Wie kann es aussehen, in einer Zeit des Abstands und der Beschränkungen eine*n Partner*in zu finden und eine Beziehung aufzubauen? Ein Münchner Pärchen erzählt.
Von Jacqueline Hirsh Greene
„Eigentlich ist das Thema Pandemie ein guter Eisbrecher“, bemerkt Sofia und stimmt damit ihrem Freund Daniel zu. Sofia und Daniel, Studierende an der LMU und der TUM, trafen sich Mitte Oktober zum ersten Mal, nachdem sie sich über die Dating-App Bumble kennengelernt hatten. Seit zwei Monaten sind sie nun ein Paar und berichten darüber, wie die aktuellen Umstände die Entstehung ihre Beziehung beeinflusst haben.
Um die Pandemie scheint man kaum herumzukommen. „Schon unsere ersten Schritte in der Beziehung wurden von der Werbung für corona-safe Dating-Tipps durch die App bestimmt“, sagte Sofia. Technische Funktionen der App sollen die Einhaltung von Abstandsregeln und die Vermeidung von Kontakten fördern. Daher können die Nutzer*innen in der ersten Zeile ihres Profils auswählen, welche Arten von Dates für sie infrage kommen: virtuell, mit Abstand und Maske oder nur mit Abstand. Genauso wird aus diesen Gründen die Verwendung der Videochat-Funktion gefördert. (Sofia gibt lachend zu, die Option einmal genutzt zu haben, bevor sie Daniel traf.)
Die Corona-Pandemie durchleben alle. Das verbindet
Es ist von Natur aus verbindend, die gemeinsame Erfahrungen wie jemand anderes zu durchleben. Wissenschaftlich wird sich damit näher auf dem Gebiet der Theorie der interpersonellen Psychologie auseinandergesetzt. Nicht anders ist es bei der Pandemie: Sie wurde schnell zu einer Gemeinsamkeit der Menschen untereinander, zu einem Thema, wo wirklich jede*r etwas zu sagen kann. Daniel sagt, dass diese gemeinsame Erfahrung vielleicht bloß zu einem anfänglichen Anmachspruch mit Virusbezug führte. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass diese Erfahrung tief im Bewusstsein der Teilnehmer*innen im Hinblick auf ihre Verbindung verankert ist, quasi in Form einer Dankbarkeit, dass beide hier, gesund, glücklich und miteinander sind.
Sofia und Daniels erstes Date bestand darin, am Marienplatz von einem Café zum nächsten zu schlendern. Es war damals nur eine Frage der Zeit, bis der nächste Lockdown eintreten und die Möglichkeiten eines Treffens in der Öffentlichkeit stark eingeschränkt sein würden. Sofia beschreibt, wie ihre typischen Dates derzeit aussehen: „Wir beschäftigen uns hauptsächlich mit dem Ausprobieren neuer Kochrezepte, Spaziergängen entlang der Isar mit einem Kaffee zum Mitnehmen bei schönem Wetter oder bleiben einfach nur zu Hause.“ Zur letzten Option kam es daher coronabedingt schneller als üblich. „Während ich normalerweise nach nur zwei Dates nicht mit jemandem nach Hause gehen würde, war ich diesmal flexibler. Ich musste flexibler sein“, sagte Sofia.
Das Paar umging die Smalltalk-Phase. Es wurde schnell intim
Obwohl weder Sofia noch Daniel allzu besorgt über die gesundheitlichen Risiken der Treffen waren, entschieden beide selbst, dass es zurzeit besser ist, keine Dates mit verschiedenen Personen zu haben, sondern eher eine Regelmäßigkeit und Normalität miteinander zu finden. Zu der Frage, wie sich die Intimität dann im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit verändert haben könnte, hat das Paar unterschiedliche Gedanken. „Ich denke, dass man durch diese Situation schneller zur Sache kommt“, sagt Sofia und meint damit die Tatsache, dass für sie Meilensteine in einer Beziehung zu einem frühen Zeitpunkt erreicht wurden. Das Treffen der Freund*innen des anderen zum Beispiel oder die gegenseitige Bekanntmachung mit Familienmitgliedern. Aber auch viel Zeit miteinander zu verbringen und bereits über eine gemeinsame Zukunft zu sprechen gehören dazu. Für Daniel gab es keine merkliche Veränderung.
Sofias Beobachtung, es gehe schneller zur Sache, hat ihrer Meinung nach sowohl Vor- als auch Nachteile. Das Paar umging so eine lange Smalltalk-Phase – diese ist sowieso für manche nicht ideal – und verschwendete keine Zeit beim Aufbau ihrer Beziehung. „In der heutigen Welt, die so akut von Isolation und Unsicherheit geprägt ist, kann ein Wunsch nach einer raschen, intensiven und intimen Beziehung eine Reaktion oder Lösung dafür sein“, sagt sie. Gleichzeitig kann dies aber auch problematisch sein, da man durch rasche Intimität natürlich auch schneller verletzlich ist.
Wie alles, was aus einer globalen Pandemie resultiert, werden auch bestimmte Normen und Erwartungen an romantische Begegnungen auf den Kopf gestellt. Sofia sagt und Daniel stimmt zu: „Wir bleiben neugierig auf die Art unserer Beziehung und darauf, wie die Erinnerung an ihren verrückten Anfang weiterhin einen bleibenden Eindruck auf die Zukunft hinterlassen wird.“