Unileben

“Dein erster virtueller Eindruck” – Die Kunst der Bewerbung während der Pandemie

Auch die Jobsuche hat sich im Laufe der Pandemie verändert. Claudia Irsfeld ist Personalleiterin der 4C GROUP AG,  Trainerin und Business Coach. Im Gespräch erzählt sie, wie sich Bewerbende auf Online-Interviews vorbereiten können.

Claudia Irsfeld berichtet aus 10 Jahren Berufserfahrung im Bereich Human Resources. ©4C GROUP AG

Das Interview führte Patrycja Szarko

Wenn das hier ein Vorstellungsgespräch wäre, worauf würdest du jetzt schon achten?

Claudia Irsfeld: Gute Frage! Mein erster Eindruck wird davon beeinflusst werden, wie ich dich auf dem Bildschirm sehe. Wie hast du dich her- und eingerichtet? Auch der Hintergrund beeinflusst meine Wahrnehmung. Ist er einfarbig, ruhig, bunt oder unruhig? Hinzu kommt die Technik mit Licht und Lautstärke, bist du am Telefon oder am Rechner? Das sind die ersten Dinge, die auf mich wirken. Quasi dein erster virtueller Eindruck – hast du dich mit all den Aspekten vorbereitet oder findet das Gespräch irgendwo im „Vorbeigehen“ statt.

Findest du, dass mit den vermehrten Online-Interviews auch ein Qualitätsverlust einhergeht? 

Die Frage kann ich nur aus unserer Brille – der 4C-GROUP-Brille – beantworten. Dort fahren wir einen hybriden Ansatz: Wir haben immer noch Präsenz-Interviews, weil wir glauben, dass es irgendwann auch wieder zu einer sozialen Interaktion in Präsenz kommen wird. Deswegen haben wir entschieden, dass wir nach wie vor Menschen persönlich treffen möchten – natürlich unter Einhaltung aller hygienischen Auflagen und Vorsichtsmaßnahmen.

Dies wird auch von den Bewerbenden als sehr positiv wahrgenommen. Auch sie haben ein großes Interesse daran, Menschen durch mehr als durch ein briefmarkengroßes Bild kennen zu lernen. Von daher lautet die Antwort: jein. 

Warum, jein? 

Zum einen ist es ein Gewinn. Durch das virtuelle Kennenlernen entfallen Reisezeiten und ein Termin für eine Stunde vom Rechner aus ist schneller und unkomplizierter gefunden und durchgeführt als in Präsenz. Zum anderen wird es durch die virtuelle Distanz schwieriger – auch aus der Bewerbenden-Sicht. Das Informelle fällt weg und damit auch zahlreiche Zusatzinformationen wie beispielsweise die zwischenmenschliche Interaktion im Büro.

Wenn ich in das Büro meines potenziellen neuen Unternehmens fahren würde, bekäme ich zumindest einen kleinen Einblick in die Kultur: Wie sieht es hier aus? Wie fühlt es sich an, in dem Büro zu sein? Wie werde ich begrüßt? Wie geben sich die Leute? Wie wird miteinander gesprochen und umgegangen? All das fällt virtuell weg. 

Ist man bei einem Online-Bewerbungsgespräch dem Bewerbenden gegenüber toleranter? 

Dass ich ein Online-Interview führe und da vielleicht etwas vom familiären Background zu hören ist, ist inzwischen normal geworden. Vor gut einem Jahr wäre das wahrscheinlich noch anders gewesen. Wahrscheinlich wäre man eher irritiert gewesen, wenn das Gesprächsgegenüber sich kurz um den Nachwuchs hätte kümmern müssen. Aktuell wissen alle, dass die Organisation der Arbeit im Privaten eine Herausforderung darstellt.

Welche Tipps würdest du den Bewerbenden für ein Online-Gespräch geben? 

Für das Online-Gespräch würde ich mir überlegen, wie ich mich sowohl mit meinem virtuellen Auftritt beschäftigen als auch eine gute inhaltliche Vorbereitung sicherstellen kann. Letzteres ist natürlich sowohl online als auch offline wichtig. Online ist es vielleicht sogar ein wenig einfacher sich zu organisieren. Unterlagen kann ich um mich herum ausbreiten oder auch Websites, auf die ich mich beziehen möchte, öffnen. Fragen und Notizen sollte ich in beiden Fällen zum Gespräch mitbringen.  

Für diejenigen, die von der Unternehmensseite das Gespräch führen, ist es auch wichtig zu versuchen, nicht in eine Art Frage-Antwort-Ping-Pong zu verfallen, sondern tatsächlich ein Gespräch zu führen und die Bewerbenden einzuladen, gleichfalls Fragen zu stellen und offene Punkte zu klären. Im virtuellen Raum tendieren wir dazu, sehr auf der Sachebene zu agieren und Punkte „abzuarbeiten“. Der informelle Austausch läuft Gefahr auf der Strecke zu bleiben. Bewerbende kann ich nur ermuntern, das Gespräch aktiv mitzugestalten, ihre wichtigen Fragen zu klären und sich vorher Klarheit zu ihren Gesprächszielen zu verschaffen. 

Du beschäftigst dich ja auch viel mit Frauen im Beruf. Merkt man geschlechterspezifische Unterschiede in den Online-Gesprächen? 

Ich kann keine echten Unterschiede feststellen. Was ich allerdings sehr frappierend finde ist, dass im virtuellen Raum der Algorithmus der Online-Tools wie Zoom, Teams und Co. die Höhen der weiblichen Stimmen rausschneidet. Damit wirken weibliche Stimmen weniger voluminös. Das muss dringend abgestellt werden. 

Wenn wir auf die Zeit nach der Pandemie blicken, sind Online-Interviews ein Format für die Zukunft?

Meiner Meinung nach wird das Format bestehen bleiben. Es ist sehr vorteilhaft, Leute schnell und ohne Wegezeiten zusammenbringen zu können. Wahrscheinlich wird es auch hier hybrid weitergehen. Aber wir werden sehen, wie genau es im „new normal“ weitergeht. Ich bin gespannt! (lacht)

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