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“Es ist alles eher undurchsichtig”

Das sagt Stefan Schröder vom Substanz über die Corona-Maßnahmen für Bars. Im Interview spricht der Chef der Münchner Kultstätte über Flexibilität in der Krise, Kultur während der Pandemie und Feierabendbier. 

Bier aus dem Zapfhahn, Getränke an der Theke, im Barhocker versumpfen: Das war alles in den vergangenen Wochen nicht möglich. Stefan Schröder hofft auf ein besseres 2021. © Foto: Republica

Das Gespräch führte Max Fluder

Werde ich in einem Jahr noch ein Feierabendbier im Substanz trinken können?
Auf jeden Fall. Du wirst in einem Jahr das leckerste Bier aller Zeiten trinken können.

Wie sehr trifft euch der zweite Lockdown?
Persönlich finde ich den zweiten nicht so hart wie den ersten Lockdown. Der Lockdown gibt die Gewissheit, dass du zu hast. Die Zustände davor – Sperrstunde um 22 Uhr, wenn der Wert steigt, dann um 21 Uhr – waren so, dass du Tag für Tag nicht wirklich wusstest, was heute für eine Regel gilt. Jetzt ist klar: Es ist zu und das gilt für alle. Du kannst jetzt, wo zu ist, Sachen machen, zu denen du im laufenden Betrieb niemals kommen würdest. Wir nutzen die Zeit gerade, um den Laden zu renovieren und auf Vordermann zu bringen. Wir versuchen der Situation etwas Positives abzugewinnen. Man muss schon sagen, dass die wirtschaftliche Hilfe mit dem zweiten Lockdown deutlich besser ist als am Anfang von 2020 war. Zumindest teilweise.

Das heißt?
Wir würden natürlich lieber offen haben, aber wenn wir aufsperren soll es auch Sinn ergeben. Das Substanz hat halt eher ein Zielpublikum, das um 22 Uhr kommt. Wenn ich um 21 Uhr schon zusperren muss, dann bringt mir das nichts.

Kamen die Überbrückungshilfen denn schon an?
Es gab eine erste Abschlagszahlung, der Rest kam noch nicht.

Findest du es gerecht, dass die Gastronomie zuerst schließen musste, wenn jetzt doch wieder fast alles zu ist?
Es ist natürlich insofern ein Schlag ins Gesicht, weil du dir vornimmst, alle Vorschriften umzusetzen und das auch tust. Ohne dass es einen nachvollziehbaren Fall gibt, dass Veranstaltungen, Konzerte und Kneipen Pandemietreiber sind, lassen sie uns zusperren und die U-Bahn fährt trotzdem vollgestopft weiter. Aber ich finde es mühselig, das zu hinterfragen. Denn ich denke, keiner trifft diese Entscheidung gerne. zögert Wie soll man so blöd sagen? Am Anfang wird halt der Spaß verboten.

Gibt es denn eine Maßnahme, die dir besonders viel Kopfschmerzen bereitet?
Es ist alles eher undurchsichtig, was die Maßnahmen und Regeln angeht. Da gibt es ganz viel Spielraum und Auslegungssache. Tragisch ist, dass wir die Plätze an der Bar schließen mussten, sodass da keiner mehr sitzen durfte. Das klassische Gefühl – ich sitze an der Bar, hebe meinen Arm und bekomme das zweite Feierabendbier – das ist einfach weg. Auch schade ist, dass wir kaum Konzerte veranstalten können. Da sind die Hürden sehr hoch.

Bier und andere Getränke halten sich nicht ewig. Musstet ihr da auch was entsorgen?
Wir haben das in Aufopferung selbstverwertet. lacht Wir haben tatsächlich Säfte und ein wenig Bier, die es nicht geschafft haben. Das hält sich alles zum Glück in Grenzen.

Im Sommer habt ihr vom Substanz angefangen, Frühstück anzubieten. Das war ein Novum.
Das Frühstück war die Idee einer Mitarbeiterin von uns, die selbst gern frühstücken geht und sagt: „Egal, wo du hingehst in München: Überall sind die Frühstücksläden voll“. Bei uns war es nicht so, es gab ein paar gute und ein paar schlechte Wochenenden. Ich glaube das Hauptproblem bei der ganzen Küchengeschichte ist, dass das Substanz nicht fürs Essen bekannt ist. Niemand sagt: „Ach, ich gehe heute ins Substanz für das leckere Frühstück.“ Du hast zwar eine Küche im Angebot, aber die Leute kommen, weil sie ein Bier trinken wollen.

Wie flexibel muss man sein in der Krise?
Ich glaube, du musst sehr flexibel sein und dir ständig neue Dinge einfallen lassen, dass sich die Leute wohl- und sicher bei dir fühlen. Jeder freut sich, wenn er dort hingeht, wo es ihm gefällt. Aber ich finde auch wichtig, dass man eine Überraschung entdecken kann. Sei es in der Deko, auf der Speisekarte oder in den Öffnungszeiten, wenn das denn wieder möglich ist.

