Filmreihe

„Civil War” – Journalisten im Krieg

Im  Film „Civil War” von Alex Garland geht es um eine Gruppe Journalist*innen, die sich auf einen Roadtrip durch die vom Bürgerkrieg geschüttelten USA machen. Die Kernfrage: Kann ein Film vom Krieg erzählen, ohne den Kontext zu erklären?

Von Jonas Hey; Bilder: © A24/Entertainment Film Distributors

Zu Beginn des Films rettet die durch Jahrzehnte der Kriegsfotografie  abgebrühte Journalistin Lee (Kirsten Dunst) die unerfahrene Fotografin Jessie (Cailee Spaeny) vor einem Luftschlag. Daraufhin begleitet  Jessie die Gruppe um Lee auf ihrer Fahrt von New York nach Washington. Die gemischte Gruppe wird durch den ins Alter gekommenen Journalisten Sammy (Stephen Henderson) und dem energetischen Journalisten Joel (Wagner Moura) komplettiert. Bereits die ersten Szenen bereiten wortwörtlich die Einstellung für den Film vor: Es gibt kaum Filmmusik und keine Informationen aus dem Off. Dies sorgt für ein sehr intensives Erlebnis.

Asymmetrischer Krieg

Nach dem Kennenlernen der Figuren beginnt ein klassisches Roadmovie, bei dem die Protagonist*innen von Station zu Station zusammenwachsen und auf Herausforderungen treffen. Erst ist es eine Gruppe von Dorfbewohnern, die ihre Tankstelle beschützen und nebenan zwei Plünderer foltern. Hier versteht Jessie, dass sie als Journalistin nur beobachten und niemanden retten kann. Nach einer entspannten Nacht setzt die Handlung abrupt in einem Feuergefecht wieder ein. Die Gruppe folgt Soldaten, die auf andere Soldaten schießen und schließlich Gefangene mit einem Maschinengewehr ermorden. In der Welt des Films gibt es kein Kriegsrecht und keine Fronten mehr. Zuletzt gerät die Gruppe an zwei Milizionäre, die Leichen hinter einem Landhaus verscharren.

Kirsten Dunst mit kaltem Blick.

Der Wortführer, eiskalt von Jesse Plemons gespielt, fragt sie, was für Amerikaner sie sind. Dann stehen unsere Protagonisten plötzlich zwischen den Fronten: Sie wissen nicht, welcher Seite die Soldaten angehören und ob sie entkommen können. Diese Szene passt gut in einen Film, in dem die Journalist*innen nie wissen, ob sie noch neutral berichten können oder hinter der nächsten Ecke erschossen werden. Generell wissen unsere Protagonist*innen wenig. Ihr Roadtrip hat ein Ziel, aber sie kennen die Strategien der feindlichen Armeen nicht. Selbst bei Kampfszenen folgen sie lediglich einem Trupp Soldaten. Als Publikum nimmt man ihre Perspektive der Unwissenheit ein.

Bürgerkrieg ohne Kontext

Diese Ungewissheit bezieht sich nicht nur auf den konkreten Schauplatz, sondern auf den Krieg allgemein. Es wird lediglich vermittelt, dass der Präsident sich weigert zurückzutreten und ihm die Western Forces (Kalifornien und Texas) und die Florida Alliance den Krieg erklärt haben. Zusätzlich sehen wir am Anfang den Luftschlag gegen Zivilisten und zum Schluss rücken die Western Forces gegen Washington vor, um den Präsidenten zu töten. Darüber hinaus gibt der Film keinen Kontext, was von verschiedenen Seiten kritisiert wurde. Denn es bleibt unklar, weshalb der Bürgerkrieg ausgebrochen ist, wer noch aufseiten des Präsidenten kämpft, wie sich die restliche Welt verhält oder was nach dem Tod des Präsidenten passieren soll. Aber für diesen Film sind diese Fragen unbedeutend, weil sie für die Journalist*innen unbedeutend sind. Sie wollen ein Foto und Interview mit dem Präsidenten und nicht über die Lage der Nation berichten. Schließlich wissen die Menschen in der Geschichte bereits, was passiert ist.

Cailee Spaeny in der finalen Schlacht.

Im Film geht es um Perspektive: Nicht um die von Soldaten oder Kriegsopfern, sondern um „neutrale“ Journalist*innen. Besonders für einen Kriegsfilm sind hierbei die Hauptdarstellerinnen, denn zwei Frauen sind die Protagonistinnen des Films und nicht nur Opfer des Krieges. Im Gegensatz zum Mainstream kommt dieser Film ohne Geschlechterstereotype oder -klischees aus. Der Journalist Joel tritt teilweise als Beschützer und Rückendeckung von Jessie in Kämpfen auf, doch er drängt sich ansonsten nicht auf. Die Arbeit und die Argumente sind zwischen Männern und Frauen gleichmäßig verteilt. Doch die Protagonistinnen sind nicht nur tough, sie haben auch emotionale Momente, in denen der schreckliche Krieg seinen Tribut fordert. Dies wird durch die Kameraperspektive unterstützt, die sich stets auf Augenhöhe mit den Darsteller*innen befindet und so ein Gefühl der Gleichwertigkeit schafft.

Der Film zeigt eine ungewohnte Perspektive auf den Krieg, die man selten sieht: eine des Betrachtens und Unbeteiligtseins. Zudem kommt er mit selbstbewussten und gleichberechtigten Protagonist*innen daher. Das allein ist in unserer heutigen Zeit schon ein Grund ins Kino zu gehen. Die großartige Action und dystopischen Bilder bilden das Sahnehäubchen auf der Torte.

Der Film erschien am 18. April 2024 in den deutschen Kinos und wird von DCM Productions vertrieben. 109 Minuten.

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