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#KlimaCampus: Vom Meckern über Plastikstrohhalme bis in den Senat

Wie ich vom Klimaaktivismus über eine eigene Nachhaltigkeitsliste zur Studierendenvertretung kam: Eine Studentin der Hochschule München berichtet.

Vor der Kommunalwahl 2020 haben wir gezeigt, dass das Kreuzchen in der Wahlkabine unbedingt beim Klimaschutz gemacht werden sollte © Foto: Charlotte Franz

Ein Gastbeitrag von Lola Zschiedrich

„Sich neben einem fordernden Vollzeit-Studium auch noch ehrenamtlich für Klimagerechtigkeit engagieren?! Ich hab doch schon so genug zu tun!“ Das dachte ich zumindest am Anfang, dabei ist es eigentlich gar nicht so abwegig. Ich nehme euch mal kurz mit, wie ich als Studentin dem Aktivismus verfallen bin und woher ich meine Motivation für ein Amt an der Hochschule München (HM) nehme.

Der Prozess, sich mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen, fängt oft bei einem selbst an. Meist weiß man gar nicht mehr genau, was der Auslöser war. Bilder von vergifteten Möwen in Ölpfützen am Strand? Nachrichten über brennende Wälder? Das Paris-Abkommen im Französisch-Unterricht? Dann greift man lieber für ein besseres Gewissen zu plastikfreien Bio-Produkten und unterschreibt hier und da eine Online-Petition oder spendet an eine Umwelt-Organisation. Nach der Schule dann die Qual der Wahl: aus Tausenden den einen passenden Studiengang zu finden, der einen wirklich interessiert.

Ein veganes Café eröffnen? Zu wenig, ich wollte Hebel für größere Zusammenhänge finden

Lässt sich das nicht verbinden? Kann ich auch lernen, Lösungen zu entwickeln oder zumindest nicht mit meiner Studien- und danach Berufswahl die bestehenden Probleme verstärken? Ich bin schließlich bei „Management sozialer Innovationen“ an der HM gelandet. Die Inspiration dazu kam von einem Freund, einem Träumer, der Pläne hatte, mit einem Food-Forest in Afrika das brache Land aufzuforsten und die Bevölkerung vor Ort zu ernähren: mit Permakultur und Hightech-Drohnen, die Früchte pflücken. Das klang für mich etwas unrealistisch groß, aber auf der anderen Seite hat es mir als mein Lebensziel nicht ausgereicht, nur ein kleines veganes Café zu eröffnen – and that’s it. Ich wollte Hebel für größere Zusammenhänge finden. Dieses Studium ist eine super Entscheidung gewesen, die vielfältigen Ansatzpunkte für positive Veränderungen zu entdecken.

Sich mit Freunden über Lifestyleveränderungen auszutauschen und seine Zero-Waste-Ausstattung im Bad zu perfektionieren, war für mich der nächste Schritt, sowie Radln, pflanzliche Ernährung, etc. – ihr kennt die Tipps. Und dann kommt man mit anderen ins Gespräch, die nicht die gleiche Entwicklung machen und die sich nicht von mir die Augen öffnen lassen wollten. Das frustriert, wenn Mitmenschen nichts von dem Gemecker über Einwegplastik und das Schmelzen der Gletscher hören wollen.

Das war der Punkt, an dem ich dachte: „Wenn ich mein eigenes Leben kaum noch nachhaltiger führen kann und die Leute in meinem direkten Umfeld sich nicht für tatsächliche, nachhaltige Verbesserungen interessieren, dann muss ich mich wohl politisch oder gesellschaftlich engagieren.“ Statt gefühlt vor Ärger über die Untätigkeit anderer zu platzen, habe ich dann nach aktiven Gruppen gesucht, in denen ich mich einbringen kann.

