CoronaKrise
Online Unileben

Der eine denkt an den Weltuntergang, der andere nur an Klopapier

Gedanken zur Corona-Krise und was wir aus ihr lernen können: über uns selbst, das Zusammenleben und das Hoffen auf ein Wiedersehen.

CoronaKrise
Nur keine Panik? Für manche eine Herausforderung, wenn einem die leere Klopapierrolle entgegenlächelt (Symbolbild)

Von Samh Yousef

Früher hieß es, wenn man zu Hause bleibt, ist man faul. Heute wird man dafür als Held bezeichnet. Das Corona-Virus hat die ganze Erde verändert. Unsere Pläne müssen abgesagt werden, viele sind arbeitslos geworden und manche sind trotz der schwierigen Situation für uns da, damit wir einkaufen gehen und in die Stadt fahren können.

Das Jahr 2020 ist das Jahr der Katastrophen. Jeden Monat ist etwas passiert, was uns dem Ende der Welt näherbringt. Ich vermute, dass es in den kommenden Monaten noch Dinosaurier und Zombies geben wird und dass der Meteor, von dem die Nasa immer spricht, uns erreichen und die Erde zerstören wird.

Die Situation ist leider nicht lustig und viele sind bereits gestorben. Und Menschen, die den Ernst der Lage nicht sehen, verspätete Maßnahmen oder Rücksichtslosigkeit tragen nicht dazu bei, dass es bald besser wird.

Gedanken, die ans Ufer bringen und Gedanken, die ins Meer ziehen

Zuerst habe ich auch nicht daran geglaubt und ich dachte nie, dass es eine Ausgangssperre geben könnte. Doch so etwas ist real geworden, wir müssen einen Mundschutz tragen und unsere Hände gründlich waschen. Ich habe meine Hände noch nie in meinem Leben so gründlich gewaschen wie in diesem Jahr. Dieses Jahr hat mich besser erzogen, als es meine Eltern konnten. Viele Menschen haben viel Klopapier gekauft, was ich aber nicht verstanden habe. Die Menschen haben einen Streit angefangen, weil es wenig davon gab. Sie denken, dass es das Ende der Menschheit sei und andere denken nur an Klopapier. Gott sei Dank, dass wir als Araber*innen es nicht benutzen, sonst wäre es noch ein zusätzliches Vorurteil über uns.

Die Situation hat für mich noch eine zusätzliche Konsequenz gehabt. Ich war total isoliert, einsam und verloren. Ich habe über mein Leben nachgedacht, wie es weiter gehen soll. Ich kann nicht arbeiten, die Universität findet online statt – wie kann ich Klausuren belegen und wie werde ich das Semester überstehen? So viele Gedanken sind in meinem Gehirn geschwommen, ein
Gedanke bringt mich zum Ufer und der andere zieht mich ins Meer. Nach langem Grübeln war ich der Auffassung, dass sich für mich nichts geändert hat. Vor Corona saß ich täglich allein zu Hause, ich traf kaum Freund*innen, außer auf Veranstaltungen. Ich hatte große Angst um meine Familie, die noch in Syrien lebt.

Was gelernt?

Wir Menschen sind ganz schwach und wir müssen das im Kopf haben, ein kleines Virus kann unser Leben vernichten und uns von diesem Planeten löschen, vielleicht hat die Erde zu uns gesagt: Ihr hättet mit mir und mit euren Brüdern anders umgehen sollen.

Ich hoffe, dass wir alle etwas aus dieser Lektion gelernt haben. Wir brauchen einander, damit das Schiff weiter im Meer segeln kann. Müssen wir Angst haben? Nein, wir sollten vernünftig sein und an die Menschen, welche für uns von Bedeutung sind, denken.

Diese Zeit wird vergehen und die Sonne wird wieder strahlen und wir werden feiern und Bier im Biergarten trinken. Das Treffen mit Freund*innen wird wieder Freude verbreiten und die Liebe bringt uns wieder zusammen. Der Sommer ist da und bald beginnen die Verabredungen und Dates wieder. Aber bitte Abstand halten und keine Hände schütteln und wenn ihr einen Kuss haben wollt, bitte tragt eine Maske dabei. Bleibt gesund.

Vor fünf Jahren kam Samh aus Syrien nach Deutschland. Er studiert an der LMU in München und engagiert sich bei der NeuLand-Zeitung.

 

Dieser Artikel ist Teil unseres Online-Schwerpunkts „Gemeinsam“. Aufgrund der Corona-Krise haben wir uns dazu entschieden, dieses Semester auf eine gedruckte Ausgabe zu verzichten, stattdessen veröffentlichen wir Artikel unter diesem Thema. Die Ausbreitung des Virus hat das Studierendenleben von heute auf morgen verändert: Wie wirkt sich das auf den Uni-Alltag aus? Wie auf Lehre und Leben? Und vor allem: Welche Lösungen im Umgang mit dem Virus werden an Hochschulen gefunden? Mit diesen Fragen beschäftigen wir uns.

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