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La grande bellezza in Rom

Rom hat erdrückend viel zu bieten. Manchmal fehlen einem da sogar die Worte, um zu beschreiben, was nicht da ist. Ein Erfahrungsbericht.

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Blick auf Rom vom Stadtpark Villa Borghese (Foto: Lorena Meier)

Rom ist all das, was ich mir vorgestellt habe und sogar noch viel mehr – aber etwas fehlt. Gep Gambardella in dem Film La grande bellezza geht es ganz ähnlich. Er sucht sein Leben lang nach diesem einen perfekten Moment in Rom, nach der großen Schönheit. Dieser alternde Schriftsteller ist auch ein bisschen wie Rom selbst: Er ruht sich aus auf dem Ruhm vergangener Tage und lässt sich treiben, wie es seiner Gewohnheit entspricht. Es ist gefährlich einfach, sich an die Wunder dieser Stadt zu gewöhnen und so diesen einen großartigen Augenblick zu verpassen.

Sowohl der Film als auch die Stadt strahlen eine seltsame Tristesse aus, ein gewisses Aufgeben und Scheitern im Alltag. Man weiß genau, was falsch läuft: die öffentlichen Verkehrsmittel, die patriachale Mentalität – doch man ist schlicht zu faul und zu verbraucht, um dagegen zu kämpfen. Die besten Tage liegen hinter einem. Sicher, es werden noch schöne Tage kommen, wunderschöne sogar. Der Schriftsteller blickt seinem Alter entgegen, und Rom einer Gegenwart und Zukunft – in der sie allerdings von anderen europäischen Hauptstädten längst abgehängt wurde.

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Parco delle Energie, ein besetztes Gelände in Pigneto (Foto: Lorena Meier)

Es ist von außen schwer zu begreifen, wenn man neu in die Stadt kommt. Wenn man im richtigen Stadtteil wohnt, die richtigen Leute kennt, dann fällt es einem vielleicht noch nicht einmal später auf. Ich habe nicht im Studentenviertel gelebt, sondern mit Italienerinnen nur eine Viertelstunde von der Drogenmeile Pigneto weg. Es gibt sehr viele Bars dort. Obwohl man sich dort meistens unter freiem Himmel aufhält, wird man selbst vom Passivkiffen spürbar high. Die freundlichen Polizisten spazieren da entlang und verhindern somit Gewaltverbrechen, doch in die vielen unauffälligen Rucksäcke der ebenso freundlichen Einwanderer schauen sie nicht. Ich war dort vielleicht dreimal und ging nicht mehr hin, als mir Heroin angeboten wurde.

Selbstverständlich besteht Rom nicht nur aus der hübschen Ansicht vom Trevi-Brunnen. Es ist eine moderne Großstadt-Maschinerie, die funktioniert – mehr oder weniger. Es bringt auch überhaupt nichts, die Italiener zu romantisieren und ihnen zu unterstellen, sie hätten immer ein urlaubhaft-sonniges Gemüt. Die Jungs in der ERASMUS-Organisation ESN sind wirklich mit sehr viel Herzblut, Einsatz und Organisationstalent dabei und haben uns allen wunderschöne Wochenendreisen ermöglicht. Selbstverständlich gibt es auch vereinzelt ein paar schwarze Schafe in ESN, die hauptsächlich mit dabei sind um auf den Partys blonde Europäerinnen kennen zu lernen.

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Nachts am Pantheon (Foto: Lorena Meier)

Die Universität war für mich ein großes Problem, da sehr rigide gelehrt wurde und ausschließlich der Interpretationsansatz des Lehrkörpers als richtig galt. Für meine Prüfungen musste ich mehrere hundert Seiten auf Italienisch nicht nur lesen, sondern auswendig lernen. Auch an der Sapienza, der ältesten Universität der Stadt, spürt man die Last der vergangenen Jahrhunderte und deshalb will man besonders ehrwürdig und damit konservativ auftreten. Da erst ist mir bewusst geworden, was die Studentenrevolten in Deutschland verändert haben: Mitsprache in der Lehre und halbwegs mündige Studenten. Während meines ganzen Semesters habe ich nie auch nur eine einzige fachliche Wortmeldung von meinen Kommilitonen gehört.

Der größte Schatz Roms ist selbstverständlich seine Geschichte – es ist aber auch sein größter Fluch, denn es hindert die Stadt an gesunden Neuerungen. Seit mehreren Jahren wird an der dritten U-Bahnlinie gebaut, doch leider findet man immer wieder archäologische Schätze in der Erde. Die neue Linie würde eine große Entlastung für den Süden Roms darstellen, wo die Einwohnerdichte am höchsten ist. Momentan muss man bis zu 20 Minuten warten, um in eine Tram einsteigen zu können, die nicht völlig überfüllt ist.

Man kann sie trotzdem finden, la grande bellezza, aber es ist schwierig. In den Kapitolinischen Museen oder einer stillen Kirche kann man sie vielleicht erleben. Oder indem man nachts mit Finnen, Ungarn und Italienern durch das centro storico zieht und spürt, dass sich so die Ewigkeit anfühlt. Und dann fehlen die Worte, nicht weil etwas fehlt, sondern weil dieser eine Moment endlich gekommen ist.

Der Trailer zum Film La grande bellezza (2013) von Paolo Sorrentino:

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