Kulturphilter Online

Körper, Knallfarben und Witz

„Laut? Das passt zu dir“, haben Julia Walks Freund*innen gesagt, als sie ihnen von unserem Schwerpunkt-Thema erzählte. Die Künstlerin hat Abbildungen ihrer Arbeiten für das Cover und die Zwischencover der 29. Philtratausgabe zur Verfügung gestellt.

Künstlerin Julia Walk hat ihre Arbeiten für Cover und Zwischencover der neuen Philtratausgabe zur Verfügung gestellt © Foto: Privat

Von Tabitha Nagy

Julia sitzt auf einer Couch in der Akademie der Bildenden Künste in München, in der Klasse Kogler, um genauer zu sein, hinter der riesigen Sesampflanze, die hier von einem Studierenden zum Überwintern untergebracht wurde. Oberteil und Jacke trägt sie in knalligen Farben – gelb und blau. Dazu perfekt aufgetragenes und zum Outfit passendes Make-Up. „Früher wollte ich mal Visagistin werden“, sagt sie später, sie hat in dem Bereich auch einige Praktika gemacht. Doch letztlich entschied sie sich anders und studiert seit 2013 an der Akademie bei Professor Peter Kogler.

„Laut zu sein finden viele Leute peinlich und ist oft negativ konnotiert. Aber es ist irgendwie meine Ästhetik“, sagt Julia. Die Künstlerin arbeitet in Knallfarben und mit starken Kontrasten. Oft erinnern ihre Werke an eine Werbeästhetik: „glossy“ und hoch ästhetisiert. Ihr gefallen vor allem „Brüche“ in der Kunst. „Wenn alles glatt, perfekt ist – und dann irgendwas irritiert, nicht dazu passt“, führt sie aus. Julia arbeitet zwar meist digital, präsentiert ihre Arbeiten aber nicht gerne auf dem Monitor. „Es bekommt einfach eine gewisse Wertigkeit, wenn es haptisch ist“, erklärt sie.

„Glossy“, laut, feministisch

In der letzten Jahresausstellung der Akademie zeigte sie ihre Arbeit HAARIG 2019. Zwei gelb lackierte Leuchtkästen. In diesen gezeigt: auf Folie gedruckte Abbildungen von jeweils einem ihrer Beine. In die Beinbehaarung wurden Muster aus Punkten und Streifen rasiert. Erst vor kurzem kam sie mit einer Frau wieder ins Gespräch über diese Arbeit. Diese meinte, sie fände ihre eigenen Beine rasiert schöner. Julia habe gefragt, warum. „Krass, darüber habe ich noch nie nachgedacht“, erwiderte die Frau, wie Julia erzählt. Dieser Moment des Diskurses und des Hinterfragens ist der Künstlerin wichtig.

Die Vorlage für das Titelcover aus den Zuckerguss-Arbeiten „Sugar, Sugar“ (l.) und das Kulturphilter-Zwischencover aus der Bilderserie „Erlkönig“  © Fotos: Ava Ella Kalff

„Wen ich super inspirierend finde, ist Lizzo.“ Julia gefalle natürlich die Musik, aber auch die Ästhetik und wie sie mit ihrem Körper umgeht, ihn zelebriert – und laut ist. „Ich nutze meinen Körper eigentlich immer als Material, als Ausgangspunkt“, sagt sie. In ihren Arbeiten ist dieser daher meistens zu sehen. In ihren Werken werden Konventionen in Wertung und Umgang mit weiblichen Schönheitsidealen hinterfragt. Immer mit einem spielerischen Zugang, mit Humor. Sie wolle nicht belehren oder ein neues Dogma aufstellen, sondern zum Nachdenken anregen.

Ihre Zuckerguss-Arbeiten „Sugar, Sugar“ sehen beinahe wie Abbildungen von Süßigkeiten aus. Doch sie zeigen einen dicken Körper: Julias Körper. Ihre „rolls“, wie sie ihr Körperfett nennt, wurden für diese Arbeiten mit Zucker übergossen, fotografiert und digital bearbeitet. Es ist ein Körper in hoch ästhetischer, stark abstrahierter Form zu sehen, der in der Werbung und all- gemeinen Popkultur eher selten – und wenn oft nicht positiv – repräsentiert wird, in hoch ästhetischer, stark abstrahierter Form. „Die Leute fangen auch manchmal an, zu raten, welches Körperteil gezeigt wird“, erzählt sie mit einem Schmunzeln.