Nach der Kommunalwahl hatte ich es satt, Sprüche zu schreien, die ignoriert oder belächelt werden

Lola Zschiedrich © Foto: Matthias Stübinger

Bei der Klimakneipe von Students for Future konnte ich dann endlich mit neuen Leuten darauf anstoßen, die mit großen Augen und wilder Gestik mit diskutierten, also mit der gleichen Begeisterung wie ich für klimagerechte Veränderungen brannten. Die Bewegung hat mich so in den Bann gezogen, dass ich in fast jeder Arbeitsgruppe – von der AG-Koordination bis zur AG-Spontan-Aktionen und als bundesweite Delegierte – meine Ideen versprühte. Wir haben mega viel zusammen ausprobiert, gestreikt, Skills geteilt und bis tief in die Nacht pleniert. Für mein Praxissemester entschied ich mich für den Verein „Netzwerk Klimaherbst“. Dort zu arbeiten, hat sich super ergänzt, da sich die Community hilfsbereit gegenseitig unterstützt.

Doch nach dem Hype, die bayerische Kommunalwahl zur Klimawahl zu machen, hatte ich es satt, auf der Straße Sprüche zu schreien, die leider noch viel zu oft ignoriert oder belächelt werden. Und ich hatte es satt, für alternative Bildungsprojekte um Spendengelder zu bangen. Ich wollte mit an den Tisch, an dem Entscheidungen getroffen werden. Und während wir in dieser höchst wissenschaftlich fundierten Debatte versuchten, an die Verantwortung ALLER Münchner Universitäten zu appellieren, blieb ich bei Students for Future doch die einzige Studentin der HM.

Dann kam die perfekte Gelegenheit: die Hochschulwahlen. Studentische Vertreter*innen für die Fakultätsräte, das Parlament (StuPa) und den Senat wurden gesucht. Let’s try, oder? Mit anderen zu diskutieren, abzustimmen, mit Abgeordneten zu reden und den Flohhaufen von Studierenden beisammen und motiviert zu halten – darin bin ich schon geübt. Also habe ich Studis für’s StuPa zusammengetrommelt, zu einer eigenen Liste: „The Sustainables“.

Sieben der neun Kandidat*innen von „The Sustainables“ jetzt im StuPa

Mit verschiedene Hintergründen und Erfahrungen in den Bereichen Gendergerechtigkeit, Partizipationsgestaltung, Tier- und Klimaschutz haben wir uns in kürzester Zeit unsere Herzensthemen zum Programm gemacht und uns ökologische Nachhaltigkeit, demokratische Beteiligung und Diversität auf die Fahne geschrieben. Wow und sieben von neun unserer Listenkandidat*innen wurden mit super vielen Stimmen gewählt!

Jetzt ist es an der Zeit, dass die Hochschulen, die uns auf unsere (berufliche) Zukunft vorbereiten, auch eine lebenswerte, klimagerechte Zukunft ermöglichen. Die neuen Erstis haben ihr Abi zwischen Klimastreiks und Krisenpolitik geschrieben. Ich möchte die Interessen der Studierenden nun im Senat und als Vorsitzende des studentischen Parlaments vertreten und werde dafür sorgen, dass kein Bogen um unsere zentralen Zukunftsfragen gemacht wird. Auch in den Vorlesungen sollte kontinuierlich reflektiert werden, was der eigene Fachbereich zu einer nachhaltigen Gesellschaft beitragen kann. Hey, Hochschule! Wo bleibt der vorbildhafte klimaneutrale Betrieb? Change is coming, liebe Kommiliton*innen und wir können schon vor unserem Abschluss eine nachhaltige Zukunft mitgestalten.

P.S.: Hey, du! Du kannst dich an deiner Hochschule auch ohne Wahlgang für Nachhaltigkeit einsetzen! Beim Referat für nachhaltige Entwicklung der StuVe der HM oder dem Umweltreferat deiner Uni! Je mehr motivierte Leute, desto mehr Projekte wie Ringvorlesungen, eine Gesamtstrategie oder eine grüne Umgestaltung des Campus können umgesetzt werden.

 

Unter #KlimaCampus schreiben unter anderem Aktivist*innen von Students for Future München sowie Mitglieder der Umweltreferate von LMU und TUM über Umwelt- und Klimathemen im Zusammenhang der Münchner Hochschulen. Für die Inhalte zeichnen allein die jeweiligen Organisationen verantwortlich. Alle Beiträge der Serie hier nachlesen.

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