes erproben könne und durch den Kontakt mit anderen Künstler*innen auf neue Ideen kommen könne. Man inspiriere sich gegenseitig: Illustrationen entstehen zu Texten und umgekehrt.

Auch die Themen für die Printausgabe laden zur vielseitigen Auseinandersetzung ein. Diese sind bewusst als breite Begriffe gewählt, die die Gesellschaft ansprechen und neue Räume zur Diskussion eröffnen sollen. Beispielsweise erschien das letzte Heft unter dem Thema körperlich mit Texten und Bildern zu einem breiten Spektrum an Erfahrungen dazu. Darunter hat Lara auch ein Werk über posttraumatische Belastungsstörungen nach der Geburt veröffentlicht.

Neben ihrer redaktionellen Tätigkeit übernehmen Lara und Leonie auch viel Organisatorisches. 

©turtle
©Lilly Gladenbeck

Anfangs befasste Leonie sich viel mit dem Vertrieb. Jetzt entwickelt sie die Onlineplattform von einem Blog zu einem Online-Magazin und kümmert sich um den Newsletter. Lara ist hingegen für die PR und Koordination des Teams sowie Events zuständig. Das alles machen die beiden ehrenamtlich neben Studium und Beruf. Daher sei es manchmal schwierig, neben den organisatorischen Tätigkeiten auch die eigene Kunst nicht zu vernachlässigen. Doch man lerne, auch das zeitlich auszubalancieren und Aufgaben klug zu delegieren. Außerdem kann man auch hier Neues ausprobieren und sich in neue Themen einarbeiten, wie zum Beispiel das Layout oder Finanzielle.

Mehr als nur ein Magazin 

Mit jedem Mitglied kommen neue Ideen, wie sich die Turtle-Welt weiterentwickeln kann und wie neue Räume zum Gedankenaustausch geschaffen werden können. Gerade entsteht als gesondertes Projekt in Berlin eine Geflüchtetenwerkstatt mit einem kreativen Workshop-Angebot. Ein Turtle-Podcast könnte auch bald entstehen.

Somit ist Turtle mehr als nur ein Magazin. Anders als andere Kollektive fokussiert sich Turtle nicht nur auf eine Branche oder ein Medium, sondern agiert interdisziplinär und sozial-integrativ. Turtle ist für alle, die Kunst schaffen wollen, egal ob als Text oder Bild. Wie Lara treffend beschreibt, „Das ist auch das Besondere an uns – dass das Magazin an sich ein Kunstwerk ist.“ Ein Gesamtkunstwerk, das zum Mitmachen und Diskutieren online und offline einlädt.

Turtle Magazin(e) ist bilingual. Eine Printausgabe erscheint halbjährig und nachhaltig gedruckt. Online werden regelmäßig Calls für die nächste Ausgabe oder Hinweise zu den nächsten Veranstaltungen und Workshops veröffentlicht. Die neueste Ausgabe erscheint unter dem Thema leicht(sein) mit einem Release-Event am 22.07.2023.

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