Online Unileben

„Schon irgendwie allein“ – der schwierige Weg durch das erste (Online-)Semester

Der Wechsel vom Klassenzimmer in den Vorlesungssaal ist normalerweise schon so schwer genug. Die Pandemie vereinfacht diese Situation nicht gerade. Drei Studentinnen aus dem ersten Semester erzählen davon, wie es ihnen in den vergangenen Monaten ergangen ist.

Wo sonst zu Beginn jedes Semesters Einführungsveranstaltungen für Studienanfänger*innen stattfinden, herrscht nun seit Monaten gähnende Leere. Foto: Anna Schöbel.

Von Anna Schöbel

Für die Erstis läuft seit dem vergangenen Jahr alles anders. Statt Partys, neuen Freund*innen und einer neuen Umgebung arbeiten sich die Erstsemester*innen wie auch alle anderen Studierenden von zu Hause aus durch ihr Studium. Nachdem das Semester zunächst als „Hybrid-Semester“ mit einzelnen Präsenzveranstaltungen startete, ging es aufgrund der steigenden Infektionszahlen erneut in ein komplettes Online-Semester über. Dabei gestalteten die einzelnen Fakultäten das Online-Semester eigenständig, was zu Unterschieden zwischen den Studiengängen führte.

„Es gehört einiges an selbstständiger Organisation dazu“

Chiara ist 22 Jahre alt und hat im vergangenen Semester BWL als Zweitstudiengang begonnen. Die Organisation ihrer Fakultät hat ihr dabei ganz gut gefallen. „Ich fand meinen Semesterstart eigentlich ganz gut gestaltet. Ich hatte einige Einführungsveranstaltungen und sogar eine virtuelle Ersti-Party mit DJ“, erzählt sie. „Natürlich gehört einiges an selbstständiger Organisation dazu. Ich habe viel mit To-do-Listen gearbeitet und kam so gut durch das Semester.“

„Es war schon ein ziemliches Durcheinander“, beschreibt Julie hingegen rückblickend ihr erstes Semester. Sie hat im vergangenen Semester ihr Lehramtsstudium in Physik und Religionslehre begonnen. „Man war schon irgendwie auf sich allein gestellt. Ich hatte keinen konkreten Stundenplan, an den ich mich halten, oder einen Ansprechpartner, an den ich mich wenden konnte. Auch das eigenständige Lernen fiel mir eher schwer. Ich habe bereits eine kleine Tochter, die aufgrund der derzeitigen Situation nicht in die Kita gehen kann. Mein Freund studiert ebenfalls und arbeitet nebenbei, während die Kleine natürlich ständig zuhause unsere Aufmerksamkeit benötigt hat.“

Viele virtuelle Vorlesungen konnten im Wintersemester zeitlich flexibel wahrgenommen werden. Dies kann allerdings auch dazu führen, dass aus einer kurzen Mittagspause schnell mal drei Stunden werden, die man eigentlich zum Lernen nutzen wollte. Auch Instagram und Co. sind immer eine schnelle Ablenkung. Um alle seine Uni-Aufgaben zu erledigen, benötigt man viel Selbstdisziplin und eine gute Organisation.

Online-Klausuren ohne Stoffeingrenzung

Hinsichtlich der Prüfungen hatten es Erstsemester*innen im vergangenen Semester nicht immer leicht, wie die Jurastudentin Sarah, 19, berichtet: „Es hat mich sehr gestört, dass es bei unseren Vorlesungen keine Hinweise auf mögliche Schwerpunkte der Klausuren gab. Auf die Frage hin, ob eventuell etwas ausgeschlossen wird, gab es lediglich die Antwort, dass keine Stoffeingrenzung erfolge“, sagt Sarah. Laut den höheren Jahrgängen seien die Sachverhalte für die Erstsemester*innen diesmal um einiges länger und komplexer gestaltet worden – eine Folge der Umstellung auf Online-Klausuren. Sarah sieht das kritisch: „Überhaupt keine Stoffeingrenzungen vorzunehmen, erschien mir für das erste Semester sehr hart. Auf der anderen Seite wird dann von Chancengleichheit gegenüber den anderen Studierenden geredet – das erscheint mir dann doch etwas befremdlich.“ Zumindest konnten die drei Studentinnen trotz der Pandemie alle Klausuren wahrnehmen, auch wenn teilweise erst kurzfristig entschieden wurde, ob diese als Online- oder Präsenzklausuren stattfinden.

Virtuelle Freundschaften

Das wohl größte Hindernis, mit dem sich Studienanfänger*innen in diesen Zeiten konfrontiert sehen, betrifft aber die soziale Seite des Studiums: Trotz Online-Events und WhatsApp-Gruppen kann es ohne den persönlichen Kontakt sehr schwierig sein, seine Mitstudierenden kennenzulernen – insbesondere dann, wenn man eher schüchtern ist und sich nicht traut, Kommiliton*innen offen anzuschreiben. „Man konnte Kontakte knüpfen, allerdings würde ich das nicht als richtige Freundschaft bezeichnen, da ich leider noch keine der Personen live treffen konnte“, erzählt Sarah. Julie sieht das etwas anders. Sie hat seit dem Semesterbeginn engen Kontakt zu zwei Kommilitonen, mit denen sie sich seitdem täglich austauscht. Gerade durch Chatgespräche mit anderen merke man erstmal, dass man nicht alleine ist. Den anderen Erstis geht es genauso wie einem selbst – das könne auch virtuell Freundschaften entstehen lassen.

Zudem bietet das Online-Studium auch ein paar Vorteile, die die Studentinnen im vergangenen Semester zu schätzen gelernt haben: „Die flexible Zeiteinteilung ist wohl das angenehmste an der Online-Lehre. Gerade wenn meine kleine Tochter im Bett lag, konnte ich so auch noch spätabends Vorlesungen erarbeiten und wiederholen, wenn ich etwas mal nicht verstanden habe“, erzählt Julie. „Tatsächlich würde ich mir wünschen, dass auch nach der Pandemie alle Vorlesungen und Materialien online hochgeladen werden. Gerade für das Wiederholen ist das sehr praktisch“, ergänzt Chiara. „Ich würde nach diesem Semester aber definitiv nach wie vor die Präsenz- der digitalen Lehre vorziehen.“

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