Online Unileben

Auslandsjahr im Homeoffice

Wann sie ihre Habseligkeiten wieder bekommen, ob sie Miete umsonst zahlen, wie es weitergehen wird – all das wissen Erasmus-Studierende gerade nicht. Und die Unsicherheit wird wohl noch für eine Weile bleiben.

Hängematte und Bergblick statt Vorlesungssaal und Englischer Garten: Sally Wright verbringt ihr Erasmus-Jahr derzeit in der Schweiz © Fotos: Sally Wright

Von Anna Eleanor Kirchhofer

Die Auswirkungen der Corona Epidemie haben wohl niemanden unberührt gelassen. Jetzt, wo der Schock langsam abebbt, treten die Konsequenzen für allerlei Gruppen immer deutlicher hervor. Während der Universitätsbetrieb für die meisten Studierenden an der LMU nun, mehr oder weniger gut, online und aus dem eigenen WG-Zimmer oder Elternhaus anläuft, sieht das für einen großen Teil der Erasmus-Studierenden ganz anders aus.

Sally Wright studiert in Exeter, im Süd-Westen Englands, und ist im Rahmen des Erasmus-Programms für ein Jahr an der LMU. Eigentlich wäre sie bereits Ende März in ihren Bungalow im Olydorf zurückgekehrt, doch stattdessen „besucht“ sie die LMU-Veranstaltungen nun aus ihrem Kindheitszimmer in einem kleinen Dorf in der Schweiz. Die Internetverbindung bricht manchmal ab – dafür hat sie eine phänomenale Aussicht auf die Berge.

Viele Erasmus Studierende sind unsicher, wie es weitergehen wird

Die Auswirkungen auf die Erasmus-Studierenden sind vielfältig. Sally hat Glück im Unglück: „Sobald die Grenzkontrollen aufgehoben werden, brauche ich nur einen Zug zu nehmen und bin wieder in München. Meine Freunde in England müssten natürlich fliegen, ob das möglich ist, ist nicht absehbar“, sagt sie. Um ihre Freunde zu sehen, möchte sie nach München zurückkehren. Um die Stadt, trotz Einschränkungen, weiter erkunden zu können. Um einen Tapetenwechsel zu haben natürlich auch. Sie sagt: „Ich mag es, zuhause zu sein, aber ich bin hier aufgewachsen. Ich kenne alles hier, wenn ich spazieren gehe, bin ich in zwanzig Minuten durch den ganzen Ort gelaufen.“

Die Krise zieht einige Probleme für Erasmus-Studierende nach sich. Bald laufen die Mietverträge für Sally und ihre Freunde aus; ob sie verlängern sollen, wissen sie nicht. Werden sie zurückkehren können, oder zahlen sie am Ende für eine Unterkunft, in der sie gar nicht wohnen können? Viele Studierende haben ihre Zimmer noch nicht geräumt und stehen vor der Frage, wie sie wieder an ihre Besitztümer gelangen sollen. In der Schweiz, wo Sally zurzeit wohnt, darf man sich drei Monate lang aufhalten, ohne sich amtlich melden zu müssen. Diese Frist wird bald  verstrichen sein: „Ich bin schon am Anfang der Semesterferien nach Hause gefahren; wenn ich in der Schweiz keine Steuern zahlen möchte, muss ich bald wieder nach München fahren“, sagt sie.

Mit der Zeit wird es klarer, was von den nächsten Monaten zu erwarten ist – was gehen wird und was nicht. Anfangs dominierte allerdings die Unsicherheit. Sally sagt: „Wir haben eine Mail von der Erasmus-Stiftung erhalten, in der sie uns sagten, dass wir möglicherweise keine finanzielle Unterstützung mehr erhalten, weil wir nicht mehr im Ausland seien. Das wäre eine Katastrophe für viele gewesen, wir zahlen Miete für unsere Unterkünfte in München und dazu kommen noch die Studiengebühren für die Universität in Exeter.“

Die Unterstützung wurde nicht eingestellt; verunsichert hat die Mail die Studierenden trotzdem. Ob sie von den Unis Unterstützung erhalten hat? „Die University of Exeter hat uns Anfang März empfohlen, das Land zu verlassen, wenn uns das möglich ist. Sonst habe ich von der LMU nur die allgemeinen Mails bekommen. Die meisten davon drehten sich um Organisatorisches, obwohl diese Zeit ja auch mental für viele Leute schwierig ist. Da hätte ich mir gewünscht, dass stärker auf Anlaufstellen oder Hilfe verwiesen wird.“

Sichere Aussagen über die kommende Zeit sind schwierig

Das International Office informiert Erasmus-Studierende zurzeit auf ihrer Website über die wichtigsten Fragen, individuelle Beratung gibt es auch per Email. Studierende der LMU, die kommendes Jahr einen Austausch über das Erasmus-Programm geplant hatten, haben mit ähnlichen Unsicherheiten zu tun. Noch werden die Auslandsaufenthalte wie gehabt geplant, Bewerbungen und Info-Mails zu Aufenthalten versandt. Nach den dynamischen Entwicklungen der letzten Monate kann sich allerdings niemand wirklich sicher sein, ob ein Erasmus-Aufenthalt 2020/21 möglich sein wird, einige LMUexchange Aufenthalte wurden schon abgesagt.

Viele Studierende stehen vor einer Herausforderung, Sally versucht auch positive Seiten zu sehen. Sie sagt: „Es geht mir gut und ich habe unerwarteterweise die Möglichkeit gehabt, länger als sonst Zeit mit meiner Familie verbringen können. Ich denke, dass wir, falls wir wieder nach München zurückkommen dürfen, es noch stärker schätzen werden. Außerdem bin ich umso mehr dankbar, für die schöne Zeit im ersten Semester!“

 

Dieser Artikel ist Teil unseres Online-Schwerpunkts „Gemeinsam“. Aufgrund der Corona-Krise haben wir uns dazu entschieden, dieses Semester auf eine gedruckte Ausgabe zu verzichten, stattdessen veröffentlichen wir Artikel unter diesem Thema. Die Ausbreitung des Virus hat das Studierendenleben von heute auf morgen verändert: Wie wirkt sich das auf den Uni-Alltag aus? Wie auf Lehre und Leben? Und vor allem: Welche Lösungen im Umgang mit dem Virus werden an Hochschulen gefunden? Mit diesen Fragen beschäftigen wir uns.

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