Die Repräsentation von queeren Personen und ihren Erfahrungen erfreut sich immer größerer Beachtung in den Medien. Doch inwiefern werden dabei Traumata und Ängste reproduziert? Und wo bleibt dabei die Chance aufs Träumen?
Von Quirin Hanschmann.
Voyeurismus mit Trauma-Geschmack
Wieder einmal sitze ich vor dem Fernseher und schaue mir eine Serie an. Sie ist neu, und wurde als die neueste Trend-Serie gefeiert, unter anderem, weil darin auch queere Charaktere mitspielen und ihre Erfahrungen nicht nur einen kleinen Seitenstrang einer großen Story ausmachen sollen.
Ich bin zuversichtlich, auch wenn ich dem ganzen noch nicht ganz traue. Ich warte nur auf diese eine Szene. Und Tada, da ist sie auch. Einer der queeren Charaktere geht allein nachts durch eine dunkle Gasse und wird dabei verfolgt. Ich denke mir nur: oh nein, und schaue instinktiv weg. Die Szene geht weiter, der queere Charakter wird eingeholt, queerfeindlich beschimpft und zusammengeschlagen. Ich schaue wieder hin und fühle mich einfach nur stumpf. Mittlerweile habe ich mich an den Anblick solcher Szenen gewöhnt. Sie sind nichts Ungewöhnliches in queeren Medien. Sie scheinen oftmals noch häufiger vorzukommen als offen queere Personen selbst. Und während ich da so dasitze, frage ich mich: wofür, bzw. für wen werden solche Stories eigentlich geschrieben? Für queere Personen? Damit sie stets daran erinnert werden, dass die Welt, in der sie sich befinden, ihnen nicht unbedingt wohlgesonnen ist?
Oder doch eher für cis-heteronormative Personen? Ist es eine Art verkappter Voyeurismus, darauf abgezielt, diesem Personenkreis einen Einblick in eine Erfahrung zu geben, die ihnen höchstwahrscheinlich nie widerfahren wird: eine Anfeindung aufgrund ihrer grundeigenen Identität?
Die Kunst, das Leben zu beeinflussen
„Aber vielleicht geht es ja darum, Leute zu sensibilisieren?“, höre ich manche schon einwerfen. Sensibilisierung und Repräsentation scheinen mitunter die Hauptgründe für die Inklusion von queeren Storylines in jeglicher Form von kontemporären Medien zu sein. Diese Inklusion, so wichtig sie auch ist, wirkt jedoch sehr oberflächlich, wenn der einzige Grund für den Einsatz eines queeren Charakters der ist, einen Handlungsstrang an der Behandlung von queeren Traumata entlang zu entwickeln. Und auch wenn die Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex prinzipiell nichts Schlechtes ist – Repräsentation ist von höchster Wichtigkeit, sowohl im Positiven als auch im Negativen – steht immer noch das folgende Problem: es scheint ein extremer Mangel an Gegengewichten zu den Negativen zu herrschen.
Wenn mensch als queere Person also jedes Mal, wenn sie beispielsweise eine Serie mit „queerer Repräsentation“ anschaut, damit konfrontiert wird, wie wenig wohlgesonnen ihr die Welt doch ist, hat das logischerweise Einflüsse auf die Selbstwahrnehmung und das eigene Selbstwertgefühl. Und auch wenn es wiederum keine adäquate Repräsentation der realen Umstände wäre, wenn es nur noch Happy Ends geben würde, so stellt sich dennoch die Frage: Kann man als queere Person nicht zumindest ein paar wenige Geschichten haben, in denen mensch nicht beleidigt, angegriffen oder noch schlimmeres wird? Warum muss dieser Prozess der Sensibilisierung auf den Schultern der Community geschehen, die von den Problematiken sowieso schon betroffen ist und dahingehend Bescheid weiß?
„Life imitates Art far more than Art imitates Life“, argumentierte Oscar Wilde. Wenn wir also unsere Kunst auf eine bestimmte Weise gestalten, können wir unserem Leben, und somit im Umkehrschluss auch den Leben aller, die unsere Kunst wahrnehmen, die Möglichkeit bieten, sich davon beeinflussen zu lassen.
Weitergedacht heißt das also auch, dass wenn wir mehr Utopien für queere Personen schaffen, sich das wiederum – Überraschung – positiv auf deren Psyche und Leben auswirken könnte. Vielleicht, ganz vielleicht, wäre es sogar möglich, irgendwann eine Balance zu finden zwischen einer Auseinandersetzung mit den Traumata, die queere Personen in der Vergangenheit und Gegenwart durchleben und einem positiven, optimistischen Blick in die Zukunft. Doch was dafür nötig ist, sind Geschichten, die überhaupt solche alternativen, optimistisch orientierten Verläufe widerspiegeln, die respektvoll mit potenziell traumatisierenden Ereignissen umgehen, die keine voyeuristische Perspektive bieten, und die vor allem eines tun: zeigen, dass man als queere Person mehr kann, als zu leiden.
Unter #QueerOnCampus schreiben Studierende des Queer-Referat der Studierendenvertretung der LMU über LGBTQ+ und andere Themen, die queere Personen im Zusammenhang mit München und dem Studium betreffen. Für die Inhalte sind allein die jeweiligen Autor*innen verantwortlich. Alle Beiträge der Serie hier nachlesen.