Mitunter glauben wir Münchner ja schnell, dass auf dem Land nichts los ist – vor allem nicht kulturell! Ganz verkehrt ist diese Ansicht nicht. Was aber, wenn die Nachfrage nach kulturellen Angeboten auf dem Land steigen würde? Würde dann nicht auch das Angebot steigen? Eine Grundschule in Bayerisch-Schwaben mag nicht der erste Ort sein, an dem man Kulturliebhaber vermutet. Doch wo, wenn nicht in Bildungsinstitutionen, findet Theater sein Publikum?
Von Tabea Huser
Die Theater in München haben es zwar immer wieder schwer neues Publikum zu gewinnen, doch floriert die Hochkultur als Teil der Stadtkultur. Dass die Schere zwischen Land und Stadt weit aufgeht, allein in Bezug auf das kulturelle Angebot, ist also keine große Überraschung. Aber würde das Angebot nicht steigen, wenn die Nachfrage zunimmt – auch auf dem Land? Ganz nach bourdieu’scher Logik, wächst das kulturelle Kapital – das auch als Bildungskapital bezeichnet wird – durch a priori Bildung.
Theater macht Schule
Der erste Ort, der in den Sinn kommt, wenn über Bildung gesprochen wird, ist die Schule. Vor sieben Jahren ist Theater – neben Kunst und Musik – in elf Bundesländern als ein weiteres ästhetisches Schulfach integriert worden, allerdings nicht verpflichtend. Schaut man in den bayerischen Lehrplan für die Grundschule, ist in den Fächern Deutsch und Musik unter dem Auftrag der Kompetenzentwicklung Textverständnis und in der Entwicklung Wahrnehmen und Erleben Raum vorhanden, um Theaterpraxis in den Schulalltag miteinzubinden. Musiktheater wird in der dritten Klasse besonders erwähnt: „Die Begegnung mit Musik in vielfältigen praktischen Erscheinungsformen, wie Gesang, Instrumentalspiel, Tanz oder Theater, ermöglicht ein umfassendes Erleben künstlerischen Ausdrucks, das Erschließen persönlicher Bedeutungen und die Ausbildung begründeter Haltungen.“
Aber wie wird Theater wirklich in den Schulen praktiziert? In München ist durch die neue Intendanz von Andrea Gronemayer an der Schauburg auch ein frischer Wind durchs Kinder- und Jugendtheater gegangen. Ein großer Teil der Aufführungen findet morgens statt, das Zielpublikum sind Schulklassen. Aber in vielen Regionen Bayerns gibt es nicht einmal ein festes Ensembletheater, geschweige denn ein feststehendes Kindertheater. Die ländliche Region ist auf Theatergruppen und lokale Theatervereine angewiesen.
Theater jenseits der Metropolen
Ich habe mich persönlich auf die Suche nach Theaterpraxis außerhalb der Großstädte gemacht und mich dafür im Landkreis Günzburg umgeschaut. Der Landkreis liegt in Bayerisch-Schwaben, direkt an der A8 in der Nähe von Ulm, zwischen Stuttgart und München. Die Zukunftsprognose für die wirtschaftliche Entwicklung sieht positiv aus. Doch auch hier merkt man: Theater sind ein rares Gut – Theatererlebnisse für Kinder selten. In der Kreisstadt gibt es einen Buchladen, die Dramenabteilung besteht aus zehn Reclamheften. Afterwork Jazz, Orgelmusik, Brassband im Biergarten oder eine Krimitour durch die Stadt, kulturelle Aktivitäten für die berufstätigen Mittelständler ab 35 gibt es reichlich zu entdecken.
Eine Grundschullehrerin erzählt, dass Theater immer mehr im Lehrplan auftaucht. In Musik, Heimat- und Sachunterricht und sogar in Religion versucht sie, die Themen darstellerisch zu veranschaulichen. Die Zeit dafür wäre allerdings viel zu knapp. Theaterbesuche seien von ihrer Schule einmal im Schuljahr vorgesehen, das könne aber jede Schule individuell regeln. Doch es fehlen die Theater. Meistens besuchen die Kinder Stücke, die von örtlichen Kindertheatergruppen – von Kindern für Kinder – aufgeführt werden. Manchmal kommt ein Ensemble an die Schule und die Sporthalle wird zur Spielstätte. Von einer Vorstellung waren die Schüler besonders angetan. Ein Junge der dritten Klasse stellte nach der Aufführung begeistert fest: „Cooler Film“.
Über die Autorin: Tabea Huser studiert derzeit Theaterwissenschaft am Department Kunstwissenschaften. Der Artikel entstand im Rahmen des Seminars „Theater für junges Publikum – Dramaturgie und Theaterpädagogik am Beispiel der Schauburg München“ unter Leitung von Ingrid Lughofer.