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„Es ist in Japan fast cooler, keine politische Meinung zu haben“

Miki Dezakis Dokumentation „Shusenjo“ hinterfragt Japans Umgang mit den Trostfrauen. Im Interview erzählt der Regisseur von Gesprächen mit rechten Revisionist*innen und einer wenig informierten Jugend.

Miki Dezaki an der LMU München © Foto: Stefanie Haas

Das Gespräch führte Stefanie Haas

Miki Dezaki ist gebürtiger US-Amerikaner. Vergangenes Jahr schloss er ein Graduiertenprogramm an der Sophia Universität in Tōkyō ab. „Shusenjo“ entstand aus der Recherche für seine Masterarbeit. Unsere Rezension zu der Dokumentation könnt ihr hier nachlesen.

Wie kamen Sie auf die Trostfrauen als Thema für Ihre Dokumentation?
Vor einigen Jahren habe ich auf Youtube ein Video veröffentlicht, das von Rassismus in Japan handelte. Damals waren mir die Trostfrauen noch unbekannt. Aber nach der Veröffentlichung des Videos wurde ich von Rechten angegriffen. Sie attackierten mich online und versuchten, das Video von der Plattform zu nehmen. Das machte mich neugierig, denn ich wollte wissen, warum sie es entfernen wollten. Dadurch wurde ich auf diese Menschen aufmerksam, die versuchten zu verhindern, dass solche Informationen über Japan nach außen dringen. Dann hörte ich von den Trostfrauen und das machte mich noch neugieriger. Es gibt so viele Aspekte (über japanische Kriegsverbrechen, Anm. d. Autorin), wie Nanking oder Einheit 731, dass ich mich fragte, wieso ausgerechnet die Trostfrauen so ein Thema waren.

Aus deutscher Sicht erstaunt es, dass es Ihnen möglich war, Menschen mit stark rechtsgerichteter Gesinnung oder Revisionist*innen auf Demonstrationen zu interviewen. Hierzulande kommt es da oft zu Konfrontationen.
Die wollen eine Plattform. Sie versuchen, ihre Nachricht oder ihre Informationen zu verbreiten. Dabei versuchen sie, vor allem japanisch-stämmige Amerikaner zu überzeugen, besonders die aus der dritten oder vierten Generation. Die Menschen, die ich interviewte, dachten, ich könnte für sie einen Film machen und hofften, somit andere von ihrem Narrativ zu überzeugen. Damals war ich so offen, dass ich ihre Meinungen anhörte, anstatt mit ihnen zu streiten. Für sie hieß das: „Er ist auf unserer Seite!“

Sie haben mit einem deutschen Historiker darüber gesprochen, ob eine Versöhnung überhaupt möglich ist. In Deutschland fand diese Auseinandersetzung mit der Vergangenheit vor allem während der 1960er Jahre statt. Denken Sie, dass es auch in Japan zu so etwas kommen wird?
Die Sache ist die, dass es in Deutschland damals eine Jugend gab, die über die Geschichte des Landes Bescheid wusste und dachte, es wäre wichtig, sich zu entschuldigen und diese Geschichte zu lehren. Aber die japanische Regierung hat so etwas verhindert, indem die eigene Geschichte nie richtig gelehrt wurde. Es kann sein, dass die junge Generation etwas gegen Revisionismus unternehmen möchte, aber solange sie ihre eigene Geschichte nicht kennen, werden sie nicht in der Lage sein, das zu tun. Es ist möglich, aber es ist eine Frage dessen, wie man Informationen an junge Menschen bringt.

„Es kann sein, dass die junge Generation etwas gegen Revisionismus unternehmen möchte, aber solange sie ihre eigene Geschichte nicht kennen, werden sie dazu nicht in der Lage sein“

In Japan spricht derzeit viel für eine steigende Frustration mit der Politik, das zeigt etwa eine geringe Wahlbeteiligung. Sind das und ein Bedürfnis, keinen Ärger zu verursachen, Ursachen dafür, weshalb die Trostfrauen nicht diskutiert werden?
Letzteres ist definitiv ein Faktor, nicht aktiv zu werden. Ich denke aber, dass die Frustration auch daher kommt, dass man in Japan nicht weiß, welchen Informationen man trauen kann. Natürlich ist in Japan die Situation in der Politik sehr schwer, da die Bevölkerung heutzutage nicht wirklich politisch aktiv ist. Heutzutage wird es fast als cooler betrachtet, keine politische Meinung zu haben. Das ist dann die perfekte Formel, um die Menschen davon abzuhalten, politisch aktiv zu werden. Japaner tendieren eher dazu, sich nicht gegen Autorität zu stellen. Denn dabei verursacht man gleichzeitig Ärger, was in der japanischen Kultur nicht gut ist.

Aussagen von Opfern werden oft als Lügen abgewiesen. Sie versuchen dennoch, Ihre Botschaft zu verbreiten. Wie überzeugen Sie andere Menschen?
Ich denke, man braucht eine Art Fundament, auf dem man die Unterhaltung oder Diskussion zu dem Thema beginnen kann. Zunächst muss man gewisse Begriffe definieren, wie Sexsklave. Das sieht man auch im Film: Man muss der Definition zustimmen. Dann kann man schauen, ob das diese Frauen betroffen hat, welche Beweise es gibt. So kamen wir zu unserer Schlussfolgerung. Die Definitionen, die ich im Film benutzt habe, entstammen dem Internationalen Recht. Man kann sie also rechtfertigen. Im Falle der Trostfrauen ist es egal, ob sie Geld bekommen haben. Wenn man unter totaler Kontrolle steht, ist man eigentlich ein Sklave.

Das Interview fand auf Englisch statt.

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