Rezension

Wehe, es gibt kein Internet. „Journey“, ein semifiktionaler Roadtrip durch Island

Das auf dem diesjährigen Münchner Seriencamp Festival vorgestellte Werk „Journey“ zeigt auf erfrischende und humorvolle Weise die Reise zweier Freunde zu den isländischen Westfjorden. Zwei Freunde – sowohl vor als auch hinter der Kamera.

Meditation und Selbstfindung? Ólafur ist noch nicht überzeugt. Foto: Rebecca Edwards

 Von Andrea Kurz

Ein schickes kleines Café in Island. Ólafur Darri Ólafsson wartet auf einen Freund. Die Cafébesitzerin klärt ihn währenddessen darüber auf, dass das Café eine handyfreie Zone sei. Achtsamkeit und Meditation sind das Motto der Stunde. Und dennoch wird Ólafur direkt im Anschluss darauf hingewiesen, unter welchem Hashtag das Café auf Social Media zu finden ist. Ein Widerspruch, der sich pointiert durch die ganze Serie zieht. 

„Journey“ (im Original: „Vegferð“) erzählt die Geschichte von zwei alten Freunden, die sich auf einen Roadtrip durch die isländischen Westfjorde begeben. Erste Probleme bringt allerdings schon die Interpretation des Begriffes „Roadtrip“ mit sich. Während Víkingur Kristjánsson auf ein neues „Bonding“ mit seinem alten Freund hofft und ohne die Abhängigkeiten der modernen Technik spirituell auf ein neues Level kommen will, stellt Ólafur noch vor der Reise seine Bedingungen auf: Übernachtung nur in 4-Sterne-Hotels und wehe, es gibt kein Internet. Streitigkeiten sind vorprogrammiert.

Realität vs. Fiktion

Was ist „fake“ und was ist „echt“? Das scheint das unterschwellige Motto der Serie zu sein. Víkingur will seinem Freund seine wahre Heimat, die Westfjorde, zeigen. Inzwischen ist er dort allerdings selbst ein Fremder. Begegnungen und Gespräche, die beide mit anderen Charakteren führen, sind überspitzt – man will sich beweisen, dass man dazugehört. Viel wird gesagt, letztendlich ist kaum etwas davon wahr. Vor allem Víkingurs Gerede über den inneren Seelenfrieden offenbart, wie wenig er mit sich selbst im Reinen ist. Nur die Freundschaft der beiden ist eine Ausnahme. Die ist tatsächlich echt. 

Víkingur und Ólafur – Freunde sowohl vor, als auch hinter der Kamera. Foto: Rebecca Edwards

Das liegt auch an den besonderen Produktionsbedingungen der Serie: Die zwei Hauptcharaktere spielen sich selbst und sind auch im echten Leben enge Freunde. Entstanden ist die Idee aus dem Wunsch heraus, endlich ein gemeinsames Projekt zu verwirklichen. Das Drehbuch stammt von Víkingur Kristjánsson selbst und viele der Dialoge ließen am Set Spielraum für Improvisation. Man sieht vor der Kamera also tatsächlich zwei Männer, die sich vor allem deshalb so gut gegenseitig necken können, weil sie sich schon ein Leben lang kennen. Allerdings sollte man nicht alles für bare Münze nehmen. Ein bisschen künstlerische Freiheit ist immer dabei und auch ihre Figuren zeichnen beide bewusst überspitzt. Da die Serie chronologisch in nur 18 Tagen gedreht wurde, befand sich das relativ kleine Filmteam auch selbst auf einem Roadtrip durch die schönen Landschaften Islands. Dies erkennt man auch an dem Look des Films, der hin und wieder an einen Independent-Film erinnert. 

Fazit

Ein Blick in „Journey“ lohnt sich. Auch wenn man anfangs eine Weile braucht, mit den beiden Charakteren warm zu werden, wird man doch mit viel Situationskomik und Denkanstößen belohnt. Die Serie bringt die Komplexität der modernen Gesellschaft mit ihrer Abhängigkeit von Social Media und dem Gefühl allgemeiner Überforderung oft treffend auf den Punkt. Auch nehmen die beiden Hauptcharaktere bei ihren möchtegern-philosophischen Gesprächen und Diskussionen über Themen wie Political Correctness kein Blatt vor den Mund. Teilweise erfrischend provokant. 

 

Wer sich für die Serie interessiert, kann die ersten Folgen auf der diesjährigen 7. Ausgabe des Seriencamps sehen. Ein Festival und eine Plattform für Filmschaffende mit dem Fokus auf seriellem Erzählen, das dieses Jahr als Hybrid-Veranstaltung sowohl Vorführungen vor Ort als auch eine kostenlose Online-Mediathek anbietet. Der Online Watchroom ist vom 11. bis zum 28. November verfügbar. Zusätzlich gibt es vom 11. bis zum 13. November ausgewählte Serienvorführungen in der ASTOR Film Lounge im ARRI-Kino München.

 

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