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„Die Wiedervereinigung der beiden Koreas“: Lieben und lieben lassen

Das Metropoltheater hat „Die Wiedervereinigung der beiden Koreas“ des französischen Dramatikers Joël Pommerat inszeniert. Es geht darin zwar nicht um Weltpolitik, aber um ein genauso sensibles Thema: die Liebe.

V.l.n.r. Eli Wasserscheid, Hubert Schedlbauer, Lucca Züchner, Nikola Norgauer © Fotos: Jean-Marc Turmes

Von Samuel Kopp und Michael Kister

Von einem Feuerwerk der Gefühle pflegt man zu sprechen, wenn so viele Emotionen auf einen eindrängen, dass man erstens den Überblick und zweitens die Kontrolle darüber verliert. „Die Wiedervereinigung der beiden Koreas“ ist ein Feuerwerk jenes einen Gefühls, das die Menschen wohl am meisten beschäftigt. Mit den knapp 20 nicht zusammenhängenden Szenen Pommerats und einem neunköpfigen Schauspieler*innenensemble versucht der Regisseur Jochen Schölch, die ganze Bandbreite der Liebe auf die Bühne zu bringen.

Manche verlieben sich, bei anderen platzt die Hochzeit. Einer hat sich erhängt und baumelt stumm von der Decke: Eine verhängnisvolle Szene jagt die nächste und an mancher Stelle glaubt man, eine Silvester-Batterie vor sich zu haben, die pausenlos Drama und Glück abschießt.

Mit den Gefühlen überfordert

So zum Beispiel, als zwei Nachbarn, Mann und Frau, gemeinsam ihren jeweiligen Partner*innen lauschen, die sich miteinander in abstruser Lautstärke im Treppenhaus vergnügen. Aus ihrem geteilten Schmerz heraus erkennen die beiden Gehörnten, dass ihnen auch sonst vieles gemein ist. Hier entsteht ein interessanter Kontrast zwischen ohnmächtigem Leiden und inniger Hingabe, zweifellos Aspekte desselben Gefühls.

Als roter Faden zieht sich durch das Stück, dass die Protagonist*innen stets mit den verschiedenen Gefühlen, mit denen sie sich konfrontiert sehen, überfordert sind. Stets führt die Liebe zu Problemen, die in manchen Szenen allzu offensichtlich zutage treten. Da wird viel geschrien, gerangelt, einmal wird sogar eine Pistole gezogen. In diesen Momenten, die vordergründig der Unterhaltung dienen, scheint fraglich, ob eine solche fast schon aufdringliche Sketchhaftigkeit dem Wesen der Liebe gerecht wird. Schon der römische Dichter und selbsternannte Liebeslehrer Ovid hat erkannt, dass es sich bei der Liebe vielmehr um stumme Flammen handelt, die ins Innere eines Menschen kriechen, wo sie Verheerendes anrichten können.

Vanessa Eckart (l.), Eli Wasserscheid

Einige Szenen von Pommerat lassen durchaus erahnen, was damit gemeint ist; diese sind die stärksten, weil sie sich auf die Wirkung der leiseren Töne verlassen. Dann gelingt es auch, schwierige Themen wie Pädophilie und Liebe bei geistiger Behinderung differenziert anzugehen, die vom Ensemble jeweils eindrücklich und dennoch feinfühlig präsentiert werden. Dafür gab es bei der Premiere am 16. Januar hin und wieder sogar Szenenapplaus.

Überhaupt vermögen es die einzelnen Schauspieler*innen beeindruckend gut, sich in diesem thematischen und emotionalen Spagat stets an ihre Rollen anzupassen: Hubert Schedlbauer zum Beispiel muss zunächst einen schweizerischen polundertragenden To-be-Ehemann verkörpern und kurze Zeit später einen sexuell übergriffigen Bürochef. Beides nimmt man ihm ab.

Es ist kompliziert

Auf diese Weise wechseln sich Tragik und Komik ständig ab, was im Publikum mitunter große Erheiterung und wissendes Kopfnicken auslöst: So manchen Dialog hat man auch im Privatleben so oder so ähnlich schon einmal gehört. Nicht zuletzt diese überspitzte und doch realitätsnahe Darstellung der mannigfaltigen Probleme, welche die Liebe mit sich bringt, macht die Aufführung insgesamt zu einem kurzweiligen und unterhaltsamen Abend.

Auf eine Lösung dieser Probleme hofft man allerdings so vergeblich wie die Akteure auf der Bühne. Die dargestellten Situationen drehen sich oft im Kreis. Mal steigern sie sich bis zur Eskalation, immer lassen sie die Beteiligten ratlos zurück. Und gerade das ist die große Stärke des Stücks: Irgendwo in den zahlreichen Szenen wird sich jede*r wiedererkennen und jede*r muss sich dann selbst überlegen, welche Schlüsse er*sie aus dem Gesehenen für sich ziehen kann. Denn in Liebesdingen, das wird immer wieder betont, gibt es nur eine Gewissheit: Es ist kompliziert.

 

„Die Wiedervereinigung der beiden Koreas“ (2h30min, Regie: Jochen Schölch) wird derzeit im Metropoltheater aufgeführt. Philtrat verlost 3 mal 2 Tickets für die Aufführung am Montag, 3. Februar, um 20 Uhr. Zur Teilnahme einfach unter dem entsprechenden Facebook– oder Instagram-Post kommentieren. Deadline: 31. Januar 2020.

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