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Zeichen und Wunder

Sufjan Stevens at the Paramount Theatre, Oakland, CA 10/26/10

Sieben Schwäne

Sufjan Stevens beginnt sein zweites Konzert im Paramount Theatre in Oakland mit Seven Swans vom gleichnamigen Album, nur er mit seinem Banjo:

I saw a sign in the sky:
Seven horns, seven horns, seven horns.
I heard a voice in my mind:
I am Lord, I am Lord, I am Lord.
He said: I am Lord, I am Lord, I am Lord.
He said: I am Lord, I am Lord, I am Lord.

Nach der ersten Strophe schleicht langsam seine Band (oder soll man sagen Mannschaft) auf die Bühne und treibt den Song schließlich zu einem wagnerhaftem Finale. (Auf der Bühne finden sich mehrere Tänzer, ein kleine Bläsersektion, zwei Schlagzeuger, Backgroundsänger und alle möglichen Instrumente.) Damit ist die ganze Palette der kommenden zwei Stunden abgedeckt. Nach dem Song applaudiert Stevens seiner Band und lächelt, es scheint als wäre er selbst erstaunt, wie perfekt der Einstieg geklappt hat. Die Setlist besteht dann hauptsächlich aus Song des neuen Albums The Age of Adz und der im August erschienen EP All delighted People. Alle Songs werden, bei aller Sprödigkeit und Seltsamkeit, vom Publikum begeistert aufgenommen.

Concerning the UFO flights

Und doch: Stevens will sich erklären. Er will seinen Zuhörern mitteilen, warum er nach über fünf Jahren ohne ‚reguläres’ Album kein zweites Illionise präsentiert, sondern mit The Age of Adz einen Schritt nach vorne oder nach hinten gemacht hat. Je nach dem. Er spricht und erzählt und gestikuliert und alle hören gespannt zu, keine Zwischenrufe.  Er spricht von seiner Inspiration durch den Künstler und selbsternannten Propheten Royal Robertson (1930-1997), der über 20 Jahre lang in vollkommener Einsamkeit und Armut Raumschiffe, Monster und Außerirdische gezeichnet hat und der gegen Ende seines Lebens Angst hatte, dass der CIA seine Ideen klaut. Stevens hat erst vor kurzem Robertsons Frau getroffen, we had lunch at this birthday, which was kind of great. Robertson wollte die Größe des Universums in seine Bilder integrieren. Das will Sufjan auch – es geht um alles. Um Unity soll es gehen, um den Einklang zwischen dem kosmischem Selbst und dem Körper, um Movement, um Fließen und hauptsächlich um Erlösung. Am Ende muss er selbst über seine Ausführungen lachen. Dann beginnt Impossible Soul eine 45-minütige Tour durch alles, was musikalisch möglich ist und war und das, was Stevens dem noch hinzuzufügen hat. Gegen Ende des Songs singt Stevens mit Vocoderstimme, er tanzt in seinem silbernen Spacekostüm, das Publikum tanzt mit ihm. Das reguläre Set wird mit Chicago beschlossen und dieser Stevens-Klassiker wirkt fast harmlos und zahm gegen die Mächtigkeit des eben Gehörten.

Too much

Wer ist Sufjan Stevens? Man weiß es nicht; auch nicht nach diesem Abend. Man weiß nur, dass es eine Freude ist, ihm zuzusehen, wie er durch alle möglichen Genres streift und zitiert und umschreibt und erfindet und es irgendwie schafft, Ordnung in das Chaos, das entstehen könnte, zu bringen. Ständig droht es, zu viel zu werden, zu viel Spielerei, too much going on – seltsamerweise passiert das nie; auch an diesem Abend nicht. Es gibt zur Zeit wahrscheinlich nur wenige Musiker neben Stevens, die mit einer Leichtigkeit und Regelmäßigkeit die Grenzen und Möglichkeiten populärer Musik verschieben und dennoch ein riesiges Publikum erreichen (zumindest in Amerika).

We saw a sign in Oakland.

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