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Er kämpft für eine saubere Isar

Auch in Corona-Zeiten sind die Isarstrände gut besucht – und werden verschmutzt. Bereits 2011 hat Hartmut Keitel den Umweltverein Deine Isar gegründet. Erst provokanter Einzelkämpfer, setzt er heute auf Kooperation.

Der Umweltschützer Hartmut Keitel beim Aufhängen eines seiner Plakate nahe der Isar in München © Fotos: Hartmut Keitel

Von Helena Katharina Borst

„Ihr Assischweine, steckt euch selbst eure Glasscherben in den Arsch, dann wisst ihr, dass auch Arschlöcher Gefühle haben“ – mit diesem ersten Plakat, das eines morgens mit Tapetenkleister an den Pfeilern einer Isarbrücke klebt, verschafft Hartmut Keitel seinem Ärger über die zugemüllten Isarstrände Luft. Mittlerweile sind die Plakate weniger beleidigend, die Aktionen vielfältiger und sein Anliegen, die Isar sauber zu halten, weit verbreitet. Die Ideen gehen dem Verein Deine Isar derweil nicht aus.

Im Frühling ist die Isar heuer für viele Münchner*innen die einzige Möglichkeit, ihre Wohnung zu verlassen. Seitdem die coronabedingten Ausgangsbeschränkungen den Aufenthalt im Freien auf sportliche Betätigung reduzieren, sind ungewöhnlich viel Jogger*innen und Spaziergänger*innen am Fluss unterwegs. Statt Zigarettenstummeln, Einweggrillschalen und zerschlagenen Glasflaschen bereiten Hartmut Keitel dieses Jahr die zertrampelten Grasflächen Sorgen, die sich diese Saison mutmaßlich kaum erholen werden. Werden die Isarauen in der aktuellen Ausnahmesituation von dem verhältnismäßig hohen Andrang von Besucher*innen strapaziert, war in der Vergangenheit vor allem der Müll problematisch, wie der Gründer des Umweltvereins Deine Isar am Telefon berichtet.

Umweltschutz mit Unterstützung der Stadt

Der gelernte Fotograf erinnert sich an die Anfänge vor zehn Jahren zurück: Auf dem Weg zu seiner Werbeagentur läuft er an der Isar entlang, wo sich die Abfälle vom Vorabend häufen. Am Flaucher, der seit 2011 wieder in einem natürlichen Bett fließt, sieht man unter den Hinterlassenschaften die Kieselsteine nicht mehr. Spontan beschließt Keitel, auf diesen Missstand aufmerksam zu machen und druckt in seinem Büro die ersten Plakate. Eines der Exemplare liegt noch auf dem Tisch, als Vertreter*innen vom Verein Isarfischer für einen Auftrag in seine Agentur kommen.

Schon seit Ende der 1970er veranstalteten die Hobbyfischer*innen zu Saisonbeginn Aufräumaktionen in ihren Fanggründen. Daher gefällt ihnen das Vorhaben, die Isargäste auf ihre unverantwortliche Nutzung aufmerksam zu machen. Noch im Sommer 2010 beschließen sie, weitere Plakate zu finanzieren. Über den Verbund entsteht auch der Kontakt ins Münchner Rathaus. Der damalige Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) übernimmt im selben Jahr die Schirmherrschaft für das Engagement. Allerdings beklagt Keitel rückblickend, dass die Zusammenarbeit mit der Stadt langwierig, die finanzielle Unterstützung recht beschränkt und die Slogans langweilige Kompromisslösungen gewesen seien.

Durch die Aktion Müllfee, bei der junge Frauen Müllsäcke an Isargäste verteilen und dafür T-Shirts mit dem Spruch „Müllfee? Mach’s dir doch selber“ tragen, gerät das Umweltprojekt in die Kritik. Für Münchner Verhältnisse scheint dieser Aufdruck zu provokant. Sowohl von Seiten der Süddeutsche Zeitung als auch der Grünen-Stadtratsfraktion wird der Vorwurf laut, sexistische Parolen zu verbreiten. Keitel lacht am anderen Ende der Telefonleitung, als er berichtet, dass hier, wie schon bei der ersten Aktion, die kontroversen Sprüche für Aufmerksamkeit und neue Sponsor*innen sorgten.

Nachdem 2013 die Isarfischer aussteigen und der Oberbürgermeister im darauffolgendem Jahr neu gewählt wird, fallen die bisherigen Geldgebenden weg. Durch den Medienrummel aufmerksam geworden, bietet sich indes Paulaner 2014 als neuer Unterstützer an. Mit der großzügigen Finanzierung durch die Brauerei kann der nun neu gegründete Verein Deine Isar neben weiteren Plakaten und Seminaren für Schulklassen auch aufwendige Kinospots und eine Tauschbörse umsetzen, bei der man an einer Rikscha den gesammelten Müll gegen kühle Getränke einlöst.

Und die Ideen gehen dem Ein-Mann-Verein nicht aus. Für diesen Sommer bereits geplant war ein Sauber-Picknick, bei dem die Ausflügler*innen im Zeitraffer von einem Kirchturm aus gefilmt werden. Mit Einbruch der Dämmerung werden Kerzen angezündet und dadurch der Schriftzug „Für eine saubere Isar“ erkennbar. Aufwendig werden dürften solche Großprojekte vor allem durch das Einbinden der Münchner*innen, aber so wird die Wertschätzung für die Isar und die Verantwortung, die alle für ihren Erhalt übernehmen, deutlich.

Aus Müll wird partizipative Kunst

Auch beim Müllfisch, eine Art transparenter Container in Fischform, dürfen sich Schulkinder einbringen. Der Abfall, den sie während der Flussführung gesammelt haben, soll hier entsorgt oder aus kleineren Plastikteilen eigene Meerestiere gebastelt werden. Keitel stellt sich vor, dass diese an einer Schnur aufgehängt dem großen Müllfisch Gesellschaft leisten werden. Andere soziale Einrichtungen übernehmen wochenweise die Partnerschaft für die Installation und leeren den Müll.

Das Kunstwerk, welches der Werbedesigner dieser Tage selbst anfertigt, unterstützt der Bezirk Obergiesing-Fasangarten gemäß Sitzungsprotokoll vom 26. November 2019 mit 21.600 Euro. In Zukunft soll es auf dem Giesinger Bahnhofsplatz stehen. Von dort wird es an das Problem des Plastikmülls im Stadtfluss und den Weltmeeren aufmerksam machen.

Keitel zeigt, dass Umweltschutz auch lokal stattfinden muss und macht mit seinen vielfältigen Projekten auf Unverantwortlichkeit im öffentlichen Raum aufmerksam. Dennoch würde er das erste seiner Plakate, das vor gut neun Jahren entstanden ist, heute in der Form nicht mehr drucken, gesteht er am Telefon. Zielführender als zu beleidigen und provozieren, das hat er offenkundig gelernt, sind Witz, Kreativität und Einbindung. Das Unverständnis über die Vermüllung der Isarufer und den Wunsch, dem etwas entgegenzusetzen, versichert er, sei jedoch noch immer das gleiche. Hartmut Keitel wirkt besonnen, wenn er sagt: „Mir geht es gut hier und ich möchte der Stadt, die mir so viel bietet, etwas zurückgeben.“

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