Unileben

Fünf Arten von Online-Studierenden

Wer manövriert da alles durch Zoom-Vorlesungen und Online-Seminare? Eine nicht ganz ernst gemeinte Typologie. 

Ja, ja. Wir alle sind zu Hause “produktiv”. Aber wie sieht das wirklich aus? Unsere Illustratorin Anja Blaser hat sich da mal ein paar Gedanken zu gemacht.

Von Scarlett Winter

Jaja, schon wieder ein Artikel über Corona, am besten einfach weiterscrollen, oder? Stopp, tu es nicht. Im Ernst, wir können alle etwas zum Lachen gebrauchen. Die Corona-Zahlen sinken zum Glück, aber so richtig hat das Leben auch wieder nicht begonnen. Wo bleibt eigentlich der Impftermin? Und folgt dem dritten Online-Semester ein viertes? Weiß niemand.

Natürlich ist es wichtig, auf dem Laufenden zu bleiben, man will ja nicht eines Tages im Bademantel mit einer Tasse Kaffee in der Hand zum Briefkasten schlurfen, nur um dann von dem Höllenfeuer der Apokalypse begrüßt zu werden. Aber unter uns: So langsam haben wir die ganze News-Flut doch satt, oder? Corona hier, Corona da – es gibt auch andere Themen. Hundewelpen zum Beispiel. Oder eben das Studium. Präsenz – ja oder nein? Online-Klausur, Zoom stürzt ab und was zur Hölle mache ich, wenn ich während einer Online-Vorlesung mal ganz dringend für kleine Studierende muss? So oder so, wir gehen alle unterschiedlich mit der Pandemie um. Fünf Strategien, Methoden oder auch Persönlichkeitstypen sind hier aufgelistet:

Der*die Schreibtischverweiger*in

Man soll ja am Tag im optimalen Fall zehntausend Schritte gehen, es gibt sogar viele Apps, die einem beim Zählen eine große Hilfe sein wollen. Wenn man sie erreicht, die magischen zehntausend, überkommt einen ein Gefühl der Produktivität, das kaum mit etwas zu vergleichen ist. Der Tag war erfolgreich, man hat Fitness gemacht, man war nicht faul – endlich ein Grund, sich eine Tafel Schokolade zu gönnen. Aber was, wenn das einfach nicht mehr möglich ist? Dann ran mit der umgekehrten Psychologie: weniger ist mehr! Bewegung wird boykottiert. Das beginnt schon morgens bei der Vorlesung: eine halbe Stunde früher aufstehen, sich einen Tee machen, Notizen beiseitelegen und warten, bis der*die Dozent*in einen in Zoom rein lässt? Nein! Fünf Minuten vor Vorlesungsbeginn den Wecker gegen die Wand schmeißen, Laptop ins Bett holen und im Halbschlaf das Meeting starten? Ja! Wer braucht schon einen Schreibtisch? Der*die klassische Schreibtischverweigerer*in hat – so schlau er*sie nun einmal ist – diese Strategie ganz gewieft durchschaut und schläft jetzt jeden Morgen ein wenig länger.

Die Prokrastination-Champs

Asynchrone Vorlesungen – für die einen eine Chance, die Vorlesungen ausführlicher und vielleicht sogar im Voraus überpünktlich vorzubereiten, für die anderen (bzw. 90 Prozent) eine Gelegenheit, sich mit dem Status „Student*in“ zu schmücken, ohne zu studieren. Fast zumindest. In der letzten Woche vor den Klausuren wird es vielleicht ein bisschen eng, aber das ist es wert, wenn man die restlichen Monate gemütlich auf der Couch liegen und den anderen beim Sich-Stressen zusehen kann. Man hat immerhin noch andere Verpflichtungen. Das Netflix-Abo soll nicht umsonst bezahlt werden, das Bett braucht seine*n Besitzer*in und Laptops sind nicht zum Lernen, sondern wegen des Steam-Accounts da. Das kann schon mal anstrengend werden, all diesen Aufgaben gerecht zu werden – aber keine Sorge, ein*e wahre*r Meister*in der Prokrastination lässt sich so schnell nicht aus der Ruhe bringen.

Der*Die Undercover-Antisoziale

„Ja, das mit Corona ist voll schlimm. All die Sachen, die man nicht mehr machen kann. Ich fühle mich so einsam daheim.“ Du nickst zustimmend, vergießt vielleicht eine Träne und beteuerst, wie allein du dich doch fühlst. Dann schaltest du Zoom ab, wischt dir über die Wange und wirst für einen Oscar nominiert. Du würdest es natürlich nie zugeben, aber gibt es etwas Besseres als Online-Vorlesungen? Nein, natürlich nicht! Abgesehen vom langen Schlafen sind da noch die Tatsachen, dass man sich nicht fertig machen muss, man keinem Menschen begegnet, morgens in der U-Bahn nicht ihren Achselschweiß riechen muss und man nicht mit der grenzenlosen Dummheit anderer, wie in Gruppenarbeiten, konfrontiert wird. Ja, es ist schwer, intelligent zu sein – doch nun kann jede*r Menschenhasser*in seine*ihre Klugheit ohne Hindernisse ausleben, ein Hoch auf die Einsamkeit! Natürlich nur inoffiziell.

Das Rumpelstilzchen

Heute schalte ich meine Kamera aus, morgen verwende ich nur noch meinen Vornamen, übermorgen maximal noch meine Initialen – ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstil-… Sekunde, das ist ja eine Märchenfigur. Aber so oder so ähnlich muss das Rumpelstilzchen wohl denken, wenn es ein Zoom-Meeting betritt. Kamera grundsätzlich aus, viel zu gefährlich. Identität ist heilig. Datenschutz muss überall gewährleistet sein (wenn es nur wüsste…) und NIEMAND. ERFÄHRT. MEINEN. VOLLEN. NAMEN. Das Rumpelstilzchen ist kein Zoom-Fan, benutzt nur Spitznamen und tut alles, um seine Identität zu verheimlichen. Oder vielleicht ist es auch einfach grade aufgestanden und hatte keine Lust, sich die Haare noch ordentlich zu kämmen.

Das brave Wunderkind

Zugegeben, dieser Typ tritt eher selten auf, da Selbstdisziplin laut Lernfauler weniger eine erlernbare Eigenschaft, sondern mehr ein Talent ist. Nicht viele von uns besitzen die Gabe, sich zu motivieren, vor allem nicht, während die Welt untergeht. Das Wunderkind trotzt aber jeder Art von Armageddon und lernt brav für seine Klausur in zwei Monaten, während hinter seinem Rücken Schwärme von Zombies über die Nachbar*innen herfallen. Man muss eben Prioritäten setzen. Studium und nebenbei arbeiten? Okay! Nächste Woche drei Referate vorbereiten? Na klärchen! Gleichzeitig noch an Demos teilnehmen, auf die Geschwister aufpassen, ein paar fakultative Workshops belegen und hinterher noch an mindestens fünf verschiedenen Uniaktivitäten teilnehmen? Count me in! Jetzt, wo die wöchentlichen Debattier- und Wohltätigkeits-AGs nicht mehr stattfinden können, muss die Zeit auf andere Weise effektiv genutzt werden. Wie könnte man das besser machen, als einfach noch mehr zu lernen? Das Wunderkind braucht keine Freizeit oder gar Pausen, höchstens eine, um Dozierende zwischen zwei Kursen nach Literaturvorschlägen zu fragen.

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