Wie das Münchner Social Start-up uncutbread mit nur sechs Punkten und drei Strichen anderen dabei helfen will, die Welt ein kleines Stück besser zu machen. Ein Porträt.
Von Clara Löffler
Anna Fink ist eine echte Powerfrau. Die ganze Nacht hat die 36-Jährige an der Webseite für ihr Social Start-up uncutbread gebastelt. Tagsüber bleibt ihr dafür neben ihrem Vollzeitjob als PR-Managerin und der Familie wenig Zeit. Doch von Müdigkeit keine Spur. „Ich glaube, der Trick ist, für sich etwas zu finden, was erfüllt.“ Genauso wichtig aber sei es, auch mal über seinen Schatten zu springen und um Hilfe zu bitten, sagt die Mutter einer knapp dreijährigen Tochter. Von der wurde sie Mitte vergangenen Jahres zur Gründung ihres Onlineshops inspiriert, begann zunächst T-Shirts zu verkaufen, später Sweatshirts und neuerdings auch Hoodies.
Die Hälfte des Gewinns geht an ausgewählte Hilfsorganisationen. Im Corona-Modus gehen derzeit aus einer der Kollektionen die vollen 100 Prozent an die Organisation Madamfo Ghana. Aus einer eigentlich bereits anderweitig verplanten Kollektion geht der Gewinn nun kurzerhand an medizinische Einrichtungen, Vereine, Organisationen, Projekte und Menschen in Not; hierfür suche sie aber noch nach lokalen oder regionalen Partner*innen, die Unterstützung benötigen, sagt Fink. Empfehlungen nimmt das Start-up unter wehelp@uncutbread.com entgegen.
Hälfte des Gewinns geht an Hilfsorganisationen
Früher ein Workaholic aus Überzeugung, ließ Fink die Frage nach dem Sinn des Lebens, das Bedürfnis, bewusster mit ihrer Lebenszeit umzugehen, nach der Geburt ihres ersten Kindes nicht mehr los. „Ich habe mich gefragt: Was erzähle ich eigentlich meinen Kindern in 20 Jahren, was wir für die Welt geleistet haben? Ich will ihnen mit erhobenem Haupt in die Augen schauen und sagen können: Mit den begrenzten Möglichkeiten, die mir zur Verfügung standen, habe ich zumindest versucht, einen kleinen Unterschied zu machen.“
Insbesondere die Bedeutung des Teilens würden immer mehr Erwachsene außerhalb ihrer vier Wände und der Kindererziehung aus den Augen verlieren, meint Anna Fink und hat sich mit dem Geschäftsmodell ihrer Marke genau diesem Kernwert verschrieben. Das mag in der Modebranche derzeit als Trend gelten und stets mit Vorsicht zu genießen sein. Doch man merkt ihr sofort an, dass kein Greenwashing, keine irreführende PR-Maßnahme dahintersteckt – die Gründerin aus Planegg handelt aus Überzeugung. Kommt sie auf die Arbeit der vier Non-Profit-Organisationen zu sprechen, die uncutbread derzeit unterstützt, schwingt tiefe Bewunderung in ihrer Stimme mit.
Als erstes konnte sie die reNature Foundation ins Boot holen. Die Organisation hat es sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 weltweit eine Million Hektar gerodete Flächen so aufzuforsten, dass die Landwirtschaft unter anderem nachhaltige Naturfasern für die Modeindustrie zur Verfügung stellen kann. Hinzu kam unter anderem die Turtle Foundation, ein internationaler Verbund zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Meeresschildkröten und ihrer Lebensräume. Dessen Helfer*innen setzen regelmäßig ihr Leben aufs Spiel, wenn sie von Wilderer*innen angegriffen werden. Obwohl die Jagd in vielen Ländern verboten ist, gilt das Fleisch der Reptilien noch immer als Delikatesse. Geht es um die Auswahl der Projekte, hat Anna Fink keinen Kriterienkatalog. Vielmehr tritt sie meist auf Empfehlung von Bekannten in Kontakt mit den Organisationen und lässt dann ihr Bauchgefühl entscheiden.
Auch wenn T-Shirts und Co. eigentlich nicht im Mittelpunkt stehen, weiß Anna Fink, dass nicht jede*r dazu bereit ist, sich ausführlich über die Projekte zu informieren. „Da zählt einfach der erste Eindruck und das ist der Look.“ Der überzeugt mit der selben Cleverness und Simplizität wie auch das Konzept. Alle darauf abgebildeten Symbole bestehen aus nur sechs Punkten und drei Strichen, dem Morsecode für SOS. Jede Hilfsorganisation hat ihr eigenes. So können Kund*innen selbst entscheiden, wen sie mit dem Kauf unterstützen. Aus welchem Grund gespendet wird, ist Anna Fink dabei egal. „Hauptsache, es passiert, damit sich etwas tut.“
Die Kleidung bezieht das Start-up von einem belgischen Produzenten, der in Bangladesch produziert. Seit fast zehn Jahren trägt er das Siegel des Global Organic Textile Standard (GOTS), das strenge ökologische Kriterien entlang der gesamten Produktionskette vorschreibt. So müssen die Textilien unter anderem zu mindestens 70 Prozent aus biologisch angebauten Fasern bestehen. Außerdem hat er sich gemäß den Vorgaben der Fair Wear Foundation dazu verpflichtet, die Arbeitsbedingungen der Näher*innen kontinuierlich zu verbessern. Das heißt zum Beispiel, existenzsichernde Löhne zu bezahlen.
Das grüne Gesamtpaket muss stimmen
Ihr sei es von Anfang an wichtig gewesen, mit Dienstleistungsunternehmen und Produzierenden zusammenzuarbeiten, mit denen sie die gleiche Grundüberzeugung teile, sagt Anna Fink. Die nicht nur einen grünen Zweig hätten, sondern eine grüne Wurzel. Dazu gehöre nicht nur die Verpackung aus kompostierbarem Graskarton, sondern auch ein nachhaltiger Anbieter der Webseite. „Wir sind noch lange nicht da, wo wir sein wollen und wo wir sein müssen, aber es ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung.“
Zwar steht die Gründerin mit ihrem Vorhaben noch ganz am Anfang, doch es wirkt, als würde sie am liebsten die ganze Welt retten. Letztlich gehe es ihr um alle Bereiche, in denen noch Optimierungsbedarf bestehe, „was nicht so läuft wie geschnitten Brot“. Ob in der Gesellschaft oder im Klima- oder Artenschutz. „Damit alles wieder ein bisschen bunter wird und gesünder.“ Daher auch der Name: uncutbread. Sie selbst wolle nicht länger entscheiden müssen, welches Schicksal das wichtigere und welches Projekt unterstützenswert ist. Vielmehr hofft Anna Fink, sich als Marke mit großer Strahlkraft zu etablieren, die noch mehr Projektpartner*innen anzieht, um so auch die Themenvielfalt zu erhöhen.
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