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Der Kern-Konflikt

„Wenn du zu weich bist, wirst du zerschmettert werden;
wenn du zu starr bist, wirst du gebrochen werden,
wenn du zu hart bist, wirst du Wunden verursachen und
wenn du zu scharf bist, wirst du verletzen.“

So dichtete der persische Lyriker Hafiz im 14. Jahrhundert. Trotz der erheblichen Zeitspanne, die zwischen der Entstehung dieser Zeilen und unserer Zeit liegt, sind Hafiz‘ Worte vorzüglich geeignet um die derzeitigen diplomatischen Bemühungen in den Nuklearverhandlungen mit dem Iran zu beschreiben. Die Vetomächte des Sicherheitsrats versuchen mit der Unterstützung Deutschlands und der Europäischen Union (zusammen P5+1 genannt) die Verhandlungen über eine Lockerung oder gar Aufhebung der Sanktionen sowie das Atomprogramm des Iran zu einem befriedigenden Abschluss zu bringen. Beiden Seiten fällt es schwer, diese von Hafiz angestrebte goldene Mitte zu finden.

Der Beginn einer Feindschaft

Lange waren die Fronten zwischen beiden Lagern verhärtet. Sowohl die 1979 gegründete Islamische Republik Iran als auch der „Westen“, vornehmlich die USA, fügten einander „tiefe diplomatische Wunden“ zu.

Die USA hatte klare Vorstellungen davon, wer die Regierungsmacht in dem mächtigen Land des Nahen Ostens innehaben sollte. Die Monarchie unter Reza Schah Pahlavi entsprach den Interessen der Vereinigten Staaten sowie denen Großbritanniens. Das Regime Pahlavis war westlich orientiert, antikommunistisch und eine hervorragende Ölquelle: Nur 20 Prozent des Gewinns aus dem Ölgeschäft kam dem Iran zu. Ein Demokrat war Pahlavi zwar keineswegs, aber das war im Kontext des kalten Kriegs Nebensache oder wie Franklin D. Roosevelt es einmal ausdrückte: „He may be a son of a bitch, but he’s our son of a bitch“.

Unter wesentlicher Mitwirkung der CIA wurde der demokratisch gewählte Ministerpräsident Mohammad Mossadegh aus dem Amt geputscht. Mossadegh äußerte den Gedanken den Iran in eine Republik umwandeln und die USA befürchteten, er könnte sich der Sowjetunion zuwenden. Zudem war zuvor ein Gesetz zur Verstaatlichung der Ölförder- und Raffinerieanlagen verabschiedet worden, welches das britische Monopol der Ölförderung im Iran gefährdete.

26 Jahre später kam es dennoch zum Sturz der Monarchie. Im Zuge der Islamischen Revolution kam Ayatollah Khomeini an die Macht und gründete die Islamische Republik Iran. Daraufhin wurden die Feinde des neuen Mullah-Regimes die Freunde der westlichen Welt. Während des Iran-Irak Kriegs wurde der Irak unter Saddam Hussein mit Waffen, unter anderem Nervengas, beliefert, in der Hoffnung, die Islamische Republik Iran dadurch zu Fall zu bringen. So wurden die USA zum „großen Satan“, der den Islam bekämpft. Im Gegenzug erhielt die Führungsriege der Islamischen Republik Iran den Titel der „verrückten Mullahs“ . Der Iran wurde zu einem Pariastaat erklärt und später unter G. W. Bush zu einem Bestandteil der „axis of evil“.

Dies war nicht gerade ein guter Start für die diplomatischen Beziehungen mit dem neuen Regime in Iran. Die Regierung unter dem Obersten Religiösen Führer verhielt sich ihrerseits nicht gerade staatsmännisch. Sie trug selbst dazu bei, in westlichen Augen zum feindlichen und fanatischen Tyrannenstaat zu werden. So zum Beispiel durch anti-westliche und anti-israelische Rhetorik sowie ihre Verstrickung in die Entführung von amerikanischen Botschaftsangehörigen. Vor allem in der Entstehungsphase und den ersten Jahren der Islamischen Republik wurden schwere Menschenrechtsverletzungen begangen.

