Teds Erzählung vom Suchen und Finden der späteren Mutter seiner Kinder bindet alle Episoden dichter zusammen als jemals zuvor bei einer Sitcom. Jede Episode steht unter dem großen Ganzen, erzählt aber auch ihre eigene Geschichte. Flexi narrative wird diese Form genannt. Der Zuschauer kann jede Folge einzeln genießen und sogar nebenbei bügeln, ohne an Unterhaltungswert einzubüßen. Fernsehen als Flucht vor dem Alltag funktioniert hier immer noch. Allerdings erlaubt die grundsätzliche Anlage der Serie narrative Komplexität, für deren treffende Beschreibung schon der Baukasten von Genettes Erzähltheorie ausgepackt werden muss. Die Rahmenhandlung bildet Teds Erzählung für seine Kinder, das eigentliche Seriengeschehen wird dabei zur Binnenhandlung, der ihrerseits Rück- oder sogar Vorblenden und damit eigene Binnenerzählungen hinzugefügt werden. Also Geschichten innerhalb der Geschichte der eigentlichen Geschichte oder – für Fans des Literaturwissenschaftlers Gérard Genette – Meta-Metadiegesen. Auch dem kühlsten Theoretiker kann in der Beschreibung einer durchschnittlichen Folge „How I Met Your Mother“ da mal der Kopf schwirren. Diese narrative Extravaganz ist aber nicht bloß Selbstzweck, sondern die Diskrepanzen zwischen der Erzählinstanz Ted im Jahr 2030 und der eigentlichen Binnenhandlung entwickelt ein ungeheures Potential für Komik; man denke nur an den running gag des „ein Sandwich essen“ – eine Metapher, die das Kiffen für Ted vor seinen Kindern erzählbar macht. Auch wenn viele Fans von „Friends“ der Serie um Ted und seinen Freunden vorwerfen, inhaltlich nur zu kopieren, was ein Jahrzehnt zuvor schon auf den Bildschirmen flimmerte, stellt die narrative Komplexität von „How I Met Your Mother“ doch eine wesentliche Weiterentwicklung von dem dar, was „Friends“ ab der fünften Staffel mit umfassenderen Plots und Rückblenden stellenweise probierte.
Ist das jetzt hochwertigeres Fernsehen als noch vor 20 Jahren? Und ist „How I Met Your Mother“ besser als “Friends”, weil die Serie über alle Staffeln hinweg eine teleologische Spannung aufstellt anstatt nur über einige Episoden? Natürlich sind wir froh über Serien wie „The Wire“ und „The Sopranos“, die viele Kritiker schon als die Romane des 21. Jahrhunderts ausrufen. Man kann darüber spekulieren, ob wir uns mehr als zuvor nach diesen komplexen Erzählungen sehnen, die mit ihren vielschichtigen Figurenensembles und vielfältigen Bezügen zu unserer ständig sich wandelnden Gesellschaft unsere Begleiter und damit Rat- und Sinnstifter werden.
Für Sitcoms aber scheint das überzogen zu klingen, denn deren Zweck war und ist es, einen Raum zu bieten, dem alltäglichen Leben für eine halbe Stunde des Lachens zu entfliehen – auch in unterschiedlichen Graden der Handlungsverschachtelung. Die aber sagt noch nichts über den Unterhaltungswert der Serie aus. Fernsehen ist immer noch das Medium der Banalität. Eine Kritikerin beschwerte sich deswegen schon, bei „The Wire“ nicht mehr zum Bügeleisen greifen zu können, denn eine Unaufmerksamkeit, eine unbemerkt gebliebene Wendung der wendungsreichen Geschichte kann hier schon den Seriengenuss zerstören. Fernsehen also ist das Medium, in dem ich mich über den Irrwitz eines Kükens und einer Ente als Haustiere von Joey und Chandler freue und nicht unbedingt die komplizierte Erzählung von der Ziege im Badezimmer brauche. Umgekehrt lehrt uns quality-TV aber auch, dass Fernsehen ebenso das Medium sein kann, in dem ich mein Hirn nicht automatisch abschalte, nur weil ich vom Sofa aus einschalte, um aufmerksam Teds komplexer wie lustiger Erzählung von Liebe, Freundschaft und Schicksal folgen zu können. Angenehm jedoch ist es, mittlerweile zwischen beidem wählen zu können.