Unileben

Zwischen Taschenrechner und der Weltherrschaft

An der LMU gibt es einen neuen philosophischen Podcast: PhiPod. Redaktionsmitglied und Initiatorin Dorothea Winter spricht mit uns über ihr Projekt sowie über „KI und Ethik“, das Thema des Podcasts in diesem Semester.

Dorothea Winter ist Redaktionsmitglied und Initiatorin des PhiPod. Foto: privat

Interview von Martha Baer

PhiPod ist ein philosophischer Podcast von Philosophiestudierenden der LMU München. Wann und wie habt ihr euch gegründet? Und mit welchem Ziel?

Wir haben uns im Oktober 2020 im Rahmen des KI Campus als vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Projekt gegründet. Die Idee entstand innerhalb der KI-Strategie der Bundesregierung und soll die Forschung und Kommunikation über Künstliche Intelligenz in Deutschland vorantreiben. Menschen diverser Zielgruppen sollen dabei aus verschiedenen Bereichen und durch verschiedene Medien wie etwa die Website KI Campus, unseren Podcast, aber auch durch Publikationen erreicht werden. Man braucht für unseren Podcast kein Vorwissen, wir versuchen aber natürlich philosophischen Tiefgang reinzubringen, da es ja bereits einige andere Podcasts gibt, die sich ähnlichen Themen widmen.

Der Podcast erscheint wöchentlich. Sind die Folgen immer ähnlich aufgebaut, also etwa immer in Form eines Interviews?

Es gibt verschiedene Formate, zum Beispiel Experteninterviews, wo wir etwa Professor*innen befragt haben, die zu dem Thema forschen und publizieren. Wir hatten aber auch mal eine Spezialfolge, wo wir Menschen auf der Straße zu den größten KI-Mythen befragt haben. Jeder von uns kann auch ganz alleine eine Folge konzipieren und aufbereiten, da wir schon etwas Expertise mit diesem Thema haben.

Das Team besteht aus 15 Studierenden. Was für Aufgaben kommen ihnen jeweils zu? Was für Strukturen gibt es innerhalb des Teams?

Wir haben eine Redaktion aus den Leuten, die von Anfang an dabei waren und viel bei der Organisation mithelfen. Daneben sind die Personen thematisch nach Ressorts aufgeteilt, aus denen dann jeweils einzelne Folgen veröffentlicht werden, etwa Ethik in der Medizin oder Wirtschaftsethik. 15 Leute sind ja zum Glück auch nicht so viele, dass man da eine wirkliche Hierarchie entwickeln müsste.

 “Das grundlegende Ziel ist es, philosophische Gedanken an die Öffentlichkeit zu bringen.”

Ihr legt euch jedes Semester auf einen Themenschwerpunkt fest, dieses und auch noch nächstes Semester ist das Thema „KI und Ethik“. Nach welchen Kriterien erfolgt die Themenfindung?

Das Thema sollte auf jeden Fall gesellschaftlich relevant sein und Anknüpfungspunkte zu öffentlichen Debatten haben. Generell sind wir da aber sehr offen. Das grundlegende Ziel ist es, philosophische Gedanken an die Öffentlichkeit zu bringen.

Wo seht ihr insbesondere beim Thema „KI und Ethik“ die Relevanz oder den Aufklärungsbedarf? Was wollt ihr bei der Beschäftigung mit diesem Thema rüberbringen?

Bei diesem Thema gibt es besonders in öffentlichen Debatten manchmal das Problem, dass es sehr stark in Extremen verhandelt wird: Entweder es werden völlig dystopische Szenarien aufgezeigt, in denen Künstliche Intelligenzen die Weltherrschaft an sich reißen, oder KI wird einfach als etwas klügerer Taschenrechner gesehen, bei dem es eigentlich egal ist, was damit gemacht wird. Wir versuchen, einen Mittelweg zu gehen und die Themen dabei philosophisch einzuordnen.

Werden deiner Meinung nach in öffentlichen Diskursen über KI und insbesondere über technische Entwicklungen die potenziellen ethischen Komplikationen ausreichend beleuchtet?