Du hast gerade schon von der Zeit für die Umbauarbeiten gesprochen, die jetzt stattfinden. Kannst du denn der Situation noch etwas Positives abgewinnen?
Boah. seufzt Ja, man kann etwas Positives sehen. Du schärfst deine Sinne noch einmal anders. Du siehst Probleme, die du davor nie gesehen hast, die aber trotzdem da waren und du öffnest dich für neue Strukturen in deinem Betrieb. Man geht Sachen an, die man sonst gerne auf die Seite geschoben hat. Die Ausrede gilt einfach nicht mehr.

Das Substanz ist vor allem auch für Veranstaltungen und Konzerte bekannt, die Corona-Regeln machen das aber quasi unmöglich. Woran stoßen sich die Behörden da?
Es ist nicht ganz unmöglich, wir haben auch einige Veranstaltungen gemacht. Du musst halt alle Veranstaltungen komplett bestuhlen und dich an die Abstandsregeln halten. Wenn wir das machen, haben wir eine Kapazität von ungefähr 50 Plätzen. Aber auch nur dann, wenn wir auch hinter die Bar gehen, von wo aus man die Bühne nicht mehr sieht. Im Vergleich: Davor konnten wir bis zu 250 Leute bei einem Konzert hereinlassen. Zudem musst du die Veranstaltung anmelden und der Behörde mitteilen, was die Band macht. Und ich sage es mal so: Sobald da ein Blasinstrument auf der Bühne ist, wird es schwierig. Das ist ganz anders bei einem Fußballspiel. Da kann ich die Leinwände herunterfahren, dann sitzen die Leute da und alles ist gut. Nur weil da jemand auf der Bühne steht und spricht, gelten ganz andere Regeln.

Die Regeln ändern sich ja auch ziemlich schnell.
Ja, so eine Veranstaltung musst du planen und bewerben. Das bedarf eines gewissen Vorlaufs. Wenn ich für Wochen so eine Veranstaltung plane und dann ist drei Tage vor Konzert der Inzidenzwert steigt, dann muss ich alles absagen. Das ist auch anstrengend. Wir haben uns dazu entschlossen, dass wir den normalen Barbetrieb aufrechterhalten. Dazu haben wir uns Kleinigkeiten einfallen lassen. Montags haben wir jetzt immer so ein Pub-Quiz veranstaltet mit dem Monaco F und dem Ding aus dem Sumpf, zwei befreundeten Musikern. Das ist sehr gut angekommen beim Publikum.

Welcher Plan ging nicht auf?
Wir wollten mit einem befreundeten Clubbetreiber DJ-Abende im Substanz machen, die hätten um 22 Uhr angefangen. Dann kam die Sperrstunde um 22 Uhr. Was macht man da? Das Publikum, das da kommt, möchte sich nicht um 17 Uhr oder 18 Uhr in den Club setzen, zumal da viele auch noch arbeiten müssen. Ein paar Tage später kam die Sperrstunde um 21 Uhr und kurz danach war sowieso dicht. Wir haben das dann in die Zukunft verlegt.

Gibt es eine Zeit, an die du dich erinnern kannst, als es schon einmal so eine Sperrstunde gab?
Es gab mal eine in München – auf 23 Uhr, glaube ich – und da hatte das Substanz eine Ausnahmegenehmigung, dass es bis um 1 Uhr aufhaben durfte. Aber so etwas wie jetzt: nö.

Ist schon absehbar, was die erste Veranstaltung nach dem Lockdown wird?
Wir haben ein paar Konzerte für den Herbst gebucht, aber ich kann nicht sagen, was wirklich stattfinden wird. Aber wir haben einen Haufen Ideen, die liegen alle in der Schublade und die verraten wir jetzt auch nicht. Wir freuen uns, wenn man wieder was machen kann und wir werden auch, wenn dann die Beschränkungen gelten, sicher wieder Veranstaltungen machen. 

Was erwartest du fürs neue Jahr?
Ich habe die Hoffnung, dass ein Stück alte Normalität zurückkehrt und dass die Leute gerne und zahlreich kommen, auch wenn ich nicht denke, dass das schon im Januar oder Februar losgeht. Ich habe aber meine Corona-Glaskugel schon vor einer Zeit ins Klo geschmissen. So kann ich nur sagen, dass es losgehen kann, wenn es wieder losgeht. Und dann freue ich mich, wenn viele kommen, Studentenpartys stattfinden und so weiter. Wir haben ein offenes Ohr dafür und stellen gerne unsere Räumlichkeiten zur Verfügung. Wenn jemand eine Fachschaftsfeier oder eine feste Veranstaltung machen möchte, kann er sich melden und wir schauen, wie wir zusammenfinden. Wenn es da wieder mehr gibt, wird das schön. 

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