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Die Rezeptfreiheit der „Pille danach“

Die „Pille danach“ ist seit jeher eine umstrittene Arznei. Dem Befinden, das Medikament müsse im Notfall schnell verfügbar sein, stehen seit jeher Bedenken entgegen, die den Einsatz als zu großen Eingriff in den Hormonhaushalt bewerten. Seit diesem Jahr ist nun ein Präparat rezeptfrei. Was die Nebenwirkung des Kontrazeptivums sind und was die Rezeptfreiheit für Folgen hat.

Von: Sophie Schlögl

Der Weg zur Rezeptfreiheit – eine Chronologie

Im Dezember 2012 wird einer jungen Frau in zwei katholischen Kliniken in Köln die Untersuchung nach einer mutmaßlichen Vergewaltigung verweigert, mit der Begründung die hierbei notwendige Beratung zur „Pille danach“ sei mit dem christlichen Gedankengut nicht vereinbar. Dieser Vorfall rückt die Frage nach der Verschreibungspflicht von Notfallkontrazeptiva wieder in das Interesse der Öffentlichkeit.

Bereits im Jahr 2003 hatte das Bundesministerium für Gesundheit geprüft, ob die Rezeptpflicht für solch ein Präparat aufgehoben werden könnte. Als die FDP das Vorhaben ablehnt und nicht alle Bundesländer Stellung beziehen gerät das Thema in Vergessenheit. Erst im Jahr 2012 kommt wieder Schwung in die Diskussion. Auf Anfrage der Linksfraktion antwortet das Bundesgesundheitsministerium, für die Entlassung des Wirkstoffs Levonorgestrel aus der Verschreibungspflicht sei zwar keine Zustimmung des Bundesrates zu erwarten, an sich spreche jedoch nichts dagegen. Im Herbst wird von der SPD-Fraktion auch ein entsprechender Antrag gestellt.

Umstrittenes Präparat
Umstrittenes Präparat

Mit dem Kölner Vorfall und einem Beratungsangebot einer Online-Arztpraxis zur Pille danach ist das Thema Anfang 2013 wieder in aller Munde. Während SPD, Linke, Grüne und sogar die Bayern FDP sich auf Länderebenen für die Rezeptfreiheit einsetzen und die Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände (ABDA) sich ebenfalls positiv äußert, will die Bundesregierung aus Union und FDP den Antrag ablehnen. Auch Ärzteverbände zeigen sich skeptisch. Es folgt eine lange Zeit heftiger Diskussionen zwischen Parteien und Verbänden, in der sich unter anderem Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vehement gegen die Aufhebung der Verschreibungspflicht einsetzt. Bei der Pille danach handle es sich schließlich nicht um „Smarties“. Zur selben Zeit befasst sich auch die EU mit dem Thema. Im Januar 2015 entlässt die EMA (European Medicines Agency) ein neueres Kontrazeptivum mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat aus der Rezeptpflicht. Diese Entscheidung führt letztendlich dazu, dass Bundesrat und Bundestag zustimmen, die Präparate mit beiden Wirkstoffen in deutschen Apotheken frei zu verkaufen. Die Einschränkungen: ein Werbeverbot und ein Lieferverbot für Versandapotheken auf Grund fehlender Beratung.

Präparate, Risiken und Nebenwirkungen

Nun ist die „Pille danach“ also einfach in der Apotheke des Vertrauens zu erhalten. Kein langes Warten mehr bei Wochenend- und Nachtnotdiensten. Doch was steckt drin, in den kleinen, unscheinbaren Pillen?
In Deutschland erhältlich sind die Präparate EllaOne® mit dem Wirkstoff Ulipristalacatat und PiDaNa®, das Levonorgestrel enthält. Der Wirkmechanismus der beiden Pillen ist ähnlich.

Am Anfang des Zyklus steht die Follikelreifung. Dabei handelt es sich um „Gewebebläschen“ die je eine Eizelle enthalten und Östrogen abgeben. Meist um den 14. Zyklustag herum fällt der Östrogenspiegel im Körper ab, dafür werden zwei andere Hormone ausgeschüttet, die den Eisprung auslösen. Eines davon ist das luteinisierende Hormon (LH). Levonorgestrel verhindert den Anstieg des LH-Hormonspiegels und kann damit den Eisprung um ca. 5 Tage verzögern und die Befruchtung verhindern, denn länger sind Spermien für gewöhnlich nicht überlebensfähig. Auch die Wirkung von Ulipristalacetat ist nach momentanem Kenntnisstand auf diesen Mechanismus zurückzuführen. Es gibt derzeit keine Hinweise, dass die Wirkstoffe sich auch auf den Vorgang der Befruchtung oder die Einnistung einer befruchteten Eizelle in der Gebärmutter auswirken. Deshalb ist die „Pille danach“ nicht mit einer medikamentösen Abtreibung zu verwechseln. Eine bestehende Schwangerschaft wird durch die einmalige Einnahme weder beeinträchtig noch abgebrochen. Aus diesem Grund hat sich auch die Deutsche Bischofskonferenz mittlerweile darauf geeinigt, dass die Präparate Vergewaltigungsopfern zur Verfügung gestellt werden sollen. Es ist deshalb aber auch überaus wichtig, dass die „Pille danach“ möglichst kurz nach dem ungeschützten Sex eingenommen wird. Hier unterscheiden sich auch die beiden Wirkstoffe: Während die EllaOne® bis zu 120 Stunden danach noch eingenommen werden kann, ist die PiDaNa® nur 72 Stunden lang wirksam. Dafür gibt es zu Levonorgestrel viele Langzeiterfahrungswerte während der Wirkstoff Ulipristalacetat erst seit 2009 zugelassen ist.

Die "Pille danach" greift erheblich in den Hormonhaushalt ein.
Die „Pille danach“ greift erheblich in den Hormonhaushalt ein.

Die Einschätzungen zum Risiko der Notfallkontrazeptiva in Internetforen ist geteilt. Die Seite „pille-danach.de“ beschreibt das Medikament zum Beispiel so: „Die Nebenwirkungen der ‚Pille danach‘ sind im Normalfall mild und klingen von selbst wieder ab.“ Betrieben wird diese Website allerdings von HRA Pharma – dem Hersteller der EllaOne®. Der Berufsverband der Frauenärzte mahnt dagegen vor gravierenden Nebenwirkungen und abnehmender Wirksamkeit bei Übergewicht. Die Datenlage ist hier nicht eindeutig, die EMA fand in Studien keinen Zusammenhang zwischen Körpergewicht und Wirksamkeit und die WHO stuft levonorgestrelhaltige Arzneimittel als sicher ein. Allgemeiner Konsens sind auf jeden Fall Nebenwirkungen wie Veränderungen im Zyklus, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Die „Pille danach“ enthält die 15-fache Dosis an Hormonen im Vergleich zur herkömmlichen Antibabypille und stellt damit einen massiven Eingriff in den Hormonhaushalt dar. Außerdem ist die normale Antibabypille nach der Einnahme der „Pille danach“ für den restlichen Zyklus nicht mehr wirksam. Es muss also zusätzlich nicht hormonell verhütet werden.

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