Online Unileben

Wörtliches Denken

Jede*r wird im Studium schreiben müssen – und sei es nur die Abschlussarbeit. Am Schreibzentrum kann man lernen, wie das geht. Doch die Einrichtung ist in ihrer Existenz bedroht. 

Schreiben müssen alle an der Uni, nur wie? Am Schreibzentrum kann man sich dafür Tipps einholen; die Autorin wünscht diesem alles Gute. Foto: Unsplash/Ryan Snaadt

Von Mirjam Papperitz

Dass gewisse Prüfungsformate durchaus fragwürdig sind, wenn man sie auf ihre akademische Effektivität hin prüft, ist wohl nichts Neues. Für die eine oder andere Veranstaltung gab und gibt es coronabedingt immerhin nun die Möglichkeit, sich in bisher eher vernachlässigten Formaten wie der Open-Book-Klausur zu erproben. Ob sich diese allerdings auf Dauer behaupten können, bleibt noch abzuwarten. Fakt ist allerdings, dass die – coronabedingt etwas erhöhte – Nachfrage an schriftlichen Arbeiten einmal mehr zu Tage bringt, dass Leistungsnachweise auch außerhalb der Geisteswissenschaften mehr sein können als bloße Wissensabfragen. Auf einmal ist wieder das Wort gefragt. Nicht, dass sie je ganz aus der Mode gekommen sind, die Haus- und Seminararbeiten. Aber es ist durchaus seltener geworden. Das kann man bedauern.  

ECTS-Sammler*innen oder weiter denkende Geister? 

Das bestätigt auch Linda Jessen, Peer-Tutorin am Schreibzentrum der Fakultät 13 an der LMU München. Sie sagt: „Wissenschaftliches Arbeiten heißt, zu lernen, seine gedanklichen Prozesse zu materialisieren und zu kommunizieren. In den Diskurs der Wissenschaft mit einzutreten. Wenn wir später fähige Wissenschaftler haben wollen, müssen wir sie dazu ausbilden.“ Zu besagter Ausbildung zählt neben dem Fachwissen auch die Fähigkeit, anständig wissenschaftlich zu arbeiten. Hilfestellung hierzu bietet das Schreibzentrum, in dem Jessen arbeitet. Das Zentrum wurde Januar 2015 gegründet und vermittelt durch seine Peer-Mentor*innen und Dozierenden Grundkenntnisse im Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens. Von zentraler Bedeutung seien hierbei vor allem die Beratung durch die Peer-Mentor*innen, also ebenfalls Studierende mit einer fachlichen Fortbildung. In dieser Beratung können Studierende auf Augenhöhe scheinbar blöde Fragen zum Thema Hausarbeit und Co. stellen, sich gemeinsam über das Wie der Struktur oder das Wo des roten Fadens austauschen, aber auch einfach an der eigenen Ausdrucksweise feilen. Daneben werden noch die Freitags-Workshops von Dozierenden sowie Mentor*innen angeboten, in welchen verschiedene Themenbereiche wie Schreibroutinen oder der Umgang mit Zitaten anhand von Übungen durchgearbeitet werden. Auch in Zeiten von Corona können Studierende Online-Angebote wie z.B. den Moodle-Lernraum wahrnehmen und müssen nicht alleine mit ihre Schreibblockade kämpfen.

Ein Zentrum für Alle

Diese Angebote sind für die Studierenden kostenlos und werden bisher vor allem über die Fakultät 13 finanziert. Das Schreibzentrum ist aber grundsätzlich offen für alle Fakultäten. Gerade bei der Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten, einer Veranstaltung des Schreibzentrums, bei welcher verzweifelte oder verspätete Schreibnoviz*innen die fällige Hausarbeit endlich abschließen können, kommen mittlerweile Studierende aus allen Fakultäten zusammen. Die Veranstaltung wird begleitet von thematischen Workshops und psychologischer Betreuung.