Versteckte Körper

Ihre Bilderserie „Erlkönig“ scheint erstmal untypisch für Julia. Schwarze und weiße Linien laufen in bewegt wirkenden, abstrakten Mustern über die Bilder. Sie wirken fast gegensätzlich zu ihren knalligen Arbeiten. Dann entdeckt man den nackten Körper im Gewirr aus schwarz und weiß. „Die Arbeiten begannen mit einer Ausschreibung für einen Wettbewerb von BMW“, erklärt sie. Sie beziehen sich auf die „Erlkönige“, die neuen Modelle der Automobilhersteller, die zur Tarnung der Konturen mit einer bestimmten Muster-Folie beklebt wurden. Gleichsam wurde dieses, aber auch eigens designte Muster auf ihren nackten Körper projiziert, um dessen Kurven unkenntlich zu machen. „Ich hatte mich gefragt, was ich mit der Auto-Branche zu tun habe. Eigentlich nichts“, erzählt sie, „Ich verband damit nur Autos und heiße Girls.“ So kam sie auf die Idee der Pin-Up-Bilder von Erlkönig. Die Autoindustrie sei sehr patriarchal aufgeladen. Frauen würden vor allem als Accessoire auftreten, wie etwa auf Messen, oder sie räkeln sich im Pirelli-Kalender. „Deshalb fand ich es passend, die Kurven bei diesen Pin-Ups zu verdecken.“

Die Fotografien von Sugar, Sugar und der Erlkönig-Reihe machte Ava Ella Kalff. Sie ist Fotografin und eine langjährige Freundin von Julia. „Zusammenarbeit ist wichtig für die Qualität meiner Arbeiten, aber man muss sich gegenseitig vertrauen können“, führt sie aus, „Ich gebe dabei ja viel Kontrolle ab.“ Auch bei den Leuchtkästen hatte sie Hilfe. Sie wurden von ihrem Bruder Maximilian Walk, einem gelernten Feinwerkzeugmechaniker, nach ihren Skizzen angefertigt. „Das Menhofer KFZ-Reparaturzentrum hat mir auch sehr geholfen. Sie haben die Kästen lackiert und fanden das Projekt zwar ungewöhnlich – normal lackieren sie ja Autos – haben sich aber darauf eingelassen.“

„Nasebohren“ (Bildausschnitt) © Foto: Senem Denli und Julia Walk

Sie geht auch Kooperationen mit anderen Künstler*innen ein: Das Bild „Nasebohren“ entstand in Zusammenarbeit mit Senem Denli, einer Malerin. Mit verträumtem Blick, perfekt geschminkt und ausgeleuchtet, ist Julia zu sehen. In glatter Werbeästhetik – und am Nasebohren. Wieder einer dieser unerwarteten Störmomente, der Brüche.

„Ich mache keine großen Konzepte. Ich fange an, zu arbeiten, und schaue danach, was es ist“, beschreibt Julia ihren Prozess. Durch die Beschäftigung mit bestimmten Themen in Seminaren, oder auch der Arbeit, dem Alltag, schärfe sich der Blick. Sie wolle deshalb möglichst viele Eindrücke aus verschiedensten Bereichen sammeln. Das zeige sich dann in den Arbeiten. Ein häufiges Thema in ihrer Kunst ist Feminismus. Gleichstellung sei noch lange nicht erreicht: „Als Frau merkt man es einfach an jeder Ecke“, sagt Julia. Auch in einigen Seminaren setzte sie sich intensiver mit der Thematik auseinander.

Es sei ihr wichtig, dass die Arbeiten zugänglich sind und auch Leute, die nichts mit Kunst zu tun haben, ansprechen und mit ihnen kommunizieren. „Das Laute ist anziehend. Es kann Themen, die für viele erst mal abstoßend scheinen, schneller vermitteln.“

© Foto: Ava Ella Kalff

Julia Walks Arbeiten finden sich auf Instagram und auf ihrer Website und einige in der 29. Ausgabe von Philtrat. Der Artikel ist ein Vorab-Auszug aus dieser Ausgabe, die zwischen dem 27. und 31. Januar 2020 für 1 € verkauft wird, jeweils von 10 bis 18 Uhr in der Schellingstraße 3 in München. Alle Infos zum Verkauf findet ihr hier.

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