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Vietnamesischer Frühstücksgenuss in der WG-Küche

Der Lockdown stellt die Gastronomiebranche auf den Kopf. Cafés und Restaurants müssen mit alten Traditionen brechen und auf neue Geschäftsmodelle umsteigen. Das Café Chance versucht sein Glück mit Brunch-Boxen für zu Hause.

Süßes und Herzhaftes – so sieht eine Brunch-Box beim Café Chance aus.© Café Chance

Von Milena Lisiecki

Bei einem Spaziergang durch das schöne Lehel mag der ein oder andere bereits auf das kleine deutsch-vietnamesische Café gestoßen sein. Nur einen Katzensprung von der Isar entfernt befindet sich das Café Chance in der Liebigstraße 26. Normalerweise können Gäste hier unter vietnamesisch angehauchten Bambus-Lampen Kaffee und Kuchen genießen. Stattdessen stapeln sich nun über ein Dutzend Papierboxen auf den Tischen des Cafés. Bestückt mit kleinen Marmeladen-Gläschen und bereit, am nächsten Morgen mit Croissants, Müsli und Banh Mi – einem speziellen vietnamesischen Sandwich – befüllt zu werden.

Das Zusammenspiel zweier Kulturen

Das Café im Lehel wurde vor etwa eineinhalb Jahren von Thao Nguyen und Khoa Tran gegründet. Das Konzept: das Zusammenspiel zweier Kulturen, der vietnamesischen und der deutschen. Die beiden Betreiber*innen haben Wurzeln in Vietnam, sind aber in Deutschland aufgewachsen. „Cafés gibt es wie Sand am Meer hier in München, da wollten wir aus der Masse etwas herausstechen und dachten uns: Warum verbinden wir nicht beide Kulturen miteinander?“, so Tran. Was sich schon in der Einrichtung widerspiegelt, zeigt sich vor allem auf der Speisekarte: Zu klassisch vietnamesischem Filterkaffee gibt es beispielsweise Bauernbrot oder Birchermüsli.

Der Lockdown erfordert ein neues Konzept

Seit letztem Herbst haben sämtliche Cafés und Restaurants in Deutschland aufgrund des Lockdowns nun schon zum zweiten Mal geschlossen. Dadurch stehen viele Gastronom*innen am Rande ihrer Existenz und müssen auf alternative Geschäftsmodelle umsteigen, um sich über Wasser zu halten. So auch Nguyen und Tran. Im ersten Lockdown boten sie noch Tagesgerichte to go an. „Damals sind wir damit gerade noch durchgekommen“, sagt Tran. Als der nächste Lockdown absehbar war, war den Eigentümern klar, dass sie auf diese Weise keine längere Zeit überstehen würden. Dadurch entstand die Idee der Brunch-Boxen: „Wenn alle Leute zu Hause bleiben müssen, wollen sie ja trotzdem schön frühstücken. Warum bringen wir das Frühstück dann nicht zu ihnen nach Hause?“ Seit letztem Herbst können Kund*innen die Brunch-Boxen bestellen. Zur Auswahl stehen momentan fünf verschiedene Boxen. Je nach Lust und Laune kann man zwischen einem „Classic Breakfast“, einem „Special Brunch“, einer vegetarischen Box oder zwei süßen „Sweetness-Boxen“ wählen. In Planung ist außerdem eine Dinner-Box, die zu 80 Prozent vietnamesisches und zu 20 Prozent bayerisches Essen enthalten soll. Im Umkreis von sechs Kilometern kann man sich die Boxen gegen einen Aufpreis direkt an die Wohnungstüre liefern lassen. Wohnt man weiter außerhalb, kann man die Box im Café selbst abholen.

„Das neue Konzept kommt sehr gut bei den Gästen an“, so Tran. Im Schnitt verkauft das Café unter der Woche etwa fünf bis sechs Boxen pro Tag, am Wochenende sind es bis zu 20. „Zusammen mit den Corona-Hilfen der Regierung reicht das aus, um über die Runden zu kommen. Wir schwimmen jetzt nicht im Geld, aber wir können die Rechnungen bezahlen.“ Ohne die Boxen sähe die Situation allerdings anders aus: „Die Hilfsgelder alleine reichen bei Weitem nicht aus. Davon könnten wir noch nicht einmal die Miete bezahlen“, erklärt Tran. 

Auch der neue Arbeitsalltag ist eine große Umstellung für den Betreiber des Cafés: „Ich war früher in der Maschinenbaubranche tätig. Der Grund, warum ich in die Gastronomie gewechselt habe, ist der intensivere Kontakt zu Menschen. Mit den Gästen reden, sie fragen, wie es ihnen geht. Das fehlt jetzt einfach im Moment.“ Zudem bedeutet die Lieferung der Boxen einen erhöhten Arbeitsaufwand und damit zusätzlichen Stress. Alles in allem läuft das Geschäft aber den Umständen entsprechend gut: „Solange die Nachfrage nach den Boxen noch so erhalten bleibt, überstehen wir den Lockdown, egal wie lange er dauern wird.“

„München besteht nicht nur aus dem Glockenbachviertel und der Maxvorstadt“

Ein besonderes Anliegen ist Tran allerdings, dass auch Gastronom*innen, die weiter außerhalb des Zentrums liegen, Unterstützung erfahren: „Diese Cafés und Restaurants haben sehr mit den Maßnahmen zu kämpfen. München ist sehr groß, es besteht nicht nur aus dem Glockenbachviertel und der Maxvorstadt. Besonders weniger zentral liegende Cafés sind zurzeit darauf angewiesen, dass man an einem schönen Sonntagnachmittag vorbeikommt und sich einen Kaffee to go holt.“

Ob das Café Chance nach dem Ende des Lockdowns die Boxen weiterhin anbieten wird, wissen Nguyen und Tran noch nicht: „Wenn die Nachfrage weiterhin besteht, würden wir das gerne beibehalten. Allerdings wissen wir nicht, wo wir die Boxen dann vorbereiten könnten. Wir nutzen zurzeit den ganzen Raum, in dem normalerweise die Gäste sitzen.“ Vorerst bleiben die Cafés allerdings geschlossen und bis die Situation Lockerungen zulässt, dienen die Tische des Cafés weiterhin der Vorbereitung der Boxen.

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