Ich denke nicht. Ethik wird oft als „Hindernis“ für die Innovation dargestellt, was wirklich überhaupt nicht der Fall ist. Man kann nicht etwas entwickeln und dann am Ende schauen, ob es ethisch vertretbar ist oder nicht, sondern ethische Gedanken und Leitlinien müssen von vornherein in die Entwicklung implementiert werden. Ich glaube, dass das auf jeden Fall zu wenig getan wird.

“Man sieht ja aktuell, wie gut es funktioniert, von Künstlichen Intelligenzen geschaffene Kunstwerke für Millionen auf dem Kunstmarkt zu verkaufen.”

Eine Folge behandelte das Thema KI und Kunst. Deine Masterarbeit hast du auch über diese Verbindung geschrieben mit der These, KI könne keine im kantischen Sinne schöne Kunst schaffen. Nach welchem Kunstverständnis könnte sie es denn vielleicht doch, könnte KI zum „Künstler“ werden? Und was bedeutet der bereits zu beobachtende Einzug von KI in künstlerische Prozesse für unsere Wahrnehmung und Definition von Kunst?

Es kommt natürlich immer auf den Kunstbegriff an, den man den Überlegungen zugrunde legt. Es gibt sicherlich zahlreiche Kunstbegriffe, nach denen KI bereits aktuell Kunst schafft. Hier ist die Perspektive, aus der man den Kunstbegriff herleitet, bedeutend: Wenn man es aus Sicht der erzeugenden Perspektive betrachtet und fragt, was einen Künstler ausmacht und wie ein Kunstwerk entsteht, wird es schwierig einer KI ein Kunstschaffen zusprechen zu können, da hier meist eine Kreativität oder Freiheit erforderlich ist, die eine KI nicht hervorbringen kann.

Wenn man aber auf die andere Seite blickt und sich fragt, was Menschen als Kunst bezeichnen, was sie bei der Betrachtung eines Werkes empfinden oder was im Kunstmarkt funktioniert, kann KI auf jeden Fall Kunst schaffen. Man sieht ja aktuell, wie gut es funktioniert, von Künstlichen Intelligenzen geschaffene Kunstwerke für Millionen auf dem Kunstmarkt zu verkaufen.

Würdest du sagen, dass diese momentane Entwicklung eine gesellschaftlich vielleicht doch noch vorherrschende Vorstellung von dem Künstler oder der Künstlerin als „Genie“ ins Wanken bringt?

Das würde ich gar nicht so sagen. Sobald man den Menschen als Akteur*in definiert, muss man sich immer fragen, ob eine KI diesen Akteurstatus einnehmen kann. Ich glaube, das ist keine kunstgenuine, sondern eine viel tiefgreifendere Frage: Kann KI handeln, hat sie ein Bewusstsein, ist sie frei? Und da hängt dann irgendwo an vierter oder fünfter Stelle die Frage nach der Kreativität mit dran.

Du promovierst zum Thema KI und Ethik – welcher Aspekt interessiert dich an dem ganzen Themenkomplex besonders?    

Auf jeden Fall die Frage nach dem (Selbst-)Bewusstsein: Kann KI ein solches entwickeln, kann es ihr zugesprochen werden? Das ist meiner Meinung nach die allem zugrunde liegende Frage, aus der alles weitere abgeleitet werden kann. Bei der Debatte über KI ist es manchmal witzig zu beobachten, dass diese Fragen, die in der Philosophie einen unglaublich hohen Stellenwert einnehmen, in anderen Bereichen, die sich praktisch mit KI befassen, also etwa in der Informatik, gar nicht zur Debatte stehen. Diese Differenz ist sehr spannend. Woher kommt es, dass in Bereichen der Anwendung diese Frage oft gar nicht gestellt wird?

Diese Frage ist ja auch grundlegend für den weiteren Umgang mit KI, da von ihrer Beantwortung abhängt, ob KI ein Handeln und somit auch eine Verantwortbarkeit zugesprochen werden kann.

Absolut. Deshalb ist für mich die Beschäftigung mit dieser Frage bei dem ganzen Themenkomplex KI und Ethik am spannendsten.

Der Podcast kann bei allen gängigen Podcast-Anbietern gehört werden: https://linktr.ee/PhiPod.LMU.

 

 

 

 

 

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