Kulturphilter

Verschwörung in München – Das Computerspiel Hauma

Das Münchner Spielestudio SenAm Games hat dieses Jahr im September das Point&Click-Adventure Hauma – A Detective Noir Story herausgebracht. Das Spiel führt Spielende in die Vergangenheit Münchens und in ein mysteriöses Abenteuer. Ein Gespräch mit dem Entwickler Senad. 

Das Gespräch führte Marlene Beilharz

Philtrat: Würdest du dich kurz vorstellen?

„Mein Name ist Senad. Ich bin seit 2009 in der Spielebranche und habe 2018 unsere Firma in München gegründet. Wir haben mithilfe der Förderung vom FFF Bayern im September unser Debutspiel rausgebracht, das heißt Hauma.“

Philtrat: Gutes Timing – zum Wiesn-Beginn, wo doch das Oktoberfest durchaus wichtig für das Spiel ist.

Genau, es kam am 11. September raus. Das haben wir dann ein bisschen genutzt für das Marketing.

Philtrat: Die Spielmechanik gefällt mir, sie ist einfach und leicht verständlich. Man spielt das Spiel nur mit der Maus. Und es hat mich stark an Kriminalfilme erinnert. Hattet ihr ein konkretes Vorbild?

Es ist ein bisschen Tatort-mäßig. Man ermittelt.

Philtrat: Man verbindet mit einem virtuellen Stift Gedanken und Beweise.

Wir wollten, dass der Spieler Anteil an den Ermittlungen hat. Als Vorbild haben wir uns verschiedene Spiele angeschaut, Kriminal- oder Mysteryspiele. Ein Beispiel ist das Ace Attorney, wobei das anders funktioniert. Da spielt man einen Rechtsanwalt und muss Leute der Tat überführen. Auch hier kombiniert man Gegenstände. Oder z.B. Tangle Tower, da muss man Sätze bilden. Oder Sherlock Holmes Spiele. Da gibt es auch eine Mechanik, bei der man zwei Gedanken verbinden muss. Bei uns ist das dann ein bisschen anders, weil wir das in das Inventar integriert haben.

Philtrat: Inhaltlich und grafisch hat mich das Spiel an Superhelden-Comics erinnert, wenn die Protagonistin Judith auf einmal unerwartet stark wird. Hattet ihr Comic-Vorbilder?

Wir haben uns an verschiedenen Comics orientiert. Zum Beispiel gibt es ein paar italienische, die ich cool finde. Natürlich hatten die Artists und Zeichner auch ihre eigenen Inspirationen. Das waren unter anderen Marvel Geschichten. War es Catwomen? Ich bin mir gerade nicht sicher.

©SenAm-Games

Philtrat: Judiths Bruder JB ist eine Mischung aus Antiheld, Mentor und Gelehrter. Aber am Ende benimmt er sich heldenhaft. Wart ihr von der klassischen Heldenreise inspiriert?

Genau, natürlich mit Variationen. Außerdem gibt es auch diese Detective-Noir-Klischees. Da ist der Detektiv am Anfang immer irgendwie kaputt und trinkt…“

Philtrat: Das ist bei Judith auch so.

Ja. Und es gibt natürlich eine Heldenreise. Und du hast recht mit den Antihelden. Wir wollten das nicht so stereotyp machen, dass unsere Detektivin nur eine Heldin ist, sondern sie soll auch ihre dunklen Seiten haben. Der Charakterbogen ist so, dass sie am Anfang ein bisschen ausgebrannt ist und emotional eigentlich gar nicht anders reagieren kann auf ihren Bruder und die Umwelt als mit Gewalt. Mit der Zeit entwickelt sie sich. Und der Bruder ist ein bisschen der komische Sidekick, was es ja auch oft gibt. Und was wir gemacht haben ist, dass der sehr nervig ist, also sie ist halt sehr genervt von ihm. Er hat auch seine Probleme, hauptsächlich Alkoholmissbrauch. Er ist aber Kunststudent und sehr gebildet. Daher muss sie auch Infos von ihm erhalten.“

Philtrat: Eine gute Mischung.

Die Dynamik zwischen diesen beiden Charakteren ist zentral für die Geschichte.

Philtrat: Auf dem Oktoberfest und auch im Museum findet sich ja eine bunte Menge an Leute, aber Behinderte – gehen die nicht ins Museum oder aufs Oktoberfest? Sorry, das muss ich natürlich fragen.

Stimmt, da können wir uns noch verbessern. Guter Hinweis. Ansonsten hast du sicher gemerkt, dass Diversität uns ein Anliegen war.

©SenAm-Games

Philtrat: Ja, und das gefällt mir auch sehr gut. Und einen Bildungsauftrag gibt es auch noch.

Den wollten wir nicht in den Vordergrund stellen. Aber das Spiel spielt an echten Schauplätzen und so schaffen wir es auch, soziale, historische und kulturelle Themen unterzubekommen.

Philtrat: Das fand ich sehr gut. Eine tolle Sightseeingtour durch München. Wie habt ihr die Orte ausgewählt?

Wenn wir eine Stadt wie München als Setting nehmen, wollen wir das natürlich auch nutzen: Wir überlegen, was sind eigentlich coole Orte oder spektakuläre Schauplätze? Oder auch welche, die man vielleicht kennt, wie z.B. das Oktoberfest mit seiner besonderen Atmosphäre. Oder die Bavaria Statue von innen, wo man spannende Szenen erzählen kann. Die Wittelsbacher Brücke ist sehr visuell – tolle Schauplätze eben. Von der Story oder der Narration her gibt es außerdem Orte, die man einfach braucht. Zum Beispiel ihr Apartment. Oder coole Orte wie diese Tunnel unter dem Königsplatz, die gibt’s wirklich.“

Philtrat: Wie viel Zeit nimmt denn die Recherche ein mit geschichtlichen Themen, historischen Orten oder Personen?

Wir haben ja einen Narrative Director in dem Unternehmen, der hat schon sehr viel Vorarbeit geleistet. Bevor das Projekt gestartet ist, war enorm viel da an Narration, Backstory und so weiter. Es gab auch viele Ideen, die gar nicht reingefunden haben. Es war schwierig, alles zu finanzieren und ins Laufen zu bekommen. Die Grundidee bestand schon 2018. 2020 haben wir den Prolog gebaut, also den Prototyp, der auch gefördert wurde. Dann mussten wir uns viel überlegen, was Charaktere und Backstory angeht, und den Plot überarbeiten. 2021 ging die Produktion los. Die Idee hat sich über den Zeitraum von mehreren Jahren immer wieder geändert und konnte reifen.

Philtrat: Was mich als Adventure-Fan interessiert: Gab es die Geheimschrift wirklich?

„Also tatsächlich, ja! Die Schrift wurde im Mittelalter von Nonnen benutzt. Alles basiert auf echten historischen Sachen, wobei wir das immer so ein bisschen anpassen müssen.

Philtrat: Und die Figur des Joseph Schülein?

Auch den gab es. Der jüdische Brauereibesitzer wurde von den Nazis drangsaliert und seine Familie musste emigrieren.

Philtrat: Ohne zu viel zu verraten: Ich fand das Ende unerwartet, aber sehr schön poetisch und natürlich gibt’s noch einen Showdown, wie bei allen Adventures und Filmen. Das Abschlusswort, was ja auch sehr bekannt ist, das fand ich sehr schön.

Okay cool, danke dir!

Philtrat: Ich danke dir für das Gespräch!

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