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Die (Un-)Vollkommene

Es ist das Klischee einer Schaffenskrise: heruntergekommenes Aussehen, früher Griff zu den Spirituosen und klägliches Jammern. Noch wichtiger ist aber der Ausweg. Das Stück „Die Tage, die ich mit Gott verbrachte“ im Metropoltheater zeigt, dass auch das Überirdische davon betroffen sein kann.

Dieter Fischer und Judith Toth © Jean-Marc Turmes

Von Max Fluder

Gott hat ein sehr markantes Lachen. Beinahe klingt es wie ein Albatros. Außerdem trägt Gott ein Paillettenkleid, hat ein Alkoholproblem und ist eine Frau. So sieht sie zumindest auf der Bühne des Metropoltheaters aus, wo in diesen Wochen „Die Tage, die ich mit Gott verbrachte“ aufgeführt wird. Das Stück ist Axel Hackes gleichnamigem Buch entnommen. Eigentlich hat der Kolumnist eine Parabel verfasst, die vielen Dialoge laden jedoch dazu ein, hieraus ein Schauspiel werden zu lassen. Eine Einladung, die der Regisseur Thomas Flach scheinbar gerne angenommen hat.

Auf der Bühne geschieht Unglaubliches, so dass der namenlose Protagonist mit seinen Beobachtungen ziemlich alleingelassen auf der Bühne steht. Er amüsiert sich über rauchende Hunde, schaut seinem 25 Zentimeter großen Büro-Elefanten beim Spielen zu und findet doch kein Gehör für seinen surrealen Alltag. Ein Schnellzug, der durch sein Wohnviertel prescht, ist der Beginn des Abends und kündigt ebenfalls die Ankunft von Gott in seinem Leben an. Unzufrieden mit sich selbst und ihrer Schöpfung, scheint sie nur noch planlos durch das Leben zu taumeln und beneidet die Menschen um ihre Motivation.

Lebenskrise? Da hilft nur noch Champagner

Für Gott selbst bleibt nur der Alkohol. Nicht verwunderlich also, dass der Namenlose sie dann beim Altglas-Container trifft. Die beiden ergänzen sich in der Not: Er hilft ihr aus der Lebenskrise heraus und sie unterstützt ihn dabei, den Tod seines Vater zu verarbeiten. Das Duo aus den Darstellenden – Judith Toth als Gott und Dieter Fischer als der namenlose Mann – bleibt die ganze Aufführung über unter sich. Sie lassen sich von außen nicht beeinflussen und sind in ihrer eigenen Welt.

Judith Toth © Jean-Marc Turmes

Diese Trennung zwischen Draußen und Drinnen ist wohl der auffälligste Kunstgriff des Regisseurs. Im Café des Metropol steht die Bühne und durch 23, im Halbkreis angeordnete Fenster blicken die Zuschauer*innen auf eine dunkle Straße. Zwischen den Häusern von Freimann finden die Wunder aus dem Stück statt. Aber genauso wenig, wie die fiktiven Personen Gott wahrnehmen wollen, interessiert es keinen der Vorbeigehenden, dass Beamerprojektionen oder Leuchteffekte die Münchner Nacht aufhellen. Sie starren auf ihr Smartphone. Das Zusammenspiel der beiden Darstellungsebenen ist eigentlich nur für die Assistentin ein Problem. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt wird es schnell ungemütlich.

Ein gebrochener Schöpfer weckt Mitleid

Einem Gott Regieanweisungen zu geben, sei für Thomas Flach nicht schwer gewesen. Ganz im Gegenteil. Da er die Rolle wie einen Beruf behandele, sei er eher normal mit ihr umgegangen. Man erkennt eine gebrochene Person, für die in der Aufführung viel Mitleid aufkommt. Für Flach ist sie „eine arme, eine leidende, eine Trost suchende Gott“. Dieter Fischer, der den namenlosen Mann spielt, hat ein eigenartiges Gefühl, einem solchen Wesen Mut zuzusprechen. „Surreal; so unvorstellbar“, sagt er mit einem Lächeln.

Mit dem Aufbau des Werkes hängt zusammen, dass viele der effektgeladenen Wunder am Anfang geschehen. Der Spannung schadet das jedoch nicht. Eher wird so die Aufmerksamkeit auf die tiefgründigen Gesprächsinhalte gelenkt. Einige Anwesende befürchten, dass das Café eine schlechte Akustik habe. Diese Angst ist jedoch unbegründet. Das Problem ist eher, dass man sich an den engen Tischen gegenseitig zu nahe kommt und nicht die volle Glaswand nach außen im Blick hat.

In seltenen Momenten verpasst man, wenn auf der Bühne über Sinn und Sinnkrise diskutiert wird. Wie es im Leben weitergehen könnte, ist eine Frage, die viele Menschen betrifft. Sie kann an Studium, Beruf, die Liebe und in beinahe jeder anderen Situation gestellt werden. Im Schauspiel bleibt selbst Gott nicht vom Zweifel verschont, dennoch kann ihr geholfen werden. Die Zeit um Weihnachten ist notorisch stressig und der Sinn hinter all dem Aufwand erscheint manchmal unklar. Vielleicht hilft es da, sich an den Büro-Elefanten des Namenlosen zu erinnern: Ein Büro-Elefant ergibt an sich nicht wirklich Sinn, aber für seinen Besitzer und Freund wird er sehr viel bedeuten.

 

„Die Tage, die ich mit Gott verbrachte“ (Regisseur: Thomas Flach) nach dem gleichnamigen Roman von Axel Hacke wird noch an folgenden Tagen im Metropoltheater in München aufgeführt: 31. Dezember 2018; 5., 13. und 27. Januar 2019. Tickets hier.

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