Ricarda Bauernfeind ist Profisportlerin und Studentin an der TU München. 2019 hört sie auf mit dem Leistungssport, ein paar Jahre später fährt sie bei der Tour de France als erste ins Ziel. Wie sie Studium und Leistungssport vereinbart.
Von Nico Friese
Am frühen Samstagnachmittag hat Ricarda Bauernfeind bereits ihren Job erledigt. Während ihre Komiliton:innen womöglich noch dein eigenen Rausch ausschlafen und gerade erst aus dem Bett kriechen, ist sie an einem Vormittag im Winter bereits einige Stunden im Sattel gesessen. Denn Bauernfeind studiert zwar, ist aber nebenher noch Radsportlerin für das Profiteam der Fahrradmarke Canyon. Für das Studium hätte sie fast ihren großen Traum, Rennfahrerin zu werden, aufgegeben – dann kam 2020 die Corona-Pandemie.
Es war die 5. Etappe der Tour de France, die Ricarda Bauernfeind für immer in Erinnerung bleiben wird. „40 Kilometer von Schluss habe ich zu meiner Teamkollegin gesagt, dass ich es heute nicht mehr schaffe“, sagt die 23-Jährige im Gespräch. Ihre Beine seien schwer gewesen, die Anstrengung der ersten vier Etappen habe ihr zu schaffen gemacht. Sie erzählt von dem heißen Sommertag: „In der Früh habe ich meinen Eltern eine Nachricht geschickt.“ Darin habe sie geschrieben, dass es heute schwer werden würde, überhaupt das Ziel zu erreichen. Ihr Ziel hat Bauernfeind jedoch bislang immer erreicht: Mit viel Überredungskunst bekommt sie mit zwölf von ihren Eltern ihr erstes Rennrad geschenkt, gewinnt als 13-Jährige ihre ersten Rennen mit dem lokalen Radsportklub. „Als mein älterer Bruder damals ein Rennrad bekommen hat, musste ich auch unbedingt eins haben“, erinnert sich die Eichstätterin. Schnell steht für Bauernfeind fest, dass sie Radprofi werden möchte: „Davon war ich bis ich 18 Jahre alt war, fest überzeugt.“
Nach dem Abitur fängt Ricarda Bauernfeind ein Studium an der TU München an
Als die letzten 25 Kilometer des Rennes anbrachen, bekam Bauernfeind über Funk eine Anweisung: „Mir wurde gesagt, dass jetzt ein guter Moment sei, anzugreifen“, erinnert sie sich. Kurz vor einem Anstieg entschied sich Bauernfeind dann es zu probieren. Warum sie das trotz müden Beinen gewagt hat? „Ich wollte mein Team nicht enttäuschen.“ Seit dem Sprung in das Profiteam begleite sie immer der Gedanke, nicht dorthin zu gehören, fehl am Platz zu sein: „Im ersten Trainingslager habe ich mir mit einem meiner Vorbilder ein Zimmer geteilt.“ Komisch sei das gewesen, vor allem weil sie kurz davor den Radsport nur noch als Hobby gesehen habe. Nach dem Abitur entscheidet sie sich, dem Radsport nur als Hobby nachzugehen: „Ich wollte mich vor allem auf mein Studium konzentrieren.“ Sie zieht nach München, um an der Technischen Universität (TU) Ernährung- und Hauswirtschaftsswissenschaften und Sport auf Lehramt zu studieren. Als sich der Anfang der Corona-Pandemie abzeichnet und alles Kurse online stattfinden, hat sie mehr Zeit fürs Fahrrad: „Ich habe mich dann spontan für die Deutsche Meisterschaft angemeldet und ganz gut abgeschnitten.“ Danach sei alles ganz schnell gegangen: Europameisterschaften, Canyon Juniorinnen-Team und Aufstieg in das Profiteam. Den Spaß am Radfahren habe sie mittlerweile wiederentdeckt, sagt sie strahlend.
Nachdem Bauernfeind die Konkurrentinnen abgehangen hatte, ging alles ganz schnell: „Ich habe mich immer wieder umgeschaut, um zu sehen, ob ich eingeholt werde.“ Sie sei fest davon überzeugt gewesen, den Sieg auf den letzten Meter aus der Hand zu geben: „Ich habe mich gar nicht getraut, davor zu jubeln.“ Wenn sie Bilder sehe, bekomme sie immer noch Gänsehaut. „Ich hätte nie im Leben damit gerechnet, bei meiner ersten Tour eine Etappe zu gewinnen.“
Radsportlerin Bauernfeind: „Ich möchte Lehrerin werden“
Mittlerweile hat Bauernfeind ihren Bachelor abgeschlossen. Sie besucht bereits Master-Seminare: „Montags und dienstags sind immer meine Uni-Tage.“ Den Rest der Woche stehe das Training im Vordergrund, meistens trainiere sie alleine: „Das bin ich schon seit Jahren so gewöhnt.“ Nach dem Master möchte sie sich komplett auf den Sport konzentrieren, „das Referendariat mit dem Training zu verbinden geht nicht.“ Früher oder später sieht sie sich jedoch vor einem Klassenzimmer stehend: „Ich möchte schon Lehrerin werden. Sonst hätte ich mich nicht für den Studiengang entschieden.“