Auch heute ist Iran kein Staat, der sich an grundlegende Menschenrechtsvereinbarungen hält, doch das sind manche Verbündete westlicher Staaten wie Saudi Arabien auch nicht. Während der Revolution genossen Ayatollah Khomeini und seine Sympathisanten allerdings erheblichen Rückhalt in großen Teilen der Bevölkerung. Dies war eine Bevölkerung, deren konservativer Teil dem Schah die Missachtung des Islam vorwarf und deren nationalistische Kräfte die vollkommene Souveränität des Iran wieder herstellen wollten. Die arme Landbevölkerung strebte danach, sich von den feudalen Strukturen zu befreien und Dissidenten klagten das elitäre Schah-Regime an, seine Macht etwa durch Folter zu sichern und Kommunisten, Islamisten, sowie jegliche politische Kontrahenten hinter Gittern verschwinden zu lassen.

Ein schizophrenes Land

Fährt man durch Teheran, ist die Feindschaft zwischen Iran und dem Westen weiterhin überdeutlich zu erkennen. Die amerikanische Flagge, mit Bomben und Totenköpfen geschmückt, ziert Häuserwände und vor der alten amerikanischen Botschaft wird die Statue of Liberty zu einer Statue of Death. Besucher werden besonders gerne durch das ehemalige Foltergefängnis des Schahs geführt, dessen Bild die Wände der Folterkammern schmückt – immer daran erinnernd, dass dieses menschenverachtende Regime angeblich durch ein sehr viel gerechteres und gewaltloses ersetzt worden sei.

Iran_election_(2) 2009 CCSpricht man mit den Iranern selbst, sieht man ein ganz anderes Bild der iranischen Gesellschaft. Es ist eine Bevölkerung, die nach wirtschaftlicher Entwicklung und internationalem Austausch dürstet. Eine Gesellschaft, die das traditionell islamische Familienbild schon allein deshalb nicht aufrechterhalten kann, weil der Familienvater in vielen Fällen nicht in der Lage ist, alleine die Familie zu ernähren. Gerade viele junge Menschen sehnen sich nach guten Beziehungen zur westlichen Welt und sind sich des schlechten Image des Iran bewusst.In Teheran werden ausländische Besuchergruppen zur Attraktion, man fragt interessiert nach der Herkunft und tut die hohe Meinung, welche man von Deutschland hat, kund. Man trifft junge Iraner, deren Eltern und Großeltern gegen den Schah protestierten und die nun, von der Islamischen Republik enttäuscht, aufbegehren.

Die konservative Seite des Iran lässt sich im Straßenbild Teherans leicht vergessen. Wenn man aber mit Studenten spricht, die an der iranischen Eliteuniversität für Internationale Beziehungen studieren, besteht kein Zweifel daran, wer hier studieren darf, um später im diplomatischen Dienst tätig zu sein: regimetreue, konservative junge Menschen, die zwar klug und gewandt sind, das System aber nicht in Frage stellen. Zwar können hier Diskussionen um grundsätzlich verschiedene Wertvorstellungen als äußerst zäh erscheinen, jedoch wird man als Europäer mit Respekt behandelt. Das Credo scheint zu sein: Wir mögen verschiedener Ansicht sein, doch wir respektieren eure Werte und Gesellschaftsordnung, respektiert also bitte auch unsere.

Ebendiese konservative iranische Gesellschaftsordnung wird zwar längst nicht mehr von allen Iranern unterstützt und vom Staat diktiert, dennoch hat sich die Islamische Republik in den 36 Jahren, die sie nun besteht, gewandelt und geöffnet. Nur so konnte es zu den Verhandlungen kommen, die nun zu einem Abschluss gebracht werden sollen.

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