Viele schrieben zum ersten Mal einen längeren Text, wenn die Abschlussarbeit anstehen würde, so Prof. Michael Hochgeschwender. Er ist Studiendekan der Fakultät 13 und betreut das Schreibzentrum mit. Linda ergänzt, dass die Umsetzung kostenloser Angebote schlussendlich auch eine Frage sozialer Inklusion sei, nämlich allen Studierenden die Möglichkeit eines persönlichen Tutorings zu bieten. Zwar gebe es in diversen, vorwiegend geisteswissenschaftlichen, Studiengängen bereits Orientierungsveranstaltungen hierzu, jedoch unterscheide sich die frontale Vermittlung von wissenschaftlichen Methoden grundlegend zu dem Peer-to-Peer-Ansatz. „Ich weiß gar nicht mehr, wie ich schreibe. Ich weiß gar nicht, wie das geht, eine These zu finden.’ Ich kenne viele, denen es so geht“, erzählt Hochgeschwender, Vorlesungswissen biete oftmals nur einen sehr formalen Rahmen, den es jedoch zu füllen gelte. Und das lerne man nicht einfach mal so nebenbei, bestärkt Hochgeschwender: „Meiner Meinung nach kann es auf Dauer nicht angehen, dass eine solche Institution, die für die gesamte Universität einen Service bietet, dass die bei einer Fakultät angesiedelt ist. Von daher würde ich sehr dafür plädieren, das Schreibzentrum zu einer gesamtuniversitären Einrichtung zu machen. Und zwar auf Dauer und für alle Studierenden.“ 

Die Finanzierung bleibt die Hürde

Doch der Bestand des Schreibzentrum ist gefährdet. Die Fördergelder zur Finanzierung aus dem Qualitätspakt Lehre@Lmu laufen aus. Momentan sichern Überbrückungshilfen aus zentralen Mitteln vorübergehend das Überleben, was nicht zuletzt dem immensen Einsatz der Fachschaften und der Studierendenvertretung zu verdanken sei. Jedoch gebe es momentan keine garantierte Aussicht auf langfristige Fördergelder. Warum gibt es keinen Fördertopf für genau diese Einrichtungen?

Das hänge mit zwei Dingen zusammen, sagt Hochgeschwender. Das eine sei das Selbstverständnis der deutschen Schulpolitik. Nämlich die Vorstellung, mit dem Abitur habe man alles, was man benötigt, um ein Studium anzutreten. Sozusagen die „Heiligsprechung des Abiturs“. Man müsste sich ja dann zugestehen, dass das Abitur nicht vollständig studienfähig mache. „Ich würde sagen, es macht zum weiten Teil studienfähig, aber es kommen eben immer noch Dinge dazu, die wir in der Schule so nicht lernen.“

Das zweite wäre ein münchenspezifisches Problem. Die Hochschulleitung – im Wissen darum, dass es eine sehr große Universität ist – neige dazu zu sagen, Probleme sollen dort gelöst werden, wo sie anfallen – also in den Instituten, in den Departments, in den Fakultäten. Das nennt man Subsidiaritätsprinzip. Das sei per se auch völlig in Ordnung, sagt Hochgeschwender. Aber das Problem in diesem Fall sei, dass die entsprechenden Departments und Fakultäten finanziell nicht so ausgestattet sind, um eine Institution wie das Schreibzentrum zu tragen. Somit wäre dies eigentlich die Aufgabe der Hochschulleitung, das Schreibzentrum als eine zentrale Universitätseinrichtung zu etablieren. Da Versuche in dieser Richtung jedoch bisher gescheitert seien, überlege man nun in der Fakultät 13, mit anderen Fakultäten finanziell zu kooperieren.

Open-Book-Klausur

Für jene, die noch nicht in den Genuss dieser Prüfungsform kamen: Bei einer Open-Book-Klausur handelt es sich meist um eine Auswahl an offenen Fragen zu verschiedenen Themenkomplexen, die im Rahmen der jeweiligen Veranstaltung behandelt wurden. Die Ausarbeitung hat schriftlich zu erfolgen und ist im nachfolgenden Bewertungsprozess teilweise strengeren Kriterien ausgesetzt. Im Prinzip handelt es sich um eine Art Miniatur-Hausarbeit innerhalb von sehr limitierter Zeit (90 min bis zu 1 Tag, je nach Ausmaß der Anforderungen).

 

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