Online Unileben

Die digitale Zukunft lehren und leben

In ingenieurwissenschaftlichen Fachbereichen sind digitale Medien oft Grundvoraussetzung. Wie vor diesem Hintergrund Digitalisierung passiert: Eine Studentin der Informationslogistik berichtet.

Die RFID-Messkammer der Hochschule für Technik Stuttgart: Mit dem Einsatz von Augmented Reality Brillen verschwimmen die Grenzen zwischen realen und digitalen Laboreinrichtungen © Fotos: HFT Stuttgart (2), privat (1)

Ein Gastbeitrag von Marlies Goes

Wer morgen in einem technischen Beruf mit der rasanten technologischen Entwicklung mithalten möchte, muss heute im Studium darauf vorbereitet werden. Gerade für Studierende in den Ingenieurwissenschaften bedeutet Digitalisierung nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, bestimmte Computerprogramme bedienen zu können. Denn diese sind meist nach drei Jahren schon wieder veraltet. Nein, man muss lernen, alle erforderlichen Programme bedienen zu können. Die zentrale Fähigkeit, sich kontinulierlich neues Wissen anzueigenen, muss bereits im Studium immer wieder trainiert werden. Ein Blick in den Studienalltag lässt schnell deutlich werden, was das heißt.

Das Fachgebiet von Jan Seedorf, Professor an der Hochschule für Technik Stuttgart (HFT Stuttgart), ist Cyber-Security. Er hat für seine Vorlesungen ein Labor eingerichtet, in dem Studierende sich an einem abgeschotteten Server austoben können. Hier sind vor allem Kreativität und Eigeninitiative gefordert. „Das ist eine Lernumgebung, in der die Studierenden keine Anleitung haben, sondern wie in einem Open World Adventure loslegen können“, so Seedorf. „Das ist für mich der höchste Grad der Digitalisierung.“ Und dieser erfordert von Studierenden die Bereitschaft, sich immer wieder auf Neues einzulassen, um IT-sichere Lösungen zu generieren.

„Schlag den Prof“ und Hacker-Spielwiesen

Ein anderes Beispiel aus der Informatik kommt aus dem Bereich Künstliche Intelligenz (KI). Jörg Homberger lässt die KI-Programme seiner Studierenden in einer Art virtuellen Arena gegeneinander antreten: „Es gibt viele Optimierungsprobleme, von denen keiner die optimale Lösung kennt. Es gibt also kein Richtig oder Falsch.“ Homberger veranstaltet darum seit zehn Jahren „Schlag den Prof“: Die Studierenden können ihre Programme auf eine Plattform laden, wo ein automatischer Vergleich mit den Lösungen der Kommiliton*innen stattfindet. Dann müssen die Teilnehmer*innen eigenständig überlegen, wie sie ihre Lösung noch optimieren können, um am Ende sogar besser als der Professor abzuschneiden.

Während Informatik ausschließlich virtuelle Umgebungen benötigt, spielt in anderen ingenieurwissenschaftlichen Fachrichtungen die greifbare Welt eine tragende Rolle. Die Informationslogistik ist ein Beispiel dafür. In diesem praxisorientierten Studiengang lernen die Studierenden, wie logistische Aktivitäten mit Informations- und Kommunikationstechnik unterstützt und optimiert werden können. So wird beispielsweise RFID-Technologie (Radio Frequency Identification) eingesetzt, um Ware zu identifizieren und entlang der Wertschöpfungskette zu verfolgen.

Um den Nachwuchs-Logistiker*innen den Umgang mit RFID zu vermitteln, wurde an der HFT Stuttgart eine Messkammer eingerichtet. Dort können RFID-Tags in verschiedenen Experimenten getestet werden. Zukünftig soll die Kammer auch per Fernzugriff betrieben werden: Das Forschungsprojekt DigiLab4U erweitert das Labor derzeit durch Robotertechnik, sodass auch andere Standorte von der Laboreinrichtung profitieren können. Konkret heißt das: Studierende und externe Nutzer*innen können ortsunabhängig über eine Online-Lernplattform auf das reale Labor zugreifen. Dabei wird der individuelle Lernfortschritt auf der Plattform mit Learning Analytics analysiert und visualisiert. Das erfolgreiche Abschließen von Lerneinheiten wird mit entsprechenden Badges zertifiziert.

Lehrende und Lernende oder beides in einem?

Dititalisierung in digitalaffinen Fachebereichen könnte also so aussehen: eine möglichst realitätsnahe Simulation späterer Arbeitsumgebungen, motivierte Studierende durch Gamification und genauso motivierte Professor*innen sowie individuelle Unterstützung dank Learning Analytics. Auch Studierende müssen also ihren Teil zur Digitalisierung der Lehre beitragen. Dazu gehört sicherlich, sich auf neue Konzepte einzulassen, konstruktiv zu kritisieren, aber auch selbst Initiative zu ergreifen. So wünscht es sich auch Jan Seedorf: „Wenn die Vorschläge für Tools von den Studierenden selbst kommen, dann ist für mich die Motivation natürlich auch größer, mich in etwas einzuarbeiten.“

 

Marlies Goes ist 23 Jahre alt und studiert Informationslogistik an der Hochschule für Technik in Stuttgart. Im Rahmen ihres Studiums hat sie sich mit dem Thema Digitalisierung in den Ingenieurwissenschaften beschäftigt.

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