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Entwicklungsgeschichte einer Hausarbeit

Was passiert an der „Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“ im Philologicum? Über Schreibleichen, Prokrastination und den Kampf gegen das Aufgeben.

© Fotos: Mirjam Papperitz

Von Mirjam Lisa Papperitz

„Es ist wie ein Abenteuer. Das Abenteuer, die Reise ins Unbekannte zu wagen, aufzubrechen, unterwegs zu sein. So ähnlich funktioniert schreiben auch.“ Mit diesen Worten ermutigt Cornelia Rémi die Teilnehmenden des Workshops „Schreib dich bereit“. Der Workshop ist eines von vielen Angeboten im Rahmen der „Langen Nacht der Aufgeschobenen Hausarbeiten“, die das Schreibzentrum der LMU regelmäßig ausrichtet.

Das Philologicum hat an diesem Abend seine Türen weit geöffnet. Es werden Schreibwillige aus allen Ecken der Universität erwartet, denn die Fakultätsbibliothek ist heute Gastgeber der Veranstaltung. Es ist der erste Donnerstag im März und draußen ist das Wetter gerade so wenig frühlingshaft, dass der Gedanke daran, sich für eine längere Zeit einem bald fälligen Leistungsnachweis zu widmen, gar nicht mehr so unangenehm erscheint.

Wenn du deine Hausarbeit wärst …

Der freundliche Empfang am Check-In, das Snack-Buffet für energielose Schreibleichen und die verschiedenen Workshops tun ihr Übriges dazu, den Aufenthalt zu versüßen. Es haben sich an diesem Abend einige der Prokrastination widersetzt und in den frisch renovierten Räumen der Bibliothek eingefunden. So auch im Workshop von Rémi, die den Teilnehmenden verschiedene Aufgaben stellt, um sie für das Projekt Hausarbeit zu wappnen. Die Übungen sollen dazu dienen, die eigene Motivation zu stärken und einen Bezug zu dem zu verfassenden Schriftstück herzustellen. Da wird gezeichnet, sich untereinander ausgetauscht und im Schreibvorhaben ermutigt.

Dann sollen die Teilnehmenden auf einmal aus der Sicht ihrer Hausarbeit an sich selbst schreiben, indem sie Sätze vervollständigen und weiterführen. „Also, Mirjam, mit dir ist es schon ziemlich anstrengend, denn du kommst einfach nicht zum Punkt!“, sagt meine Hausarbeit zu mir. Sie klingt aufgebracht. „Und wo ist eigentlich der rote Faden geblieben?“ Dann schiebt sie allerdings noch versöhnlich hinterher: „Deine Denkansätze gefallen mir.“

Nachdem die Hausarbeiten wieder verstummt sind und der Workshop zu Ende ist, strömen die Studierenden aus dem Raum, hinauf in die Schreib Säle in den oberen Etagen, hinein in die unbekannten Weiten ihrer Schreibabenteuers. Man lässt sich auf Sitzbänken im Foyer, an denen sich bereits andere Mutige versammelt haben nieder, bewaffnet mit Papier und Stift, vorwiegend aber mit Laptop und Ladekabel sowie Snack-Rationen vom kostenlosen Buffet. Für eine Stunde sind das Tippen der Tastatur, gelegentliche Gesprächsfetzen und die Entwicklung der Textstruktur weitgehend das Einzige, was das Denken einnimmt.

Wie wichtig Weggefährt*innen sind

Kurz nach sechs beginnt der nächste Workshop, eine kleine Übungseinheit im „Überarbeiten wissenschaftlicher Texte“. Kurz darauf stürze ich mich wieder ins Schreiben. Na ja, fast. Ich muss doch zugeben, dass meine Konzentration nicht konstant gleich bleibt und meine Gedanken hin und wieder zu Überlegungen wie „Ich will nicht mehr“ und „Ich könnte ja zuhause weitermachen“ abschweifen, doch hier heißt es eben: standhalten und den Kampf gegen die Prokrastination fortsetzen.

Wäre ich zuhause gewesen, hätte ich mich vielleicht einfach geschlagen gegeben. Im Philologicum jedoch, umringt von vielen anderen Mitstreitenden und Weggefährt*innen im Kampf um den Fortschritt und das Ende der Hausarbeit, entsteht so etwas wie eine ganz besondere Motivation. Vielleicht ist es auch der Gedanke, dass man umsonst hergekommen wäre. Aber am Ende des Tages, am Ende der Langen Nacht, sind alle immerhin ein Stück weitergekommen auf ihrer Reise, selbst wenn es nur eine Seite ist. Und vielleicht haben manche ja dann auch erkannt, dass sich die Hausarbeit vom quälenden Kampf zur spannenden Herausforderung wenden kann.

 

Hinweis: Der Text entstand, bevor die Maßnahmen im Zuge der Ausbreitung des Coronavirus zu größeren Einschränkungen des öffentlichen Lebens geführt haben. Viele Fachbereiche haben die Abgabefristen für Hausarbeiten inzwischen verlängert, zur Erleichterung ihrer Studierenden. Alle Infos zum Umgang mit der Pandemie an der LMU findet ihr auf dieser Seite sowie über die jeweiligen Fachbereiche; diverse Fachschaften geben ebenfalls Auskunft.

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