Online Philterchen

Von Fröschen, Hilfskräften und Corona

Die Pandemie hat den Alltag der Hilfskräfte an Universitäten verändert. Manches erinnert jetzt an das Leben der Amphibien. Ein Erfahrungsbericht.

Symbolbild © Foto: Max Fluder

Von Michael Kister

Der Frosch fühlt sich wohl am Rande eines Tümpels und verspeist genüsslich ein paar Insekten, die sich dort tummeln. Wäre ich der Frosch, so stellte die Uni meinen Tümpel dar. Seine Insektenjagd käme meinem Hilfskraft-Job gleich. Anders gesagt: Der größte Vorteil der Tätigkeit als studentische Hilfskraft ist es, dass man dort, wo man sowieso den ganzen Tag verbringt, gleich noch etwas Geld verdienen kann.

Im Winter treibt die Kälte den Frosch allerdings in geeignete Unterschlüpfe wie zum Beispiel Hohlräume in Baumwurzeln. Corona hat, was mich betrifft, die Rolle der kalten Jahreszeit übernommen.Wochenlang musste ich mich mit der heimischen Baumwurzel, den eigenen vier Wänden, zufrieden geben. Der Unterschied: Der Frosch verfällt in Kältestarre und isst bis zum Frühling nichts mehr. Das kann ich hingegen nicht.

Irgendwer muss schließlich all den Studierenden ermöglichen, mehrmals die Woche am Esstisch vor 30 kleinen Videokacheln zu sitzen, auf denen die anderen Kursteilnehmer*innen zu erkennen sind. Das machen doch die Dozent*innen, schallt es aus der letzten Reihe. Nun ja, wenigstens in meinem bescheidenen Studienfach, der Geschichte, bedeutete Uni in den vergangenen Wochen mehr denn je Lektüre. Die Texte galt es dann im Zoom-Kurs zu diskutieren.

Ich komme an der Stelle ins Spiel, an der Bücher und Fachartikel nicht auf wundersame Art und Weise digitalisiert auf dem Laptop erscheinen. Wenngleich viele Verlage ihr Online-Angebot weitgehend frei zur Verfügung stellen, gibt es doch genügend Literatur, die ihre Geheimnisse nur in gebundener Form bewahrt und sich im Herzen der Bibliotheken versteckt. Ich blickte also gleichsam furchtlos ins Angesicht der Seuche, begab mich nach München und ließ mir von einem Dozenten die Tür des Historicums aufsperren. Per Chipkarte. Ist das nicht erstaunlich? Da soll mal einer sagen, die LMU wäre technisch hinterher.

Wer schon einmal die Büros von Professor*innen von innen gesehen hat, weiß, dass alle Wände zwingend mit Bücherregalen vollstehen, die bis zum Anschlag gefüllt sind. Die gehören bestimmt zur Image-Pflege während Sprechstunden und enthalten nur ungelesene Freundschaftsgeschenke ihrer Akademikerfreund*innen, denkt man sich zunächst. Tatsächlich handelt es sich um veritable themenspezifische Privatbibliotheken, mit denen sich einige Semester problemlos überstehen ließen. Eigentlich sind richtige Bibliotheken in Wirklichkeit wohl nur für Studierende. Für mich hatte sich jedenfalls nichts geändert: Ich bekam Bücher und scannte sie.

Im Unterschied zur Prä-Corona-Zeit war es jedoch möglich, fertig zu werden. Zuvor tröpfelten bis zum Ende des Semesters konstant Scan-Arbeiten herein, die mich von den interessanten Dingen wie dem Korrekturlesen abhielten. Nun erledigte ich fast alles, was bis Juli zu digitalisieren war, in einem Rutsch. Alles weitere konnte und ganz entscheidend durfte ich von zu Hause machen. Texte online stellen, Korrektur lesen, Korrespondenz mit Kursteilnehmer*innen führen. Unter normalen Umständen gehe ich dafür natürlich ins Büro, weil ich am Tümpel sowieso einen Kurs über Tiere im Mittelalter habe. Für eine Stunde Arbeit meine Baumwurzel zu verlassen, ist aber abseits des gesundheitlichen Risikos einfach ungünstig.

Die Universität, eher aber die Dozent*innen, haben Anpassungsfähigkeit bewiesen. Für viele Aufgaben muss ich nicht vor Ort sein. Ich bin zuversichtlich, dass diese Erkenntnis dem Berufsstand der Hilfskräfte auch in Zukunft den ein oder anderen überflüssigen Weg erspart. Sogar der jedenfalls meinerseits relativ unqualifizierte IT-Support, wenn die Videoschalte mal nicht funktioniert, lässt sich per Telefon geben. Ich plädiere aber keineswegs dafür, einfach nur noch zu Hause zu arbeiten. Gerade der persönliche Kontakt mit den Uni-Angestellten ist eine angenehme Komponente dieses Jobs. Das Gehalt ist jedenfalls nicht unbedingt der Überzeugungsfaktor Nummer eins.

 

Dieser Artikel ist Teil unseres Online-Schwerpunkts „Gemeinsam“. Aufgrund der Corona-Krise haben wir uns dazu entschieden, dieses Semester auf eine gedruckte Ausgabe zu verzichten, stattdessen veröffentlichen wir Artikel unter diesem Thema. Die Ausbreitung des Virus hat das Studierendenleben von heute auf morgen verändert: Wie wirkt sich das auf den Uni-Alltag aus? Wie auf Lehre und Leben? Und vor allem: Welche Lösungen im Umgang mit dem Virus werden an Hochschulen gefunden? Mit diesen Fragen beschäftigen wir uns.

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