Vom 23. bis zum 29. November wurden in Spanien neue und nicht-ganz-so-neue europäische Filme gezeigt. Das Philtrat war natürlich vor Ort und hat einige dieser Vorstellungen besuchen können.
Von Nina Geßner, Foto: Lolo Vasco
Das Filmfestival Sevilla: Irgendwie geht es im allgemeinen Trubel der bunten und lauten Stadt unter und trotzdem ist es ein großes Event in der europäischen Kinowelt. Innerhalb von 7 Tagen versucht es, eine Masse an Filmen vorzustellen und den Fokus auf Diversität, kleine Projekte und auch Lokalität zu legen. Da Sevilla in der Provinz Andalusien liegt, werden an mehreren Abenden neben den europäischen Neuerscheinungen und alten Klassikern zusätzlich auch andalusische Projekte präsentiert. Für Filmliebhaber*innen mit Spanischkenntnissen lohnt sich ein Besuch definitiv und für den Rest gibt es hier einen kleinen Einblick!
Felipe (dir. Federico Schmukler)
Schon vor Beginn der Vorstellung erklärt der Regisseur Federico Schmukler dem Publikum, dass der Film zwar weder eine Neuerscheinung noch ein europäischer Film sei, die Geschichte sich jedoch eine bedeutsame Zeit illustriere. Die finanziellen Sorgen durch die damalige wirtschaftliche Krise in Argentinien sind nämlich auch heute wieder zu finden, und das nicht nur in Lateinamerika. In der Hauptrolle spielt Felipe Szumik den gleichnamigen Jungen Felipe, der aufgrund der Trennung seiner Eltern zwischen Córdoba und Buenos Aires pendelt. Seine Mutter ist eine Anwältin in Córdoba und setzt sich für die armen Menschen in ihrem Umfeld ein, auch wenn sie selbst unter finanziellen Schwierigkeiten leidet. Der Kontrast dazu ist Felipes Vater: ein hohes Tier im argentinischen Parlament, und das auch noch 2001 während der Finanzkrise. Durch Felipes Augen wird die Zeit der politischen Unruhen und Unsicherheiten gezeigt, die sich auf seine Eltern und die Beziehung zwischen ihm und seinem Vater auf ganz unterschiedliche Weisen auswirken. Der Film stellt auf sensible Art die schwierigen Gefilde zwischen einem Jungen und seinen Eltern dar. Die schiere Last, die auf den Menschen liegt, wird mitreißend abgebildet. Dennoch hat der Film auch seine Macken: Man findet zu Beginn schwer Zugang zu den Figuren und das Ende des Films wirkt ungeplant und abrupt.
The book of solutions (dir. Michel Gondry)
Hier gab es, anders als bei „Felipe“, keine einleitenden Worte des Regisseurs. Doch der Kinosaal war ähnlich voll mit Begeisterten, die sich auf den neuen humorvollen und absurden Film vom Franzosen Michel Gondry freuten. Im Zentrum der Komödie steht Marc, ein Filmemacher aus Paris, der merkt, dass sein derzeitiges Projekt einige Umarbeitung erfordert. So flieht er schließlich mit seinem Team aus drei weiteren Helfer*innen aus der Stadt in das Landhaus seiner Tante. Seine Lösung für all seine Probleme ist, in einem Buch einige Weisheiten festzuhalten, wie er sich aus der Misere retten will. Beispielsweise eine Karriere als Komponist und Dirigent für den Soundtrack des Films zu starten oder nach London zu reisen, um Sting um eine Gesangseinlage zu bitten. Letztlich verläuft Marc sich in diesen falschen Aspekten der Film-Entstehung, ohne selbst überhaupt ein einziges Mal sein ganzes Werk gesehen zu haben. Der Film beginnt stark, mit einem gewissen Charme und viel Witz. Doch – ähnlich wie auch der Gemütszustand des Hauptcharakters – lässt er nach einer Zeit nach und das Ende wirkt letztlich eher enttäuschend. Dennoch scheint der Film etwas festzuhalten, was viele Schaffende vielleicht bei sich selbst wiedererkennen können.
The Beast in the Jungle (dir. Patric Chiha)
Bei diesem neuen französischen Film – basierend auf einer Geschichte von Henry James – wird wenig geredet und umso mehr getanzt. In einer Disco der 80er Jahre trifft May auf den etwas ungewöhnlichen John. Er ist davon überzeugt, dass ihm eines Tages etwas passieren wird, was den Verlauf der Welt verändert. So verbringt er schließlich mehrere Jahre in einem Techno-Club zusammen mit May, während sie gemeinsam auf dieses einschlagende Ereignis warten und dabei die Außenwelt komplett vergessen. Für die Stimmung, Mode und Musik lohnt es sich, diesen Film zu schauen. Generell bleiben aber viele Details der Geschichte auf der Strecke, da durch die wenigen Dialoge nie so recht klar wird, was genau passiert und warum. Vielleicht sollte man also vorher das Buch gelesen haben und auch ein gesundes Interesse an Techno-Musik mitbringen.
Das Filmfestival erhielt in Sevilla nur wenig Werbung, und doch wurde es schwierig, für besonders begehrte Vorstellungen – beispielsweise die Abende der andalusischen Kurzfilme – Karten zu bekommen. Es lohnt sich daher also, einen Besuch für das kommende Jahr zu planen! Die hier vorgestellten Filme sind zwar keine Meisterwerke, sie haben aber alle drei klar gezeigt, wie vielschichtig die Indie-Filmlandschaft auch in 2023 ist. Filmfeste sind schließlich auch dafür da, um Neues zu entdecken und Spaß an der Kunst zu finden. Unabhängig von künstlerischem Anspruch: Was gibt es schon Besseres als an einem kalten Abend ins Kino zu gehen?