Seit 2015 spielen die Dirty Red Bandanas eklektischen Indie-Pop. Wir sprechen mit der Münchner Band über ihre kreativen Einflüsse und die Repräsentation von Frauen in der Musikbranche.
Das Gespräch führte Felix Meinert.
Euer Bandname stammt aus Janis Joplins Hit „Me and Bobby McGee“ aus 1971. Inwiefern dienen dieses Lied und das Bandana für euch als kreativer Ansatzpunkt?
LIV: Wir haben bei Auftritten schon immer Bandanas getragen.
LAURA M.: Das lag daran, dass wir nach etwas gesucht haben, wodurch wir als eine Gruppe erkennbar sind.
LIV: Und dann ist uns als einziges Lied, wo „Bandana“ drin vorkommt, dieses eingefallen. (lacht) Ich persönlich habe zu dieser Zeit gerne 60er/70er Singer-Songwriter Storytelling-Musik gehört. In diesem Pool ist das Lied ja auch dabei. Vielleicht könnte man auch die Verbindung dazu ziehen, dass wir in einem Singer-Songwriter-Kurs zusammengefunden haben.
Welche sonstigen kreativen Einflüsse prägen eure Musik?
LAURA B.: Als ich angefangen habe, Bass zu spielen, waren das vor allem Jazz und Big Band. Über die Schule kamen mehr Rock und Pop dazu. Bei mir ist es aber allgemein sehr bassspezifisch.
JULIE: Vor drei Jahren war es Billie Eilish. Da war ich Hardcore-Fan.
LIV: Wir haben alle einen recht unterschiedlichen Geschmack.
LAURA M.: Wenn wir zusammen Musik hören, sind mindestens zwei immer ein bisschen unzufrieden damit. (lacht)
Das bringt mich zu eurem kreativen Abstimmungsprozess. Wie viel Freiraum hat jede Einzelne von euch beim Schreiben und Komponieren? Und wie geht ihr mit Uneinigkeiten um?
LAURA M.: Demokratie! (lacht) Jede darf an sich spielen, was sie will. Wenn wir uns über etwas uneinig sind, machen wir eine demokratische Abstimmung und zwei sind danach beleidigt. Aber es fangen sich schon wieder alle.
LIV: Bei unserer letzten Bandwoche haben wir uns manchmal in Zweiergruppen aufgeteilt. Dann waren wir noch produktiver und die Entscheidungen weniger kompliziert.
LAURA B.: Es gibt Sachen, da ist die eine mehr dabei und bei anderen wieder die andere. Dadurch ist es ausgewogen und niemand wird dauerhaft benachteiligt.
LOTTA: Ich glaub auch, jede hat Lieder, die ihr besser gefallen als andere. Aber am Ende wird da abgewogen.
Könnt ihr noch mehr dazu erzählen, wie ihr als Band zusammengefunden habt?
LAURA M.: In der 7. Klasse haben Hanna und ich uns bei einem Singer-Songwriter-Kurs kennengelernt. Wir kannten Julie und Lotta aus der Schule und haben sie dazu geholt. Nach viel wechselnder Besetzung kam in der 9. Klasse Liv dazu.
LIV: Am Anfang war das noch gar keine richtige Band. Ich hatte z. B. gar keine E-Gitarre.
LAURA M.: Wir haben auch lange gebraucht, eine Bassistin zu finden.
LIV: Als wir eine hatten, ist sie schnell weggezogen. Dann kam Laura B. dazu.
Und was macht ihr jetzt alle neben eurer Bandtätigkeit?
LAURA B.: Laura und ich studieren zusammen Physik.
LAURA M. : Und ich noch zusätzlich Informatik.
LOTTA: Ich wohne gerade in Berlin und will mich zum Wintersemester für Grafik- oder Kommunikationsdesign bewerben.
LIV: Ich bin neulich für ein Studium namens „Elektrotechnik/Toningenieur“ nach Graz gezogen.
JULIE: Ich mach ein FSJ (Freiwilliges Soziales Jahr, Anmerkung der Redaktion)beim Kinderradio.
Zusammen als Band habt ihr das Projekt „Sie ist kein Genre“ ins Leben gerufen. Ihr wollt damit erreichen, dass die Musik von Künstlerinnen nicht mehr auf das Label „weibliche Musik“ reduziert wird. Könnt ihr mehr zu eurer Motivation erzählen?
