Online Rezension

„Shusenjo“: Kampf der Trostfrauen

Die Dokumentation beleuchtet Versuche, das Leid von Zwangsprostituierten in Japan während des Zweiten Weltkriegs kleinzureden. Vor Kurzem wurde der Film im Rahmen des Forschungskolloquiums der Japanologie an der LMU gezeigt.

Screenshot Trailer: Youtube

Von Stefanie Haas

Miki Dezakis Film ist keine leichte Kost. Er behandelt die komplizierte Kontroverse um die sogenannten Trostfrauen (engl. comfort women) – jene Frauen, die während des Zweiten Weltkriegs von der Kaiserlichen Japanischen Armee in die Prostitution gezwungen wurden, um die Stimmung der Soldaten an der Front aufrechtzuerhalten. Im Gegensatz zu anderen Filmen, die das Thema behandeln, verzichtet „Shusenjo“ zum Großteil auf Aussagen Betroffener. Denn der Regisseur, ein Amerikaner mit japanischen Wurzeln, möchte weniger die Geschichte der Trostfrauen erzählen, sondern vielmehr zeigen, weshalb sie in Japan trotz historischer Belege angezweifelt werden.

„Shusenjo“ lässt sich als Hauptschlachtfeld übersetzen, und genau dieses Hauptschlachtfeld will Dezaki näher darstellen: Wo und vor allem mit welchen Mitteln wird in Japan und international die Debatte geführt, werden die Aussagen der Trostfrauen diskreditiert, ihre Forderung nach einer offiziellen Entschuldigung abgewehrt, ja selbst ihre Existenz geleugnet.

Der Regisseur verzichtet bewusst auf Aussagen Betroffener

Für seine Darstellung hat der Regisseur namhafte Historiker*innen, Journalist*innen, Aktivist*innen und einen US-amerikanischen Youtuber interviewt. Zudem hat er selbst auf Demonstrationen Videomaterial gesammelt. Außerdem finden sich im Film Ausschnitte von Nachrichtensendungen. Dezaki konzentriert sich zunächst auf die Art und Weise, wie versucht wird, Aussagen der Trostfrauen oder historische Fakten zu widerlegen. Er zeigt, dass sich das Hauptschlachtfeld nicht auf Japan beschränkt; in den USA beispielsweise, wo Staat und Bürger*innen gleichermaßen in den Kampf hineingezogen wurden, wird dieser ebenfalls öffentlich ausgetragen, befeuert von beiden Seiten.

Dezaki geht der Frage nach, ob es sich bei den Trostfrauen um Sexsklavinnen gehandelt hat, und beantwortet sie mit Verweis auf rechtliche Grundlagen und anhand von Einschätzungen fachkundiger Historiker*innen. Dem stellt er die Aussagen derjenigen gegenüber, die leugnen, dass es sich um völkerrechtswidrige Zwangsprostitution und Sexsklavinnen gehandelt habe. Anschließend wirft Dezaki die Frage auf, ob hinter dem geschichtsrevisionistischen Bestreben nicht eine größere Agenda steckt.

Screenshot: Instagram

Hierzu untersucht er die Hintergründe der Revisionist*innen und zeichnet ein erschreckendes Bild entschlossener Menschen, die mehr im Sinn haben als die einfache Ablehnung einer offiziellen Entschuldigung vonseiten des japanischen Staates. Besonders eindrucksvoll ist in diesem Teil die Gegenüberstellung eines Kritikers mit den Aussagen eines ehemaligen Soldaten.

Dezaki schafft es auf eindrucksvolle und fesselnde Weise einen Kampf darzustellen, in dem es um viel mehr geht als bloße Anerkennung von Kriegsverbrechen oder deren Leugnung. Es wird der Zusammenhang deutlich zwischen Revisionist*innen, die eine politische Agenda verfolgen, und ihren Unterstützer*innen, die daraus schlussfolgern: Japan müsse sich nicht entschuldigen. Eine Verwicklung der Regierung scheint in diesem Zusammenhang nicht überraschend. Welche Schlüsse in der Dokumentation gezogen werden? Nur so viel: Es endet nicht damit, die Geschichte nachträglich zu ändern.

Ein Kritiker wird der Aussage eines Soldaten gegenübergestellt

Im Publikum an der LMU, das zu einem großen Teil aus Studierenden bestand, hat der Film großen Anklang gefunden. Viele fanden das Gezeigte „beeindruckend“ und „interessant“, aber auch „schockierend“. Besonders im Hinblick darauf, dass der Kampf gegen die Trostfrauen auch vor prominenten Politiker*innen nicht Halt macht. Dezakis Stil beschrieben sie als „angenehm nüchtern“. Befremdlich schien vielen jedoch die Tatsache, dass beide Seiten zu Beginn gleichermaßen gezeigt wurden, „obwohl die Intention der Revisionisten klar war“.

Gelobt haben die Studierenden Dezakis Struktur und Recherche. Wobei eine Studierende anmerkte, die Thematik sei als Außenstehende „schwierig nachvollziehbar“. Es wurde dann jedoch im Plenum diskutiert, dass es eine Auffassung ähnlich der japanischen sowie revisionistische Bestrebungen auch gegenüber der deutschen Geschichte gebe.

„Shusenjo – The Main Battleground of the Comfort Women Issue‟ (USA/Japan/Südkorea 2019, 120 Minuten) wird im Rahmen einer europäischen Screening-Tour an ausgewählten Orten gezeigt, in Deutschland zuletzt an der LMU in München. Ein Interview mit Regisseur Miki Dezaki könnt ihr hier nachlesen.

 

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