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Orplid – Klassik auf 380 Nanometern: Eine Raum-Klang-Installation im Pop-Up Hotel 

Anna © C. Fournier

Von Céline Fournier 

Am 10. November 2017 zeigt der neu gegründete Verein HIDALGO e.V. im kürzlich eröffneten Pop-Up Hotel The Lovelace nahe des Odeonsplatzes die Installation Orplid. Inspiriert von der Ästhetik der Trance- und Goa-Szene, bestimmen Schwarzlicht und abstrakte Formen den Raum, während klassische Musik erklingt. Der Münchner Sänger und Hugo-Wolf-Preisträger Ludwig Mittelhammer (Bariton) und der international renommierte Liedbegleiter Eric Schneider am Piano präsentieren Lieder von Franz Schubert und Hugo Wolf – umgeben vom umherwandelnden Publikum und umhüllt von Dunkelheit und fluoreszierenden Ebenen.  

Weltflucht über die Zeiten 

Der Name Orplid stammt vom deutschen Lyriker Eduard Mörike und bezeichnet eine Traumwelt, die er und seine Freunde sich erdachten. Die Weltflucht, das Bedürfnis, aus dem Alltag auszubrechen und in andere, bessere Orte und Umgebungen einzutauchen, zieht sich quer durch die Menschheitsgeschichte und begegnet uns in verschiedensten Kulturen und Epochen. Mörikes Orplid ist ein typisches Beispiel, wie sich das Konzept Weltflucht in der Romantik gestaltete: Sagenhafte Naturwelten, irrationale Zaubergestalten und übergeordnete göttliche Prinzipien, eingebettet in das mittelalterlich-goldene Zeitalter. Diese Elemente bildeten einen Zufluchtsort in einer durch Industrialisierung, Mechanisierung und Urbanisierung vom Einzelnen entfremdeten Welt. Auch in der zeitgenössischen Popkultur sind die Themen des 19. Jahrhunderts noch allgegenwärtig und werden beispielsweise von Serien wie Game of Thrones oder der Herr der Ringe-Trilogie aufgegriffen.  

Hidalgo @ MMA © C. Fournier

Neben der Literatur war auch damals schon die Musik ein Mittel der Weltflucht: Lieder, vorgetragen im Rahmen der Salonmusik bürgerlichen Kreise, führten die Zuhörer in andere Welten. Gesangsstimme und Klavier boten, damals wie heute, einen direkten emotionalen Zugang in die teils kryptischen Textzeilen.  

Auch heute sind die intensivsten Erfahrungen der Weltabhandenheit mit Musik verbunden: Insbesondere Clubs und Festivals bieten gesellschaftlich akzeptierte Erfahrungen jenseits des gewöhnlichen Umgangs und Alltags. Besonders in der Goa-Szene spielt die Ästhetisierung des Raumes eine unverzichtbare Rolle. Dieser wird gestaltet durch verschiedenartige dreidimensionale Objekte, Skulpturen, Motive und Symbole aus unterschiedlichen Kulturkreisen, psychedelische Muster und im UV-Licht fluoreszierende Farben. Die visuelle Gestaltung schafft zusammen mit den tranceinduzierenden Rhythmen der Musik ein sinnesübergreifendes Gesamterlebnis in Parallel- und Traumwelten.  

Die Installation Orplid, die am 10. November im Hotel Lovelace zu sehen sein wird, knüpft an die Ästhetik der Goaszene an, um mit ihr abstrahierte Symbole der Romantik und das klassische Lied zu einer Raum- und Klanginstallation zu verbinden. In der abgedunkelten Hotellobby werden die Symbole und Topoi der Romantik visuell in geometrische Formen abstrahiert. Das Publikum findet sich in einem fluoreszierenden Wald wieder, den es zu den Klängen von Schubert und Wolf durchwandern und erschließen kann. 

H © C. Fournier

Wer dahintersteht 

Orplid wird von dem gemeinnützigen Münchner Verein HIDALGO e.V. veranstaltet. Er besteht aus derzeit 14 Ehrenamtlichen, darunter Eventmanager, Spielleiter, Bühnenbildner, Regieassistenten, Künstler, Juristen, Journalisten, Mediendesigner, PR-Manager sowie Musik- und Theaterwissenschaftler. Künstlerischer Leiter und Initiator des Vereins ist Tom Wilmersdörffer, ehemaliger Solist des Tölzer Knabenchors und selbst studierter Konzert- und Liedsänger.  

Kreis Neon © C. Fournier

Und was noch bevorsteht 

Die kommende Veranstaltung ist ein Pilotprojekt des HIDALGO. Denn im Spätsommer 2018 wird der Verein ein neues Münchner Festivalformat starten. Mehr als eine Woche lang werden einzigartige Erlebnisse geschaffen und mit alten Gewohnheiten gebrochen. Der HIDALGO wird das klassische Lied in höchster künstlerischer Qualität aufführen und es gleichzeitig mit der jungen Münchner Szene zusammenbringen – in prachtvollen Sälen, Keller-Clubs, verlassenen Bahnhöfen und Zweckbauten,  aber auch auf öffentlichen Plätzen. Der HIDALGO versteht das Lied nicht als Museum, sondern als lebendigen Ausdruck.  

Wann: Freitag, 10. November 2017, 20.30 Uhr
Wo: The Lovelace, Kardinal-Faulhaber-Straße 1, 80333 München 

Weitere Details: www.hidalgofestival.de
Tickets hier oder an allen bekannten Vorverkaufsstellen  

Über die Autorin: Céline hat Musikwissenschaft und Sprache, Literatur, Kultur im Bachelor studiert, derzeit macht sie einen Ausflug in die Kulturpraxis und plant einen Master in Kulturmanagement.  

Kunst im Kontext

KUNST IM KONTEXT war bis Ende des Sommersemesters 2019 eine Kooperation mit dem Department Kunstwissenschaften der LMU. Studierende der fünf Studiengänge Theaterwissenschaften, Kunstgeschichte, Kunstpädagogik, Musikwissenschaften und Musikpädagogik rezensierten Ausstellungen, Konzerte und Theaterinszenierungen, berichteten über berufliche Perspektiven nach dem Studium und schrieben über alles, was sonst noch so los ist an der Isar. Die Texte entstanden im Rahmen von Seminaren des Departments und in einem freien Redaktionsteam.

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