Kommentar

„Warum können die nicht einfach Salat und Tofu fressen?“

Fake Meat ist ein Triggerwort für eingefleischte Fans von Steaks und Co. Warum Leute sich freiwillig dafür entscheiden sich von Fleischersatzprodukten täuschen zu lassen, ist dabei für viele ein Rätsel. Ein Kommentar.

Die Supermärkte bieten ein breites Sortiment an Fleischersatzprodukten. ©Wikimedia/Tischbeinahe

Von David Vocke.

Wenn der Veganer sich schon unbedingt auf den kulinarischen Irrweg begeben muss, dem reichhaltigen Erbe köstlich zubereiteten Fleisches den Krieg zu erklären, dann soll er doch bitte auch bei seinem Salat bleiben. Stattdessen versucht er mit in Fabriken zusammengepanschten Chemikalien das zu imitieren, was er eigentlich geschworen hatte nicht mehr zu essen. Ein Widerspruch oder zumindest ein angeblicher Widerspruch, fragt man eine Veganerin, wie das fleischessende soziale Umfeld kommentiert, wenn sie mal nicht Salat oder Tofu, sondern vegane Chicken Nuggets auf dem Teller hat. Es scheint dem Fleischesser lieber zu sein, wenn der Veganer sich von der letzten sakrosankten Bastion von Freiheit und Männlichkeit komplett fernhält, als dass er mit seinen Würstchen aus Erbsenprotein weiterhin, genauso wie er es gewohnt war, als er noch Fleisch aß, am Grillabend teilnimmt. 

Die langweiligen Fakten

Tatsächliche Diskussionen um das Für und Wider des Fake-Fleisches sind aber leider eher langweilig. Der Grund dafür ist nämlich eindeutig: Offensichtlich verzichten Veganer*innen nicht wegen einer grundsätzlichen Abneigung gegen Fleisch in seinem geschmacklichen und strukturellen Dasein, sondern auf Grundlage all der schönen moralisch aufgeladenen Begriffe, wie Klima, Tierleid und Antibiotikaresistenz, gegen welche die meisten wohl in einer Art Selbstschutz gegen moralische Überforderung längst eine Toleranz entwickelt haben dürften. Der gesundheitliche Aspekt ist da schon etwas ambiger. Gesundheit von Nahrungsmitteln ist immer ein Thema, aussagekräftige Studien sind hier eher Ausnahmen als die Regel sind. Die WHO hält rotes Fleisch für „wahrscheinlich krebserregend“ und für einen Auslöser verschiedener anderer gesundheitlicher Schäden, bei anderem Fleisch fällt das Urteil wissenschaftlicher Untersuchungen weniger negativ aus. Wie verschiedene Fleischersatzprodukte dagegen abschneiden, unterscheidet sich dann im Einzelfall je nach Zusammensetzung.

Fake-Meat: „Yes, please“ oder „No thank you“?

Ja, veganes oder vegetarisches Fleisch ist dafür da, uns zu täuschen – aber durch sein edles Ziel, die Welt besser zu machen, weit davon entfernt, uns als Gesamtkonzept zu enttäuschen. Wer seiner moralischen Verpflichtung, auf Fleisch zu verzichten, ohne zu große Umgewöhnung seiner Lustroutinen nachkommen möchte, kann Fleischersatzprodukte effizient dafür einsetzen. Aber nötig für eine vegane Ernährung ist das nicht. Meine Partnerin, die aus Indien stammt, ernährt sich wie ein bedeutender Teil der dortigen Bevölkerung vegetarisch. Das Konzept von Fleischimitat kommt ihr aber auch nach einiger Zeit in Deutschland immer noch größtenteils absurd vor. Eine Küche, die sich aufgrund von religiös kultureller Prägung vegetarisch entwickelt hat, bedarf natürlich auch keines Fleischersatzes. Erst nachdem wir einige Male gemeinsam das vegane Gericht, welches einsam, wenn überhaupt vorhanden, auf der Karte bayerischer Landgasthöfe steht, probieren mussten, wurde auch ihr klar, warum die Veganisierung der deutschen Küche Umamiklumpen nötig hat.

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