LAURA M.: Wir wurden schon immer als reine Frauenband betrachtet, aber haben das am Anfang eher als Alleinstellungsmerkmal gesehen – was ja eigentlich schlecht ist. Im Nachhinein habe ich das Gefühl, wir wurden manchmal nur deshalb irgendwo eingeladen.
LIV: Wir finden es cool, wenn beim Booking auf eine halbwegs gleiche Geschlechterverteilung geachtet wird. Aber wir wollen nicht einfach als Frauenband vorgestellt werden, sondern dass sich die Leute unsere Musik tatsächlich anhören und uns dafür ernst nehmen.
LAURA M.: Wir dachten, dass es wahrscheinlich vielen Musikerinnen so geht.
LIV: Und wir wollten Frauen in der Branche sichtbarer machen. Vielleicht trauen sich viele weniger, weil es weniger Vorbilder gibt.
Wie genau setzt ihr euer Projekt um?
LIV: Wir haben über eine Ausschreibung Musikerinnen zusammengesucht. Sie haben uns dann ihre Einflüsse und Musikpräferenzen genannt, sodass wir sie in Gruppen einteilen konnten. Dort können sie einen Song schreiben. Wir geben ihnen die Möglichkeit, das im Studio aufzunehmen. Am Ende soll daraus ein musikalisch vielfältiges Album werden.
LAURA M.: Die Genres und Einflüsse sind tatsächlich sehr verschieden. Wir haben versucht, die Gruppen so zu mischen, dass alle das spielen können, was sie mögen. Wir schreiben aber niemandem ein Genre vor, sondern wollen ihnen ihre künstlerische Freiheit lassen, damit etwas Authentisches entsteht.
Es gibt noch ähnliche Projekte. Der Münchner Elektro-Club „Harry Klein“ veranstaltet jedes Jahr ein Festival, bei dem ausschließlich Frauen* auflegen dürfen. Braucht es eurer Meinung nach mehr solcher Projekte? Und was verhilft Frauen zu mehr Sichtbarkeit und Repräsentation?
LAURA M.: Das Ziel ist natürlich, dass wir solche Events gar nicht mehr brauchen. Sondern dass wir von vornherein überall eine etwa gleiche Geschlechterverteilung haben – und nicht, weil irgendjemand sagt: „Wir brauchen mehr Frauen!“ Bis es so weit ist, muss man darauf achten, nicht einfach ein Geschlecht zu vergessen.
LIV: Ich glaube, solche Events wie im Harry Klein sind da sehr gut. Aber auch bei größeren Festivals sollten die Booker*innen auf ein ausgeglichenes Line-Up achten – nicht wie bei Rock am Ring dieses Jahr, wo knapp zwei Prozent Frauen dabei sind.
LAURA M.. Ich frag mich immer, wie viel so ein Festival mit rein weiblicher Besetzung nützt. Das ist ja dann wieder ein Alleinstellungsmerkmal. Es ist sinnvoll, um die Sichtbarkeit von Frauen zu fördern. Aber man greift halt wieder auf diese Unterscheidung zurück.
LAURA B.: Es sollte nicht der Eindruck entstehen, dann gibt es halt die „Frauenevents“ und „das normale Event“.
Auch ihr sprecht ja gezielt Künstlerinnen an. Habt ihr denn schon mal Kritik für den politischen Aspekt hinter eurem Projekt bekommen?
LIV: Insgesamt war das Feedback weitgehend positiv. Aber wir hatten mal ein Interview, wo das Projekt leider gar nicht verstanden wurde. Die Interviewerin wollte lauter Stereotype von uns hören, auf die wir nicht eingegangen sind. Ich will aber nicht sagen, dass sie aktiv Kritik geübt hat.
LAURA M.: Nein, sie wollte uns einfach nicht verstehen. Sie wollte uns in die Schublade stecken.
Welches Gefühl habt ihr dabei, auf der Bühne zu stehen? Und hat es sich mit der Zeit gewandelt?
LOTTA: Bei unseren ersten Auftritten war ich immer sehr aufgeregt. Dadurch, dass wir aber jetzt schon länger miteinander spielen, dominiert der Spaß.
LAURA B.: Man kriegt auf jeden Fall mehr Routine rein. Da nimmt die Nervosität ab.
LIV: Es ist echt ein tolles Gefühl. Ich glaube, wir hatten in diesem Jahr so viele Auftritte wie noch nie. Inzwischen müssen wir uns nicht zuerst einspielen.