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Über Fernsehserien und ihren gesellschaftlichen Stellenwert

Das Küken und die Ente in der Wohnung oder die Ziege im Badezimmer…ein Wettstreit ist entbrannt zwischen den beiden überaus erfolgreichen Sitcoms „Friends“ und „How I Met Your Mother“. Was beide Serien unterscheidet, was sie verbindet. Und was diese Unterschiede über den Stellenwert und die Wirkung von Fernsehen in unserer Gesellschaft aussagen.

Von: Leonhard Landes

1990 schreibt der US-amerikanische Schriftsteller David Foster Wallace einen langen Essay über den Müll, der in den Fernsehern läuft. Er beschwert sich, dass Fernsehen in einer ironischen Wendung nur noch von Fernsehen handelt und nie komplexere Erzählungen mit ethischen Implikationen zeigt, was an den Zuschauern selbst liege: „[…] when networks do occasionally abandon time-tested formulas the Audience usually punishes them for it by not watching novel shows in sufficient numbers to let them get off the ground. […] High-quality television cannot stand up to the gaze of millions, somehow.” Seit Serien wie „Breaking Bad“ und anderen, die unter dem Label quality-TV gefasst werden, scheint das nicht mehr unser Problem zu sein. Was ist passiert?

Die Serie Friends setzte Anfang der Neunziger neue Maßstäbe, was die Popularität einer Sitcom anbelangt
Die Serie Friends setzte Anfang der Neunziger neue Maßstäbe, was die Popularität einer Sitcom anbelangt

Einmal von Anfang an. Vier Jahre nachdem Wallace seine Kritik verfasst hat, startet 1994 die Sitcom „Friends“. Von sechs Freunden in New York City handelt sie, von ihren Irrungen und Wirrungen im Berufs- und Liebesleben. Die Serie wird vom Fernseh-Network NBC ausgestrahlt. „Friends“ beginnt mit gemischten Rezensionen, aber durchwegs sehr guten Einschaltquoten. Die Serie bietet für Sitcoms das Übliche: Es gibt die stereotypen Charakter wie Joey, den Frauenheld, und seinen Mitbewohner Chandler, den Frauenschreck; es gibt romantische Turteleien innerhalb des Freundeskreises zwischen Ross und Rachel; es gibt genügend Gags mit den Lachern aus der Konserve. Alles ganz nett, die Chemie zwischen den Schauspielern stimmt und das Timing der Gags sitzt, aber alles in Allem bietet „Friends“ nichts außergewöhnlich Neues. Die Charaktere verändern sich im Laufe der Episoden in ihrer Persönlichkeit nicht wesentlich, größere Plotlines über mehrere Episoden hinweg sind die Ausnahme – bis Chandler und Monica am Ende der vierten Staffel miteinander Sex haben. Plötzlich gibt es Dynamik. Die beiden verheimlichen zunächst ihre Beziehung, werden entdeckt, ziehen zusammen und heiraten. Chandler wechselt gar seinen Beruf. Ross wird arbeitslos und erhält für einige Zeit manische Züge. Rachel emanzipiert sich von der lebensunfähigen Blondine zur taffen Karrierefrau. Die traditionelle Statik der Sitcom, die jede wesentliche Veränderung der Charaktere untersagt, ist aufgebrochen. Die Serie erweitert ihr narratives Repertoire und spielt mit Rückblenden und gar einer Doppelfolge „Was wäre wenn“.

Die Darsteller der Serie "How I Met Your Mother" (Foto: Francis Orante)
Die Darsteller der Serie „How I Met Your Mother“ (Foto: Francis Orante)

Spulen wir vor ins Jahr 2030. Hier sitzt Ted Mosby vor seinen beiden Kindern und erzählt, wie er ihre Mutter kennenlernte. Er erzählt von seinem Leben in New York, mit seinen vier besten Freunden, dem Pärchen Marshall und Lily, Barney, dem Frauenheld, und Robin, die angehende Nachrichtenreporterin, die sowohl Ted als auch Barney im Laufe der Serie mehrmals den Kopf verdrehen wird. Schon in dieser kurzen Zusammenfassung werden die inhaltlichen Parallelen zwischen „Friends“ und „How I Met Your Mother“ offensichtlich: „Friends“ hat als stabiles Pärchen Chandler und Monica zu bieten, Rachel verdreht wie Robin ihren Freunden Ross und Joey den Kopf und nicht nur einmal erinnert das Chaos, das Joey und Chandler in ihrer WG zelebrieren, an das Zusammenleben von Ted und Marshall. „How I Met Your Mother“ läuft auf dem Fernseh-Network CBS. Nicht auf HBO oder Showtime, die PayTV-Sender, die uns dank großem Budget unsere Lieblingsserien produzieren. Aber etwas an der Qualität dieser Sitcom ist anders als etwa zu Beginn bei „Friends“. „How I Met Your Mother“ macht die ständige Entwicklung seiner Charaktere zum Prinzip, denn davon lebt die Erzählung. Ted, der ewige Romantiker, trifft verschiedene Frauen, probiert sich in verschiedenen Berufen, verliert sein Vertrauen in die Liebe und bekommt es am Ende wieder zurück. Von Statik keine Spur. Selbst die anderen Charaktere machen große Veränderungen durch. Die scheinbar so bombenfeste Beziehung zwischen Marshall und Lily erfährt kurz vor der Hochzeit in der ersten Staffel ihr jähes Ende. Erst Mitte der zweiten Staffel finden die beiden wieder zusammen.

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